Gebrauchtwagen als Business-Katalysator: Fokus auf Gebrauchte

Steve Hopewell, der zehn Jahre als Vorstandsmitglied für Pendragon tätig war, bevor er AutoBinck Central Europe dabei beriet, einen Automobilhandel aufzubauen und zudem eine eigene Gruppe von Toyota-Händlern in Wrexham (Großbritannien) besitzt, ist überzeugt, dass sich viele Autohäuser in Europa nicht auf das konzentrieren, was wirklich wichtig ist. Stattdessen fokussieren sie sich zu sehr auf den reinen Verkauf von Neuwagen. Hopewell leitet ein von Trevor Jones gegründetes Team bei ASE Global, das Autohäuser in ganz Europa berät. Am Flughafen Frankfurt nutzten wir die Gelegenheit für ein zweistündiges Gespräch mit ihm - abgesehen von einer zehnminütigen Unterbrechung zur Prüfung der 14 wichtigsten Leistungskennzahlen seiner eigenen Autohäuser, mit denen er täglich feststellt, wo seine Betriebe gerade stehen. Kennzahl "Service Absorption" Wenn es in einem Autohaus nicht rund läuft, liegt es meistens daran, dass die Service-Abteilung nicht optimal arbeitet. Service Absorption ist für Hopewell die wichtigste Kennzahl (das heißt, Kostendeckung aus den Erträgen im Kundendienst). Geht man wie Hopewell davon aus, dass man erst bei Service-Absorption-Raten von 100 Prozent und mehr wirklich zufrieden sein kann, so liegen diese in Deutschland im Durchschnitt weit unterhalb dieser Benchmark und haben viel "Luft nach oben". Gebrauchtwagen sind der Schlüssel für eine hohe Service Absorption. Schlechte Ergebnisse eines Autohauses gehen oft mit einer geringen Service Absorption einher, so Hopewell. Und das nicht von ungefähr: "Autohäuser fokussieren sich von jeher auf den Verkauf von neuen Fahrzeugen. Der beste Verkäufer wird dann zum Niederlassungsleiter befördert und konzentriert sich i. d. R. ausschließlich auf den Neuwagenverkauf. Dieser Ansatz ist jedoch komplett falsch. Der Einkauf ist der eigentliche Dreh- und Angelpunkt, um gute Gewinne zu erzielen. Und nicht der Verkauf. " Mehr in den GW-Handel investieren Um die Kennzahl "Service Absorption" zu optimieren, müssen mehr Fahrzeuge verkauft werden. Dies gilt insbesondere für Gebrauchtwagen, "und die bekommen Sie als Händler für kleines Geld - durch Inzahlungnahme." Eigenfabrikat, Fremdfabrikat: Für Hopewell alles kein Problem. In Zahlung genommene Gebrauchtwagen abstoßen oder meistbietend verkaufen? "Dann haben Sie Ihren guten Geschäftssinn verloren. Sofern Sie nicht sofort zusätzlich Autos zukaufen. Aber das tun die wenigsten." Seine Maxime lautet: Verkaufen Sie jedes Fahrzeug mindestens dreimal und stärken Sie dabei die Bindung zwischen den Fahrzeugbesitzern und Ihrem eigenen Unternehmen. "Sorgen Sie dafür, dass Sie mehr Service-Termine und somit mehr Gelegenheiten für Kundenkontakte erhalten. Genau das ist der Punkt." Beim Verkauf von Gebrauchtwagen passieren häufig Fehler. Ein GW-Experte verfügt über die entsprechenden Fachkenntnisse und agiert entsprechend, wobei dieses Geschäft für Autohäuser nach wie vor seine Tücken hat. "Manchmal haben Sie ein Auto, das sich als Ladenhüter entpuppt. Das muss baldmöglichst aus den Beständen verschwinden. Von dem Geld können Sie umgehend ein anderes Auto kaufen, das sich gut verkauft." Umfassende Informationen über Gebrauchtwagen helfen dem Verkäufer. "Verlassen Sie sich nicht ausschließlich auf Ihre eigenen Berechnungen, sondern nutzen Sie so viele Daten wie möglich. Und passen Sie den Preis des Fahrzeugs jeden Tag an. Nach oben oder unten. Nutzen Sie dazu das Fachwissen über den Markt und auch Ihren eigenen gesunden Menschenverstand. Sie können die