Heinz-Dieter Tiemeyer: Elektromobilität vorantreiben

Das Geschäft mit E-Fahrzeugen bleibt herausfordernd, kann aber nach wie vor Chancen bieten. Heinz-Dieter Tiemeyer spricht im Interview über die Erfahrungen sowie Erwartungen bei der Tiemeyer AG. Der Unternehmensinhaber zieht außerdem ein Resümee zur Integration der Marke Hyundai. AH: Wie entwickelt sich bei Ihnen das Geschäft mit den Elektroautos? H.-D. Tiemeyer: Wenn der Preis passt, kaufen die Kunden - selbst in wirtschaftlich schwierigen Zeiten. Letztlich gibt es keinen schlechten Antrieb, sondern nur Preise, die nicht attraktiv genug sind. Entscheidend ist, ob die Hersteller mit ihren Angeboten die richtige Balance zwischen Kosten und Mehrwert für die Kunden finden. AH: Wie positioniert sich Volkswagen in dieser Situation? H.-D. Tiemeyer: Volkswagen hat in den letzten Monaten viel Kritik einstecken müssen, dabei hat sich die Marke hervorragend entwickelt. Die Qualität stimmt, und die Preisaggressivität ist da. Elektroautos können nicht teurer sein als vergleichbare Verbrenner - das hat Volkswagen erkannt und entsprechend reagiert. Wir spüren einen enormen Aufschwung in der Nachfrage. AH: Was bedeutet das konkret? H.-D. Tiemeyer: Der Hersteller setzt klare Vorgaben. Unsere Verkäufer haben wir gezielt weitergebildet und mit attraktiven Sonderprämien motiviert - jedes verkaufte E-Fahrzeug bringt ihnen nun eine lohnende Sonderprämie. Zudem haben wir unser Team vollständig mit Elektroautos ausgestattet - ich selbst bin der Letzte im Unternehmen, der noch Diesel fährt. Unser Ziel ist es, die Elektromobilität aktiv voranzutreiben. Aber am Ende zählt, was der Kunde will: Man kann den Markt nicht erziehen, man kann ihn nur bedienen. AH: Welche Preisentwicklung ist zu erwarten? H.-D. Tiemeyer: Im dritten Quartal werden Elektroautos voraussichtlich am günstigsten sein. Bis dahin haben die Hersteller Klarheit über ihre Verkaufszahlen - und die drohenden Strafzahlungen rücken näher. Volkswagen handelt hier vorausschauend, indem sie bereits im Januar mit ersten Werbeaktionen starteten, um frühzeitig Marktanteile zu sichern. Gebrauchte Stromer AH: Warum ist der Gebrauchtwagenmarkt in diesem Segment so schwierig? H.-D. Tiemeyer: Das Risiko bei Elektroautos ist groß, deshalb will sie keiner bar kaufen. Viele Käufer sind unsicher, wie sich die Batterieleistung über die Jahre entwickelt und welchen Einfluss neue Technologien auf die Restwerte haben. Niemand kann genau vorhersagen, welche technologischen Fortschritte in den nächsten Monaten und Jahren kommen und wie sich das auf die Wiederverkaufswerte auswirkt. Daher muss entweder der Hersteller oder die Bank das Restwertrisiko übernehmen. AH: Gibt es dafür einen Markt? H.-D. Tiemeyer: Ja, wenn wir die Fahrzeuge verleasen, schon. In den Markt kommt derzeit Bewegung. AH: Wo liegen dabei die Anreize für die Kundschaft? H.-D. Tiemeyer: Für Kunden sind Elektroautos vor allem dann attraktiv, wenn die Leasingkonditionen stimmen. Durch entsprechende Angebote konnten wir als Händler erfolgreich Volumen verkaufen. Die Hauptlast des Wertverlusts tragen jedoch die Hersteller mit ihren Restwertprogrammen. Als Händler sind wir bestrebt, solche Abschreibungen zu vermeiden, und konzentrieren uns daher auf Modelle mit stabileren Restwerten. Dennoch bleibt die Herausforderung bestehen, attraktive Angebote für Kunden zu schaffen und gleichzeitig die wirtschaftlichen Risiken zu minimieren. AH: Kaufen Sie Elektroautos zu? H.-D. Tiemeyer: Wir kaufen alles, wenn der Preis stimmt. Wir bewerten jedes Fahrzeug individuell und achten darauf, dass es marktfähig ist. Entscheidend sind Faktoren wie der Zustand der Batterie, die Reichweiten und die allgemeine Nachfrage am Markt. Darmas-Gruppe AH: Wie hat sich das Geschäft mit der Darmas-Gruppe entwickelt, die Sie 2023 übernommen haben? H.