Bundestagung Kraftfahrzeuggewerbe: "Das Auto ist das liebste Transportmittel der Deutschen"

Die aktuelle Bundesregierung hat sich auf die Fahne geschrieben, die Gesellschaft nachhaltiger zu machen. Dabei darf man aber nicht vergessen, so Bundesverkehrsminister Volker Wissing am 12. September auf der Bundestagung des Kfz-Gewerbes in Frankfurt: "Das liebste Transportmittel der Deutschen ist nach wie vor das Auto." Das müsse man ernst nehmen. "Kurzfristige Mehrheiten zu nutzen, um der Bevölkerung etwas aufzuzwingen, das sie nicht will, ist keine nachhaltige Politik", so der FDP-Politiker. Sein Credo: Nur was die Bürger als Fortschritt empfinden, wollen sie für immer haben. Weil andere Mobilitätsangebote derzeit nicht als Fortschritt empfunden werden und weil Infrastruktur und Personalbedarf vor allem im ländlichen Bereich das nicht hergeben, wird das Auto im Mobilitätsmix weiter eine wichtige Rolle spielen. Wenn die Menschen es sich leisten können. Das bereitet Wissing und auch vielen anwesenden Händlern Sorge. Mehrere Hersteller sprechen derzeit über Höherpositionierung ihrer Modellpalette, unter anderem weil sich die Elektromobilität für Kleinfahrzeuge für sie nicht rechnet. Händler haben sich deshalb schon Gedanken darüber gemacht, ob sie noch Fahrzeuge für große Teile ihrer Klientel anbieten können. Nicht nur die hohen Preise für die Elektrofahrzeuge stellen das in Frage. Plädoyer für Technologieoffenheit Zum Thema Elektromobilität formulierte der Minister, dass die Bundesregierung wolle, dass Deutschland ein Leitmarkt für Elektromobilität wird. Bei Stadtbussen wäre die Technologie schon heute sehr gut eingesetzt. Ansonsten gebe es aber noch eine ganze Reihe von offenen Fragen, zum Beispiel begrenzte Rohstoffe, die für Batterien benötigt werden oder die Ladeinfrastruktur. Deshalb will Wissing nicht nur auf diese eine Karte setzen. Er möchte auf jeden Fall auch anderen Mobilitätsformen die Möglichkeit eröffnen, sich zu beweisen. Dazu gehören nicht nur Wasserstoff und Brennstoffzellentechnologie, sondern auch E-Fuels. "Wir dürfen nichts ausschließen, bevor wir klimaneutrale Mobilität nicht abschließend organisiert haben", plädierte er für Technologieoffenheit. Synthetische Kraftstoffe seien ohnehin nötig, um Flugzeuge und Schiffe weiter betreiben zu können. Deswegen müsse auch deren Einsatz in Personenwagen möglich bleiben. Auch nach 2035 Verbrennungsmotoren Deswegen kämpfe er dafür, dass die Option für Verbrennungsmotoren auch nach 2035 offen bleibe. In diesem Zusammenhang könnte seiner Meinung nach die neue Abgasnorm Euro 7 auch die Chance eröffnen, den Verbrennungsmotor ambitioniert weiter zu entwickeln. Damit die Industrie diese Herausforderung auch annehme, müsse aber auch gewährleistet sein, dass diese Technologie über 2035 hinaus eingesetzt werden kann. Ein Ansinnen, das bei den Teilnehmern der Bundestagung ebenfalls auf Zustimmung stieß. Infrastruktur sanieren Zur Mobilität gehören aber auch Straßen und Schienenwege - und Digitalisierung, um zum Beispiel Verkehrsmittel zu vernetzen. Erschreckend war eine Zahl, die Wissing nannte: 4.000 Brücken in Deutschland wären derzeit in einem schwierigen Zustand, die deren weitere Benutzung gefährde. Die Bundesregierung wolle aber die Taktung der Sanierung verdoppeln, um die notwendigen Arbeiten bis 2030 erledigen zu können. Dabei würde nach dem Prinzip "Das größte Risiko zuerst" vorgegangen. Wissing forderte, verlässliche Infrastruktur als Staatsziel aufzunehmen. Keine schnellen Antworten Auf Nachfragen zur derzeitigen Energieproblematik machte der Minister deutlich, dass es darauf keine schnellen Antworten gebe. Selbstverständlich gebe es Notfallpläne. Alles Weitere müsste auf Sicht gestaltet werden. Eines stellte er aber klar: "Es wird nicht möglich sein, dass der Staat dafür sorgt, dass alles bleibt, wie es ist." Agenturgeschäft in der Diskussion Bei der Diskussion zum Thema Agenturgeschäft unter der Leitung von AUTO-HAUS Chefredakteur Ralph M. Meunzel kamen die Probleme beim Übergang vom aktuellen Vertragshändlersystem zum Agenturgeschäft zur Sprache. Ganz wichtig: Was passiert mit den bereits erbrachten Investitionen der Händler? ZDK-Vorstand Michael Ziegler betonte in der Diskussion, dass das Gebrauchtwagen-Geschäft auch im Agenturmodell im Handel bleiben müsse. In Sachen Marge im Agenturgeschäft hatte ZDK-Präsident Jürgen Karpinski schon vorher klar Position bezogen: "Mit vier Prozent - wie von Volkswagen angeboten - kann es nur Kampf geben." Antriebskonzepte der Zukunft Dass bei der Elektromobilität noch viele Fragen offen sind, wurde auch in der Diskussionsrunde zu den Antriebskonzepten der Zukunft deutlich. Die Ladeinfrastruktur werde derzeit noch öfter an den regionalen Möglichkeiten der Stromversorgung scheitern, so Harald Schwarz von der TU Cottbus-Senftenberg. Alexander Vorbau vom Bundesverband mittelständischer Mineralölunternehmen erklärte, dass Wasserstoff nur in Ländern, wo Sonne und Wind im Überfluss zur Verfügung stehen, klimaneutral produziert werden könne. Deswegen würden solche Anlagen in Australien oder Patagonien entstehen. Die Herausforderung liege dann im Transport. Aber auch dafür gebe es Lösungen. Werner Steber, Technik-Experte beim ZDK, betonte: "Nicht der Verbrennungsmotor ist fossil, sondern der Kraftstoff derzeit." Derzeit nicht vorstellbar Denjenigen, die sich schwertun, sich diese Zukunftslösungen vorzustellen, eröffnete Zukunftsforscher Sven Gabor Janszky neue Sichtweisen. Der Leiter des größten unabhängigen europäischen Trendforschungsinstituts machte klar, dass viele Fragen, die heute unlösbar scheinen, schon in der Lebenswelt 2030 eine Selbstverständlichkeit sein werden. Diese Gewissheit nimmt er aus Gesprächen und Analysen der Vorgehensweise von Unternehmen, die heute schon in diesen Bereichen forschen und auch schon Lösungen entwickelt haben, die derzeit nur noch nicht für die Breite bezahlbar sind. Dies werde sich aber schon in wenigen Jahren ändern. Kurzfassung Verkehrspolitik, Umweltschutz, Agentursystem, Zukunftsszenarien - das Programm der Bundestagung war vielfältig. FDP-Politiker Wissing sprach sich wie der Verband für Technologieoffenheit aus. Beim Agentursystem bereiten Übergangsmodalitäten und die Marge die größten Sorgen.

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