Grundregeln nicht ignorieren. Wenn Sie mehr Neuwagen verkaufen, hat dies auch Auswirkungen auf die Verfügbarkeit von Gebrauchtwagen." Hopewell ist der Ansicht, dass Autohäuser einen großen Vorteil gegenüber Freien Werkstätten und Servicebetrieben haben. "Schließlich beginnt das Leben jedes Autos im Autohaus. So entsteht dort Bedarf für Service und Inzahlungnahme. Genau diese in Zahlung genommenen Fahrzeuge sind eine Erfolgschance: Nehmen wir an, ich verkaufe 200 Neuwagen im Monat. Dabei nehme ich 100 Autos in Zahlung - ich möchte diese Fahrzeuge unbedingt bekommen. Anschließend verkaufe ich diese 100 Autos und nehme dabei weitere 30 in Zahlung. Die Autos zu erwerben bedeutet keinerlei Aufwand für mich. Somit kann ich insgesamt 330 Fahrzeuge verkaufen. Das ergibt 330 mögliche Kundendienst-Kunden und 330 Kunden, deren Auto ich irgendwann in Zukunft abermals kaufen kann. All das erfordert kaum Marketing-Aufwand." Neuwagenverkäufe sollten den Kundenstamm erweitern. "Wir folgen dabei einer einfachen Regel: ein Auto kaufen, eines verkaufen, ein weiteres kaufen. Beispiel: Ich verkaufe Ihnen einen Neuwagen. Zweieinhalb Jahre später rufe ich Sie an und mache Ihnen ein gutes Angebot. Ihren Gebrauchtwagen verkaufe ich an Jeroen. Dieser fährt das Auto drei Jahre lang. Zu diesem Zeitpunkt befindet sich das Fahrzeug bereits fünfeinhalb Jahre lang in meinem Warenkreis. Das Gute daran ist, dass Jeroen wahrscheinlich ein jüngerer Kunde ist, was bei den meisten GW-Käufern der Fall ist. Im Laufe seines Lebens wird er höchstwahrscheinlich immer mehr verdienen. Bis er es sich schließlich leisten kann, einen Neuwagen zu kaufen." Keine Angst vor "fremden" Marken Hopewell kennt den deutschen Markt von seiner Beratung für viele Hersteller und Händler. Zuweilen mögen seine Aussagen etwas pedantisch klingen, da er so voll und ganz engagiert ist: Hopewell erzielt eine Kapitalrendite für Gebrauchtwagen von 114 Prozent. Autohäuser entgegnen darauf, dass sie sich aufgrund der Natur ihres Geschäftes, der Kenntnis ihrer Kunden und des Fabrikats-Drucks in erster Linie auf junge Gebrauchtwagen ihrer eigenen Marke konzentrieren. Hopewell ist komplett anderer Ansicht. "Für ein Fahrzeug zum Preis von 10.000 Euro kann ich zwei Autos zu 5.000 kaufen. Zwei potenzielle Kunden für meine Werkstatt. Diese beiden geben am Ende das Gleiche oder sogar mehr aus als der Kunde mit dem Fahrzeug für 10.000 Euro. Mein Ertrag pro investiertem Euro wird bereits in kürzester Zeit deutlich höher sein." Hopewell argumentiert, dass Autohäuser ihre preisgünstigen Gebrauchten deutlich gezielter anbieten sollten. Schließlich ist jeder potenzielle Käufer eines solchen Fahrzeugs ein möglicher Langzeitkunde. "Der junge Käufer eines preisgünstigen Fahrzeugs kann sich im Laufe seines Lebens höchstwahrscheinlich Autos zu höheren Preisen leisten. Außerdem hat das Autohaus eine große Bandbreite an Produkten zur Auswahl, um den Kunden an sich zu binden, z. B. Finanzierungsund Versicherungsprodukte." All dies ist selbstverständlich nicht leicht: eine gute Organisation, die dem Einkauf von Gebrauchtwagen mehr Bedeutung beimisst als dem Verkauf von Neuwagen, die großen Wert auf Kundennähe legt - und bei der der Kunde zu der Überzeugung gelangt, dass Service von freien Händlern nicht preisgünstiger ist. "Autohäuser müssen nicht teuer sein. Wir arbeiten schnell und effizient, weil wir über bessere Fachkenntnisse verfügen." Hopewell sieht die zunehmende technische Komplexität als Vorteil. "Technisches Fachwissen und gute Ausrüstung spielen eine immer wichtigere Rolle. Und genau