Mängelhaftung: Einbaufall(e)

Mit dem zum 1.1.2018 in Kraft getretenen "Gesetz zur Reform des Bauvertragsrechts und zur Änderung der kaufrechtlichen Mängelhaftung" wurden zahlreiche gesetzliche Bestimmungen geändert, aufgehoben und neu gefasst. Ziel des Gesetzes ist es auch und insbesondere, den Verbraucherschutz weiter zu stärken. Soweit vom Gesetz die kaufrechtliche Mängelhaftung betroffen ist, wird letztlich die europäische Verbrauchsgüterkaufrichtlinie in Bezug genommen und weiter umgesetzt. Von besonderem Interesse für die Autohausbranche ist hierbei die Änderung der Bestimmungen zur Nacherfüllung, wonach dem Käufer bei Lieferung eines mangelhaften Gegenstands nun ein gesetzlicher Anspruch auf kostenlosen Aus- und Einbau respektive auf Ersatz diesbezüglich anfallender Kosten zusteht. Betroffen ist namentlich der Ersatzteilverkauf über die Ladentheke. Beispiel: Der verkaufte Turbolader ist mangelhaft und wurde vom Käufer in sein Fahrzeug selbst oder durch eine beauftragte Werkstatt eingebaut. Der Käufer kann seit Anfang Januar 2018 auf gesetzlicher Grundlage vom Autohaus selbst den kostenlosen Austausch des mangelhaften Turboladers gegen einen neuen Turbolader oder aber entsprechenden Kostenersatz verlangen. Im allgemeinen Sprachgebrauch ist bei derartigen Fallgestaltungen von einem sog. "Einbaufall" die Rede, der sich in Kostenhinsicht allzu leicht als Einbaufalle darstellt. Verbrauchsgüterkaufrichtlinie und § 439 BGB alt Nach Art. 3 Abs. 2 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie hat der Verbraucher bei Vertragswidrigkeit des Verbrauchsguts Anspruch - entweder auf die unentgeltliche Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsguts durch Nachbesserung oder Ersatzlieferung (...) - oder auf angemessene Minderung des Kaufpreises - oder auf Vertragsauflösung in Bezug auf das betreffende Verbrauchsgut (...). Der Begriff der Unentgeltlichkeit umfasst nach der Richtlinie die für die Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsgutes notwendigen Kosten, insbesondere Versand-, Arbeits- und Materialkosten. Den Anwendungsbereich der Richtlinie regelte der deutsche Gesetzgeber bei der Einführung des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes vormals in § 439 BGB mit der Überschrift "Nacherfüllung" wie folgt: 1. Der Käufer kann als Nacherfüllung nach seiner Wahl die Beseitigung des Mangels oder die Lieferung einer mangelfreien Sache verlangen. 2. Der Verkäufer hat die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen, insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten zu tragen. Vergleicht man den Text der europäischen Richtlinie mit dem des deutschen BGB, ist zu erkennen, dass die Richtlinie einen umfassenderen Verbraucherschutz anstrebt als das BGB. Auch ist zu berücksichtigen, dass die von der Richtlinie bezweckte Erreichung eines hohen Verbraucherschutzniveaus eine verbraucherfreundliche Auslegung erfordert. Vor diesem Hintergrund legten das Amtsgericht Schorndorf und der Bundesgerichtshof im Jahr 2009 zwei Fälle dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Vorabentscheidung vor. Es hatte jeweils ein Verbraucher eine Ware bestellt, diese zu Hause eingebaut und dann festgestellt, dass die Ware mangelhaft war. Der Verbraucher verlangte jeweils vom Verkäufer neben der Ersatzlieferung auch kostenlos den