Nachhaltigkeitsbericht in der Praxis - Teil 1: Die ESRS-Standards im Überblick

Zu komplex, wahnsinniger Aufwand, überbordende Bürokratie - so oder jedenfalls so ähnlich lauten oft die Rückmeldungen von Verantwortlichen in Autohäusern, wenn sie sich erstmals mit der Struktur und den Anforderungen der neuen Reportingpflicht zu Nachhaltigkeit befassen. Alle ESG-Inhalte auf einen Blick! Details zu den Standards und wie diese erfüllt werden, erfahren Sie in der Fortsetzung unserer Kursreihe zur Erstellung des ESG-Berichts auf AUTOHAUS next. Die ersten neuen Module erscheinen Ende Juli. Alle bisherigen Inhalte finden Sie hier: Offizielle Standards berücksichtigen Objektiv betrachtet kann man diese Kritik durchaus nachvollziehen. Die den Angabepflichten zugrunde liegende CSRD-Richtlinie besteht aktuell aus zwei übergreifenden Standards und zehn thematischen Standards (sog. ESRS). Weitere branchenspezifische und KMU-Standards werden später folgen. Schon jetzt ergeben sich daraus 826 pflichtmäßig zu beachtende Datenpunkte und 253 Wahlangaben, die in 82 Untergruppen zusammengefasst und jeweils einem übergeordneten Standard zugeordnet werden (siehe Abbildung). Von den 826 Pflichtangaben stehen 649 unter einem Wesentlichkeitsvorbehalt. Eine Anwendung ist nur nötig, wenn der Aspekt als wesentlich im Sinne von Chancen und Risiken für das Unternehmen und/oder Auswirkungen des unternehmerischen Handelns auf die Umwelt eingestuft wurde. Der Umfang macht eine zeitnahe Befassung notwendig, da eine aufwendige Wesentlichkeitsprüfung unter Einbezug der relevanten Interessengruppen wie etwa Banken und Hersteller sowie oftmals eine Anpassung oder Neuschaffung von Informations- und Überwachungssystemen erforderlich ist. Nachhaltigkeitsziele Teil des Berichts Neben diesen allgemeinen Angaben enthalten die Themenstandards spezifische Anforderungen für die Unternehmensstrategie. Hier werden Ziele festgelegt und entsprechende Maßnahmen, die zur Erreichung der Zielvorgaben umgesetzt werden. Für die entsprechenden Maßnahmen und dazugehörigen Mittel hat das Unternehmen Folgendes anzugeben (ESRS 2.68-69): Eine Liste der Maßnahmen, die im Berichtsjahr ergriffen wurden oder geplant sind, eine Beschreibung des Umfangs der wichtigsten Maßnahmen (bzgl. Aktivitäten, Wertschöpfungskette, Region und betroffene Stakeholder), Zeithorizonte bzgl. der Durchführung der Maßnahmen, ggf. Maßnahmen zur Abhilfe für durch wesentliche Auswirkungen verursachte Schäden, ggf. quantitative und qualitative Informationen zum Fortschritt von Maßnahmen aus vorherigen Berichtszeiträumen. Wenn erhebliche operative Ausgaben oder Investitionsausgaben für die Durchführung erforderlich sind, dann sind anzugeben eine Beschreibung der derzeitigen und zukünftigen finanziellen und sonstigen Mittel, die den Maßnahmen zugewiesen sind, der Betrag derzeitiger finanzieller Mittel und deren Verhältnis zu relevanten Beträgen im Abschluss sowie der notwendige Betrag zukünftiger finanzieller Mittel. Schritt für Schritt Die folgende Vorgehensweise ergibt sich aus den Anforderungen und der Quantität sowie Qualität an bereitzustellenden Daten: Übersicht über die zu berichtenden Informationen und Datenpunkte verschaffen Identifizieren und ggf. Etablieren der Informationsquellen innerhalb des Unternehmens inkl. Sicherstellung der rechtzeitigen Verfügbarkeit Auswahl und Qualifizierung der mit der Thematik befassten Mitarbeiter Analyse und Sicherstellung vorgegebener Berechnungsgrundlagen und Methoden Design und Entwicklung eines Prozesses zur regelmäßigen Erhebung und Bereitstellung der Informationen / Daten Da die Berichterstattung jährlich zu veröffentlichen ist, ist es zudem sinnvoll, die Datenbeschaffung und deren Auswertung mittels einer Software zu automatisieren. Zuvor