das ist unsere Stärke." Gebrauchtwagen anderer Fabrikate geben einem Autohaus vielleicht auf den ersten Blick ein unsicheres Gefühl, aber man darf den positiven psychologischen Effekt nicht unterschätzen. "Ein Hyundai-Fahrer denkt, dass er bei Hyundai das beste Geschäft machen wird. Bei einem Toyota-Händler ist er sich nicht so sicher, weil er vermutet, dass der nur an gebrauchten Toyotas interessiert ist. Findet der Kunde im Hof des Toyota-Händlers jedoch auch Hyundais, zeugt dies von Souveränität und vermittelt die Botschaft: Ich will Ihren Hyundai!" 14 Leistungskennzahlen (KPIs) Hopewell behält auch Fahrzeuge mit hohen Aufbereitungskosten. "Nehmen wir an, die Kosten betragen 700 Euro. Dann erzielen Sie eine Marge von 65 Prozent auf die Arbeitsstunden und 25 Prozent auf die Teile. Wenn Sie das Auto abstoßen, kauft es jemand anderes und - mit viel Glück - kommt der Käufer zu Ihnen, um es warten zu lassen. Werden Sie diesen Kunden abweisen? Natürlich nicht. Aber warum nicht die Marge sofort mitnehmen und die Gelegenheit nutzen, direkt einen neuen Kunden zu gewinnen?" Privat-Leasing bietet laut Hopewell fantastische Geschäftsmöglichkeiten. "Sie werden das Auto zurückerhalten, und wenn Sie es gut machen, kann es gelingen, den Vertrag bereits vor Ende der Laufzeit zu erneuern und einen Neuwagen mit garantierter Inzahlungnahme zu verkaufen. Bei jedem Kundenkontakt geht es somit darum, ob wir das Auto kaufen dürfen. Genau das ist unsere Philosophie." Hopewell ist überzeugt, dass die Veräußerung einer großen Anzahl von Autos an andere Händler gleichbedeutend ist mit "verlorenen Chancen, den eigenen Kundenstamm zu erweitern". "Was am Ende zählt, ist das Aftersales-Geschäft. Und genau dafür brauche ich immer wieder neue Kunden." Zu Hopewells Aufgabenbereich bei Pendragon gehörte der Aufbau eines Kundenkontaktzentrums. "Wenn man dort die richtigen Leute beschäftigt, kann man den Kunden für die Service-Abteilung zurückgewinnen oder sein Fahrzeug kaufen. Die Erweiterung des Kundenstamms ist das A und O." Hopewell muss jetzt unser Gespräch beenden und seine Reise fortsetzen. Vorher prüft er jedoch noch kurz die Lage in seinen Betrieben. Dazu fragt er die 14 Kennzahlen über sein iPhone ab. Er ist zufrieden, alle Zahlen liegen über Benchmarkniveau. Aber man sollte sich nicht zu sehr auf das KPI-Dashboard konzentrieren. "Die Leistungskennzahlen sind nur das Ergebnis. Menschen und Prozesse sind das eigentlich Wichtige. Deshalb sollte man in jedem Autohaus den Dingen auf den Grund gehen, wenn etwas nicht rund läuft. Ein Autohaus ist eine hoch komplexe Organisation. Am Ende geht es jedoch stets darum, wie viel liquiditätswirksamen Ertrag Sie generieren. Der Cashflow ist wichtiger als der Gewinn und deshalb sollten Sie Ihr Geschäft dementsprechend optimieren - und Ihre Gebrauchtwagenabteilung ist da ein guter Anfang." Ase Global Steve Hopewell leitet heute das globale Ertragsoptimierungsteam von ASE, das Autohäuser in ganz Europa berät (ase-global.com). Dabei stehen Hopewell professionelle Kollegen zur Seite, die oft von großen Händler-Gruppen kommen bzw. selbst eigene Betriebe führen. In Deutschland verarbeitet und analysiert ASE Händlerdaten für zahlreiche Automobilhersteller. "Das ist jedoch nur die eine Seite unseres Leistungsspektrums", erläutert Roland Otto, Geschäftsführer von ASE Deutschland. "Schließlich dreht sich bei ASE alles darum, dass die Profitabilität im Automobilhandel erhöht wird und einschlägige Verbesserungsprogramme effizient umgesetzt werden."

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