Deutsches Kfz-Gewerbe: Das Jahr 2024 wird anspruchsvoll

Das Autojahr 2023 endete mit einem lauten Knall: Der abrupte Stopp des Umweltbonus am Sonntag, den 17. Dezember, und verkündet am Samstag vorher um 10.15 Uhr, war ein unfassbar großer Vertrauensbruch für mehrere zehntausend Kundinnen und Kunden, die ihre E-Fahrzeuge bestellt haben unter der Voraussetzung, dass die Fördersumme fließt. Davon sind rund 60.000 E-Fahrzeuge betroffen. Die eine Hälfte wurde in 2023 verkauft und stand bis zum Jahresende zur Auslieferung an. Für weitere rund 30.000 E-Fahrzeuge sind ebenfalls schon Kaufverträge abgeschlossen, eine Zulassung ist aber erst in diesem Jahr zu erwarten. Fast alle Hersteller und Importeure sind in die Bresche gesprungen und haben den Kundinnen und Kunden auch den staatlichen Anteil des Umweltbonus zumindest für Zulassungen bis zum 31. Dezember 2023 gewährt. Dafür sind wir sehr dankbar. Es kann aber nicht sein, dass wir - sprich Hersteller und Handel - durch den Überfall-Förderstopp der Regierung unter Druck gesetzt werden und uns im Sinne der Kundinnen und Kunden gezwungen sehen, es zu korrigieren und dadurch die Kalkulation des Handels durch eine mögliche Beteiligung an der Kulanzregelung nachträglich torpediert wird. Das Vertrauen in eine nachvollziehbare und rationale Politik der Bundesregierung zur Förderung der Elektromobilität ist massiv beschädigt worden. So kann man weder mit der Industrie noch dem Mittelstand umgehen. Wir brauchen eine klare und berechenbare Förderpolitik, um das Vertrauen der Kundinnen und Kunden wiederzugewinnen. Dafür muss uns die Politik gangbare und verlässliche Wege aufzeigen, um zumindest noch in die Nähe des postulierten Ziels von 15 Millionen E-Fahrzeugen bis 2030 zu gelangen. Rückläufige Auftragseingänge Bereits im vergangenen Jahr hatten wir im Automobilhandel durchgehend rückläufige Auftragseingänge von 20 Prozent und mehr zu verzeichnen, sowohl bei privaten als auch bei gewerblichen Kunden. Auch das wird sich in diesem Jahr negativ auf die Zulassungszahlen auswirken. Wir gehen von rund 2,65 Millionen neuen Pkw aus. Die Nachfrage nach jungen Gebrauchten, die insbesondere im Jahr 2022 nicht entsprechend bedient werden konnte, bleibt hoch, sodass sich die Zahl der Besitzumschreibungen in diesem Jahr weiter leicht auf rund 6,2 Millionen erhöht. Für die Kunden ist der Gebrauchtwagen zurzeit eine günstige Alternative für bezahlbare Mobilität. Für das Werkstattgeschäft sieht es auch in diesem Jahr gut aus. Viele Menschen fahren ihre Autos weiter und investieren in Wartung und Reparatur. Das führt zu einer gleichbleibend hohen Auslastung der Betriebe. Zulassungsdruck nicht an den Handel weitergeben Vor diesem Hintergrund appelliere ich an die Hersteller und Importeure, den Zulassungsdruck nicht an die Händler weiterzugeben. Letztes Mittel, um Boni oder Prämien zu erreichen, sind Eigenzulassungen. Dies bedeutet aber beim Handel, dass die Marge schrumpft und das für die Ertragslage derzeit gute Preisniveau sinkt. Aber auch die Hersteller und Importeure können Fahrzeuge vermehrt zulassen, die das genannte Preisgefüge negativ beeinflussen und somit das Ertragspotenzial der Händler schmälern. Es wäre zu wünschen, dass die Hersteller eine nachhaltige Strategie verfolgen und nicht die Anzahl der zugelassenen Fahrzeuge wieder ganz oben auf der