Ausbau der defekten Ware und den Einbau der zum Ersatz gelieferten neuen Ware. Der EuGH gab den Verbrauchern Recht. Nachfolgend wurde von den deutschen Gerichten § 439 BGB "europarechtlich konform" ausgelegt, obwohl der Wortlaut des § 439 BGB dies nicht hergab. Es war somit eine Gesetzesänderung erforderlich. § 439 BGB neu § 439 BGB in der seit 1.1.2018 geltenden Fassung regelt nun ausdrücklich die sog. "Einbaufälle". Nach dem neu eingeführten Absatz 3 ist der Verkäufer bei der Nacherfüllung verpflichtet, entweder selbst den erforderlichen Ausbau der mangelhaften und den Einbau der nachgebesserten bzw. gelieferten mangelfreien Sache vorzunehmen oder aber dem Käufer die hierfür erforderlichen Aufwendungen zu ersetzen. Wel-KOMMENTAR che Art der Nacherfüllung der Verkäufer wählt, steht in seinem eigenen Belieben. Allerdings ist der Verkäufer dann auf den Aufwendungsersatz beschränkt, wenn der Käufer ein sog. "berechtigtes Interesse" daran hat, dass ausgerechnet der Verkäufer den Ausbau der mangelhaften und den Einbau der nachgebesserten bzw. gelieferten mangelfreien Sache nicht durchführt. Außerdem hat der Verkäufer als Voraussetzung für die Selbstvornahme von Aus- und Einbau gegenüber dem Käufer innerhalb angemessener Frist zu erklären, dass er den Austausch eigenhändig vornimmt. Wie bis zur Gesetzesänderung kann der Verkäufer auch weiterhin gem. § 439 Abs. 4 BGB die Nacherfüllung vollständig verweigern, wenn alle Arten der Nacherfüllung für ihn unzumutbar sind. Ist allerdings nur eine Art unzumutbar, so ist er zur anderen Art der Nacherfüllung weiterhin verpflichtet. Hat der Verkäufer zulässigerweise den Aufwendungsersatz gewählt, kann er im Rahmen der gesetzlichen Grenzen den Aufwendungsersatz auf einen angemessenen Betrag begrenzen. Unverhältnismäßige Kosten muss er nicht tragen. Er hat in dieser Hinsicht ein Leistungsverweigerungsrecht. Macht der Verkäufer das Leistungsverweigerungsrecht geltend, kann wiederum der Käufer ohne Fristsetzung den Rücktritt erklären oder Minderung geltend machen. Es ergibt sich im Nacherfüllungsrecht im Abgleich zur gesetzlichen Altregelung ein gesteigertes Ping-Pong-Spiel der Rechte und Pflichten zwischen Verkäufer und Käufer. Rückgriff beim Lieferanten Der Verkäufer haftete bisher und haftet auch weiterhin gegenüber dem Käufer ohne Verschulden. Bisher galt, dass der Verkäufer gegenüber seinem eigenen Lieferanten nur dann Rückgriff nehmen konnte, wenn dem Lieferanten ein Verschulden anzulasten war. Nach dem neu eingeführten § 445 a BGB kann nun der Verkäufer beim Verkauf einer neu hergestellten Sache (und nur für eine solche) von dem Lieferanten Ersatz derjenigen Aufwendungen verlangen, die er im Verhältnis zum Käufer zu tragen hat - und wenn der vom Käufer gerügte Mangel bereits bei Übergabe der Sache vom Lieferanten an den Verkäufer vorhanden war. Erschwert wird der Rückgriff des Verkäufers beim Lieferanten allerdings durch § 445 a Abs. 4 BGB, wonach § 377 des Handelsgesetzbuchs "unberührt" bleibt. Diese Bestimmung beinhaltet handelsrechtliche Pflichten, nach denen der Unternehmer gehalten ist, die Ware unverzüglich nach Erhalt zu untersuchen und erkennbare Mängel gegenüber seinem Lieferanten zu rügen. Erfolgt diese Untersuchung und Rüge nicht, ist er mit einem Regress gegenüber dem Lieferanten ausgeschlossen. Ersatzteile, die für