müssen jedoch, falls nicht bereits vorhanden, Datenbanken eingerichtet werden, welche die CSRD-relevanten Informationen bereithalten. Sorgfalt ist Pflicht Durch die CSRD wird die Nachhaltigkeitserklärung Teil des Lageberichts und unterliegt somit dem Prüfungsumfang des finanziellen Jahresabschlusses. Daher gelten die Grundsätze ordnungsgemäßer Lageberichterstattung, wie sie in DRS 20 festgehalten sind. Allerdings werden diese in ESRS 1 konkretisiert. So fordert ESRS 1.2 von den Anwendern die Offenlegung aller wesentlichen Informationen zu nachhaltigkeitsbezogenen Auswirkungen, Risiken und Chancen des Unternehmens gemäß den geltenden ESRS. Es sind dabei nach ESRS 1.4-11 wesentliche nachhaltigkeitsbezogene Informationen untergliedert offenzulegen: branchenunabhängige (primär nach den bislang vorliegenden ESRS), branchenspezifische (noch zu standardisieren) und unternehmensspezifische (wenn konkret weitere Informationen nötig sind, um das Ziel zu erreichen). Zusätzlich sind die von anderen Regulierungen geforderten Angaben als ein geschlossener Unterabschnitt einzufügen, was insb. die Angaben zum Anteil der Taxonomiefähigkeit und -konformität von Umsatz, Investitionen und Aufwendungen nach der Taxonomie-Verordnung meint. Auch das dürfte für den Autohandel komplett Neuland sein. Zu beachten sind dabei: Berichtsgrenzen inklusive Wertschöpfungskette Wesentliche tatsächliche oder potenzielle (nachteilige) Auswirkungen, Risiken und Chancen im Zusammenhang mit der Wertschöpfungskette des Unternehmens, einschließlich seiner Produkte und Dienstleistungen, seiner Geschäftsbeziehungen und seiner Lieferkette, sind zu berücksichtigen (ESRS 1.62 ff.). Zeithorizont Nachhaltigkeitsbelange sind über einen angemessenen kurz-, mittel- und langfristigen Zeithorizont zu betrachten, der rückblickende und zukunftsgerichtete Informationen enthält (ESRS 1.73 ff.). Darstellungshinweise Das Unternehmen muss jeweils Vorjahresinformationen für alle Beträge einschließlich der in der tatsächlichen Periode berichteten Kennzahlen und Leistungsindikatoren vorlegen (Ausnahme: bei der Erstanwendung sind keine Vorjahresangaben notwendig). Darüber hinaus sind auch Vergleichsinformationen für erläuternde und beschreibende Informationen offenzulegen, wenn sie für das Verständnis der Informationen des aktuellen Zeitraums relevant sind (ESRS 1.83). Die Darstellung hat geschlossen als ein abgegrenzter Teil im Lagebericht zu erfolgen, wobei es nur eingeschränkte Verweismöglichkeiten auf andere Berichtsteile gibt. Ausnahmen im ersten Berichtsjahr für Betriebe unter 750 Mitarbeiter In der Anlage C des ESRS 1 werden Übergangsregelungen eingeräumt, um vor allem die kleineren berichtspflichtigen Unternehmen zu entlasten. So gibt es eine Reihe von Angabepflichten, die im ersten Jahr der Anwendung von Unternehmen mit weniger als 750 Beschäftigten nicht angegeben werden müssen (ESRS 1. Anlage C). Hiervon sind die folgenden Angaben betroffen: ESRS E1-6: CO2-Angaben des Scope 3 ESRS E4: alle Angabepflichten ESRS S1: alle Angabepflichten ESRS S2: alle Angabepflichten ESRS S3: alle Angabepflichten ESRS S4: alle Angabepflichten Weitere Übergangsregelungen, die für alle Unternehmen gelten, betreffen die Bereitstellung von Informationen zu den erwarteten finanziellen Auswirkungen in allen Umweltthemenstandards für das erste Jahr sowie einige Angabepflichten des ESRS S1 "Eigene Belegschaft". DER AUTOR Werner Koller, LL.M., ist Geschäftsführer der Unternehmensberatung TCJG mit Schwerpunkt Nachhaltigkeit im Automotive-Sektor. Nach seinem Betriebswirtschafts- und Jura-Studium war er in verschiedenen Führungsfunktionen im Automobilhandel und bei Sachverständigenorganisationen tätig. Kontakt: koller@tcjg.de

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