Zielliste steht. Automobilhandel mit Chancen und Risiken Auch in diesem Jahr bleibt das Thema Vertriebssysteme auf der Agenda. Hersteller und Importeure versuchen teilweise, Marge aus dem Netz zu ziehen, ganz gleich ob Agentur oder nicht. Bei der Einführung des Agenturmodells sind Hersteller oder Importeure bei den Marken, für die es gelten soll, im Dialog mit den Händlerverbänden noch längst nicht überall am Ziel. Da geht es auch um den Versuch, am Handel vorbei zu agieren, wie zum Beispiel bei den Themen "Functions on Demand" oder "Over the Air"-Services. Bei den Verhandlungen muss es um partnerschaftliches Miteinander gehen, um klare Aufgabenverteilung und rentables Arbeiten auf beiden Seiten. Der Handel darf die Freude am Geschäft nicht verlieren. In der Handelslandschaft erleben wir, dass der Konzentrationsprozess anhält. Große Autohandelsgruppen übernehmen kleinere Händler, ausländische Unternehmen steigen hier ein. Auch in diesem Jahr wird sich dieser Trend fortsetzen. Wer als Händler das Angebot bezahlbarer E-Fahrzeuge betrachtet, wird sich überlegen, ob er sich mit Marken aus China beschäftigen soll. Der Handel bietet den Schlüssel zum deutschen Markt. Chinesische Hersteller fragen uns als ZDK nach Eintrittsmöglichkeiten in die Handelslandschaft. Spätestens jetzt sollten für die deutschen und europäischen Hersteller die Alarmglocken klingeln. Denn für viele Menschen beginnt der Einstieg in die eigene Automobilität mit Fahrzeugen aus den preisgünstigeren Segmenten. Daher ist es fahrlässig, diese aufzugeben. Da sind die Hersteller gefragt. Der Handel jedenfalls kann mit den chinesischen Marken gut umgehen. Denn sie können das Angebotsportfolio insbesondere bei BEV abrunden. Erhöhte Präsenz in Berlin und Brüssel Die politisch sehr volatilen Zeiten erfordern mehr denn je, dass wir unsere Stimme des mittelständisch geprägten Kraftfahrzeuggewerbes sowohl in Berlin als auch in Brüssel deutlich vernehmbar erheben. Personell sind wir dafür jetzt noch besser aufgestellt. Im ersten halben Jahr meiner Amtszeit habe ich zahlreiche persönliche Kontakte in Berlin und Brüssel geknüpft, mit Abgeordneten, Staatssekretären und Bundesministern. Mein Eindruck: Die Türen gehen für uns auf, wir werden im politischen Berlin, aber auch bei anderen Organisationen und Verbänden stärker wahrgenommen. Der Neujahrsgipfel Ende Januar sendet ein starkes Signal nach innen in die Verbandsorganisation, aber auch in Richtung Politik und Verbände in der Hauptstadt. Wir sind stark, wir sind präsent, wir haben etwas zu sagen. Und die Politik hört uns zu. Unsere neue Hauptstadt-Repräsentanz am Gendarmenmarkt ist der moderne und inspirierende Ausgangspunkt für viele Aktivitäten, Initiativen und Veranstaltungen. Dabei beziehen wir natürlich auch die Landes- und Fabrikatsverbände in unsere Arbeit ein mit dem Ziel, Gutes für unser mittelständisches Kraftfahrzeuggewerbe zu erreichen. ZUM AUTOR Arne Joswig ist seit Mitte Juni Präsident des Zentralverbands Deutsches Kfz-Gewerbe (ZDK). Der frühere Autohändler kennt die Branche seit 35 Jahren. Er war seit längerer Zeit im Vorstand des ZDK aktiv und leitete den Ausschuss Öffentlichkeitsarbeit des Verbandes. Bis Ende 2022 war Joswig gemeinsam mit seinem Bruder als Geschäftsführer des Autohauses Lensch & Bleck tätig.

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