den Verkauf über die Ladentheke bestimmt sind, sollten deshalb sorgfältig kontrolliert werden, Rügen sollten unverzüglich ausgesprochen werden, um einen Anspruch auf Aufwendungsersatz gegenüber dem Lieferanten nicht zu verlieren. Rein vorsorglich sollte der Verkäufer gegenüber dem Lieferanten immer dann eine umgehende Mängelrüge aussprechen, wenn der Käufer seinerseits gegenüber dem Verkäufer einen Sachmangel geltend macht, dies mit der Begründung, dass ein Mangel trotz vorheriger Untersuchung nicht erkennbar war. Vorstehende Ausführungen stellen nur einen Teilaspekt der neuen gesetzlichen Regelungen und Implikationen dar. Es ist zu empfehlen, sich nähergehend damit auseinanderzusetzen. Kommentar Die gesetzliche Änderung der kaufrechtlichen Mängelhaftung beinhaltet unter anderem die Einführung eines neuen sog. Klauselverbots in § 309 Nr. 8 Buchst. b) cc) BGB. Eine AGB-Klausel ist hiernach unwirksam, wenn sie die gesetzliche Verpflichtung des Verkäufers gegenüber dem Verbraucher zum Aus- und Einbau bzw. zur diesbezüglichen Kostentragung ausschließt oder beschränkt. Zwar sind die Klauselverbote des § 309 BGB unmittelbar nur bei Verwendung von AGB gegenüber Verbrauchern anwendbar. Allerdings gelten nach der Rechtsprechung des BGH die Klauselverbote des § 309 BGB mittelbar über die so genannte Generalklausel des § 307 auch bei Geschäften zwischen Unternehmen. Für die Autohausbranche wird sich zeigen, ob die Hersteller als Lieferanten im Sinne von § 445 a BGB versuchen werden, ihre Pflicht zur Zahlung von Aufwendungsersatz abzuwenden. Lieferverträge, die von den Herstellern angeboten werden, stellen grundsätzlich Allgemeine Geschäftsbedingungen dar. Der Gesetzgeber hat durchaus vorhergesehen, dass die Hersteller aufgrund ihrer wirtschaftlich überlegenen Position versuchen könnten, die Lieferverträge zu ihren Gunsten zu gestalten. In der Gesetzesbegründung (Bundestagdrucksache 18/8486, Seite 37) ist deshalb unter Bezugnahme auf die BGH-Rechtsprechung ausgeführt, dass auch bei Unternehmergeschäften ein formularmäßiger Ausschluss oder eine Beschränkung der Käuferrechte gemäß § 439 Abs. 3 BGB neue Fassung wegen unangemessener Benachteiligung des Vertragspartners unwirksam sein soll - Ausnahmen bei besonderer Fallkonstellation wie immer außen vor.Rechtsanwalt Rainer Bopp Kurzfassung 1. Seit 1.1.2018 ist das "Gesetz zur Reform des Bauvertragsrechts und zur Änderung der kaufrechtlichen Mängelhaftung" in Kraft.2. Von besonderem Interesse für die Autohausbranche ist die Änderung des § 439 BGB (Nacherfüllung im Kaufrecht). Dem Käufer steht nun bei Verkauf eines mangelhaften Kfz-Teils (Verkauf über die Ladentheke) gegenüber dem Verkäufer ein gesetzlicher Anspruch auf kostenlosen Aus- und Einbau in Selbstvornahme durch den Verkäufer respektive Ersatz diesbezüglich anfallender Kosten bei Fremdvornahme zu. Der Verkäufer hat ein diesbezügliches Wahlrecht, es sei denn für den Käufer liegt Unzumutbarkeit vor.3. Der Verkäufer kann gemäß dem neu eingeführten § 445 a BGB bei Verkauf eines Neuteils gegenüber seinem Lieferanten den Ersatz derjenigen Aufwendungen verlangen, die er im Verhältnis zum Käufer zu tragen hat. Auf ein Verschulden des Lieferanten kommt es nicht an. Untersuchungs- und Rügepflichten nach § 377 HGB sind zu beachten.

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