Gebrauchtwagen: Die Form wahren

Da ein Rücktritt vom Kaufvertrag (die frühere sogenannte Wandlung) für den Händler unangenehm und kostenträchtig werden kann, lohnt es sich, einen durchaus häufig erfolgversprechenden Blick auf die Frage der erforderlichen Einhaltung gewisser Formalien zu werfen, welche sich noch nicht überall herumgesprochen haben. Hat im Falle eines Mangels am verkauften Fahrzeug die vom Kunden verlangte Nacherfüllung (§ 439 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB) - typischerweise Nachbesserung - nicht geklappt bzw. ist diese nicht möglich oder unzumutbar, so kann der Kunde auf sekundärer Ebene der Sachmängelhaftung (früher sogenannte Gewährleistung) regelmäßig vom Vertrag zurücktreten, § 437 BGB. Voraussetzung ist allerdings grundsätzlich, dass der Kunde den Händler im Rahmen des "Nacherfüllungsvorspiels" vergeblich ordnungsgemäß und regelmäßig unter Setzung einer Nachfrist zur Nacherfüllung aufgefordert hatte, § 323 BGB. Rücktritt bedeutet im Kern, dass das Fahrzeug dann vom Händler gegen Rückzahlung des Kaufpreises (abzüglich Wertersatz für die vom Kunden gezogenen Nutzungen in Form der von ihm gefahrenen Kilometer) zurückgenommen werden muss. Nicht ohne Überprüfung Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte in einem recht aktuellen Fall (Urteil vom 01.07.2015, Az. VIII ZR 226/14) über die Anforderungen an die Rücktrittsvoraussetzungen nach dem Verkauf eines gebrauchten Pkw für knapp 5.000,00 Euro zu entscheiden, bei welchem etwa 5 Monate nach Übergabe ein Motorschaden angezeigt und entsprechend Mängel gerügt wurden. Per Anwaltsschreiben forderte der Kunde vom Händler unter Fristsetzung, "dem Grunde nach zu erklären", dass dieser "eine Nachbesserung vornehmen" werde. Der Händler stellte das Vorhandensein der gerügten Mängel zum Zeitpunkt der Übergabe jedoch zunächst in Abrede. Hierauf erklärte der Anwalt des Kunden in dessen Namen stumpf den Rücktritt vom Kaufvertrag. Der BGH ließ den Rücktritt jedoch bereits an formellen Voraussetzungen scheitern und stellte unter Verweis auf seine auch bisher ständige Rechtsprechung (seit Urteil vom 10.03.2010, Az. VIII ZR 310/08) fest, dass die Obliegenheit des Kunden, vor Geltendmachung des Rücktritts ein Nacherfüllungsverlangen an den Händler zu richten, sich nicht auf eine mündliche oder schriftliche Aufforderung zur Nacherfüllung beschränkt, sondern auch die Bereitschaft des Kunden umfasst, dem Händler das Fahrzeug zur Überprüfung der erhobenen Mängelrügen für eine entsprechende Untersuchung zur Verfügung zu stellen (anders wäre es allerdings z. B. bei von vornherein vom Händler ausgesprochener ernsthafter und endgültiger Verweigerung der Nacherfüllung, woran die Rechtsprechung jedoch hohe Anforderungen stellt). Eine lediglich an den Händler gerichtete Aufforderung, er möge innerhalb einer gesetzten Frist dem Grunde nach seine Bereitschaft zur Nachbesserung erklären, stellt daher kein ordnungsgemäßes Nacherfüllungsverlangen dar. Der Händler ist nach dem BGH demnach nicht verpflichtet, sich auf ein Nacherfüllungsverlangen des Kunden einzulassen, bevor dieser ihm nicht Gelegenheit zu einer Untersuchung des Fahrzeugs gegeben hat. Erst aufgrund einer solchen Untersuchung hätte der Händler beurteilen können, ob die gerügten Mängel bestehen und bei Übergabe bereits vorgelegen haben. Nur unter diesen Voraussetzungen wäre er ja überhaupt zur Nacherfüllung verpflichtet. Das vorzitierte Anwaltsschreiben genügte nach dem BGH diesen Anforderungen nicht. Der Kunde habe eben nicht - wie erforderlich - unaufgefordert Gelegenheit zur Untersuchung des Fahrzeugs im Hinblick auf die gerügten Mängel gegeben, sondern bereits vor einer Überprüfung die verbindliche Zustimmung des Händlers zur Nachbesserung verlangt, worauf sich der Händler nicht einzulassen brauchte. Am richtigen Ort Ein ordnungsgemäßes Nacherfüllungsverlangen setzt nach dem BGH zusätzlich voraus, dass, wenn die Verweigerung des Anerkenntnisses einer verlangten Nacherfüllung z. B. in Form der Nachbesserung als Voraussetzung des später erklärten Rücktritts ausreichen soll, die Überprüfungsmöglichkeit dem Händler auch am diesbezüglichen Erfüllungsort angeboten wird (zuletzt Urteil vom 19.12.2012, Az. VIII ZR 96/12). Erfüllungsort ist hier nach inzwischen wieder herrschender Auffassung in der Rechtsprechung seit dem Urteil des BGH vom 