-D. Tiemeyer: Grundsätzlich sind wir mit der Entwicklung des gesamten Geschäftsbetriebs sehr zufrieden. Allerdings wurde das Neuwagengeschäft im vergangenen Jahr in Mitleidenschaft gezogen. Die Fahrzeuge bewegen sich preislich auf dem Niveau von Volkswagen, doch die Leasingraten waren zunächst nicht wettbewerbsfähig. Wir haben immer wieder an Hyundai kommuniziert, dass stärkere Fördermaßnahmen nötig sind, um das gewohnte Verkaufsniveau zu erreichen. Hyundai war zunächst zögerlich, sich stärker am Preiswettbewerb zu beteiligen, doch in diesem Jahr sehen wir bereits deutliche Verbesserungen. Die Marke hat reagiert, und erste Anpassungen zeigen Wirkung. Wir sind zuversichtlich, dass sich das Geschäft in den kommenden Monaten weiter stabilisieren wird. Genesis-Strategie AH: Welche Rolle spielt dabei die Hyundai-Premiummarke Genesis? H.-D. Tiemeyer: Wir sind stolz darauf, dass wir uns im vergangenen Jahr als einer der größten Genesis-Händler in Deutschland etablieren konnten. Mit zwei Vertriebsverträgen - einem für das Ruhrgebiet und einem für Düsseldorf - sind wir in einer starken Position. Dennoch bleibt das Geschäft kleinteilig: wunderschöne Fahrzeuge, aber geringe Stückzahlen. Genesis verfolgt eine besondere Strategie, die sich stark vom klassischen Premiumgeschäft unterscheidet. Der "Son-Nim"-Gedanke, der auf dem koreanischen Konzept der besonderen Wertschätzung des Kunden basiert, spielt eine zentrale Rolle. Fahrzeuge werden direkt nach Hause zum Kunden gebracht - für Probefahrten oder auch für den Service, bei dem das Auto abgeholt und nach Wartung oder Reparatur wieder zurückgebracht wird. Das ist ein einzigartiges und exklusives Konzept, das perfekt zur Marke passt. Doch im Tagesgeschäft stellt es uns als Händler vor Herausforderungen, da es einen hohen logistischen Aufwand erfordert. Auch wenn das Geschäftsvolumen überschaubar ist, sehen wir in Genesis langfristig Potenzial - insbesondere, wenn sich die Marke weiter etabliert und die Nachfrage in Deutschland wächst. MG neu im Portfolio AH: Wie bewerten Sie die chinesischen Marken? H.-D. Tiemeyer: Seit Anfang des Jahres haben wir MG in unser Portfolio aufgenommen. Die Integration der Marke war überraschend unkompliziert - der Aufwand und die Kosten hielten sich in überschaubaren Grenzen. MG arbeitet sehr pragmatisch, was uns zunächst gut gefällt, da Prozesse effizient und lösungsorientiert gestaltet sind. Dennoch muss man abwarten, wie sich der Markt für chinesische Marken entwickelt. Der Erfolg wird davon abhängen, ob sich die Fahrzeuge langfristig etablieren und wie sich die Akzeptanz bei den Kunden entwickelt. Grundsätzlich sehen wir aber, dass viele Kunden mittlerweile ein breiteres Angebot an Marken und Modellen schätzen. Daher beobachten wir den Markt genau und prüfen, welche weiteren strategischen Schritte sinnvoll sein könnten. AH: Welche Erwartungen haben Sie mit Blick auf die chinesischen Hersteller? H.-D. Tiemeyer: Ich denke, dass der aktuelle Hype um chinesische Marken sich langfristig konsolidieren wird. Derzeit gibt es viele Hersteller, die mit großen Ambitionen nach Europa drängen, aber am Ende werden wohl nur zwei bis drei wirklich dauerhaft bestehen bleiben. Die größten Herausforderungen für chinesische Marken sind Markenbekanntheit, Restwerte und Händlernetzwerke. Viele Kunden stehen neuen Herstellern skeptisch gegenüber, vor allem, wenn es um Service, Ersatzteile und langfristige Wertstabilität geht. Zudem sind deutsche Premiumhersteller sehr stark in Europa verwurzelt, was es für neue Marken schwierig macht, sich im höheren Preissegment durchzusetzen. Trotzdem sehe ich einen Marktanteil von etwa 10 Prozent für chinesische Marken in den nächsten Jahren als realistisch an. Besonders im E-Auto-Segment haben sie preislich einen Vorteil und könnten damit eine Alternative für preissensible Kunden sein. Wer aber glaubt, dass BYD, MG oder Nio BMW, Mercedes oder Volkswagen verdrängen, wird vermutlich enttäuscht werden. Kurz gesagt: Die Chinesen sind gekommen, um zu bleiben - aber nur wenige werden sich langfristig etablieren. AH: Vielen Dank für das Gespräch!

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