13.04.2011 (Az. VIII ZR 220/10) grundsätzlich der Sitz des Händlers und nicht etwa der Sitz des Kunden. Auch diesbezüglich ist also die "reservierte" Reaktion des Händlers auf ein Nachbesserungsverlangen des Kunden mit der Kundenforderung, das Fahrzeug zur Besichtigung, Überprüfung und gegebenenfalls Instandsetzung bei ihm abzuholen oder hierfür direkt beim Kunden vor Ort zu sorgen, nicht als Rücktrittsvoraussetzung geeignet. Eine Ausnahme wird nur für den Fall anerkannt, dass für den Kunden durch den Transport zum Händler nach der europarechtlichen Terminologie "erhebliche Unannehmlichkeiten" ausgelöst würden, was allerdings in der Rechtsprechung sehr restriktiv gehandhabt wird und auch bei Entfernungen zwischen Kunden und Händler von um die 200 km und mehr noch verneint wurde. Nach der gesetzlichen Regelung und für den Fall, dass sich ein Mangel bestätigt, muss der Händler ja durchaus die Transportkosten (bei fehlender Verkehrssicherheit z. B. die Schleppkosten) übernehmen, wofür unter Umständen vom Kunden sogar ein Vorschuss verlangt werden kann. Für den Fall mangelbedingter Betriebsunfähigkeit lohnt im Übrigen auch ein Blick in die verwendeten AGB (Allgemeinen Geschäftsbedingungen). Nicht ohne Kilometerangabe Wenn die Rückabwicklung des Kaufvertrages unvermeidlich ist, wird vertreten, dass zumindest eine Chance besteht, per sofortigem Anerkenntnis des gerichtlichen Rücktrittsklageantrages des Kunden durch den Händler die oft teuren, sich am Streitwert des Kaufpreises für das gesamte Fahrzeug orientierenden Prozesskosten zu vermeiden: Die wirksame Erklärung eines Rücktritts allein führt zwar zu einem sogenannten Rückgewährschuldverhältnis, jedoch setzt die im Rahmen einer Rücktrittsklage ebenfalls vom Kunden zu beantragende Feststellung, dass der Händler sich in Annahmebzw. Schuldnerverzug mit der Rücknahme des Fahrzeugs und Rückzahlung des Kaufpreises befindet, voraus, dass zusätzlich der Händler durch Bekanntgabe der Anzahl der vom Kunden gefahrenen Kilometer in die Lage versetzt worden war, die Kilometerentschädigung als Wertersatz für die entsprechend gezogenen Nutzungen zu berechnen. Für diese Auffassung wird sich auf das Urteil des BGH vom 20.05.2009 (Az. VIII ZR 191/07) berufen. Nach umstrittener Ansicht muss im Rücktrittsschreiben die Nutzungsentschädigung durch den Kunden sogar tatsächlich berechnet werden. Es zeigt sich also in der Rechtsprechung, dass der Kunde dem Händler die zunächstige Nacherfüllungsmöglichkeit bzw. sodann Rücknahme des Fahrzeugs unter Bedingungen anbieten muss, die der Händler zu erfüllen auch verpflichtet ist. Über die aufgeführten Beispiele hinaus wird dies in der Rechtsprechung verneint, wenn der Kunde dem Händler eine Frist zur Rückzahlung setzt, jedoch nicht zugleich anbietet, das Fahrzeug "Zug um Zug", sondern erst nach Eingang des Betrages herauszugeben. Ebenso wird das gesehen, wenn vom Händler eine erhebliche Zuvielforderung in Form eines unbegründeten Schadensersatzanspruchs oder überzogenen Ersatzanspruchs für Verwendungen (Investitionen zur Erhaltung oder Verbesserung des Fahrzeugs) verlangt wird, oder aber der Kunde während seiner Nutzungsdauer einen Unfallschaden am Fahrzeug verschuldet hatte und nicht sogleich entsprechenden Wertersatz mit anbietet. z K. Martin Hake widmet sich seit mehr als 20 Jahren schwerpunktmäßig den Gebieten des Autoverkaufs-, Reparatur- und Unfallschadensrechts sowie dem Handelsrecht und auch Verkehrsstraf- und Bußgeldsachen, ferner dem Recht des Forderungsmanagements im Kfz-Bereich. Gemeinsam mit den Anwälten in seiner Kanzlei HAKE Rechtsanwälte (kontakt@hakerechtsanwaelte.de) ist er deutschlandweit bei der Beratung sowie außergerichtlichen und gerichtlichen Vertretung insbesondere von Kfz-Händlern und Werkstätten sowie Herstellern und Importeuren im Einsatz. Parallel betätigt sich der Spezialist für Autorecht als Autor von Fachbüchern, Fachbeiträgen in Zeitschriften sowie als Konzeptionist und Seminarreferent u. a. für die zertifizierten Lehrgänge der Branche rund um das Thema Kfz-Recht betreffend Pkw sowie Motorräder und Lkw. Seine Bücher "Rechtsfragen der Kfz-Werkstatt", "Rechtssicherheit beim Autoverkauf" und die Fibel "Forderungsmanagement im Autohaus" sind im Verlag Springer Fachmedien (Springer Science + Business Media) erhältlich.

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