Ausgabe 01-02/2007: CECRA / Warum eine kfz-spezifische GVO nach 2010 ...

CECRA / Warum eine kfz-spezifische GVO nach 2010 für den Automobilvertrieb unabdingbar istNatürlicher KorridorVon Prof. Dr. Jürgen CreutzigProf. Dr. Jürgen Creutzig, Präsident des Verbands des Europäischen Kraftfahrzeuggewerbes (CECRA), Brüssel, über die Gestaltung der Kräfteverhältnisse nach 2010:Am 31. Mai 2010 läuft die derzeitige Kfz-GVO 1400/2002 – die rechtliche Basis für den gesamten Automobilvertrieb in der EU – automatisch aus. Damit stellt sich die Frage: Was kommt im Anschluss da- ran? Welche Regelung tritt an die Stelle des heutigen "Grundgesetzes des europäischen Automobilvertriebs"? Die Antwort ist umso dringlicher, als nicht nur die Automobilhersteller Klarheit haben müssen. Denn sie planen langfristig – d.h. sie sollten es –, insbesondere hinsichtlich der Struktur ihrer Vertriebsnetze. Auch alle rund 330.000 Unternehmen des Kfz-Gewerbes in der EU, die sämtlich durch CECRA vertreten werden, benötigen dringend Rechtssicherheit. Stehen doch, um nur ein Beispiel zu nennen, für nächstes Jahr Investitionen allein für bauliche Anlagen in allen Vertriebsnetzen in der EU für mehr als 6,4 Milliarden Euro an. Sie wollen und müssen amortisiert werden. Die Position von CECRAIch habe der Mitgliederversammlung von CECRA am 21.09.2006 vorgeschlagen, bereits frühzeitig Position zu beziehen, sie öffentlich bekannt zu machen und eine Weichenstellung von den Entscheidungsträgern in Brüssel einzufordern. Die Versammlung hat einstimmig beschlossen: CECRA verlangt eine Fortsetzung der derzeitigen GVO über 2010 hinaus, zumindest aber kfz-spezifische Regelungen. Diesen Grundsatz gilt es zunächst nach vorne zu tragen und dafür eine Mehrheit in Brüssel zu finden. Über einzelne Klauseln und Forderungen wird erst später entschieden. Der Grund liegt auf der Hand. Eine Verlängerung beziehungsweise branchenspezifische Regelungen haben mehr Gegner als je zuvor. Deshalb ist es jetzt nicht an der Zeit, intern über Einzelheiten zu streiten. Entscheidend ist die Geschlossenheit im Inneren und nach außen. Dies ist die Position aller CECRA Mitgliedsverbände.CECRA hat seine Offensive bereits am 25.09.2006 in Brüssel gestartet. An diesem Tag hat Kommissarin Neelie Kroes auf einer CECRA Konferenz erstmals öffentlich ihre Auffassung zur Zukunft dargelegt. Nicht weiter verwunderlich, dass sie meinte, keine offizielle Meinung darlegen zu können. Nicht verwunderlich deshalb, weil die Amtszeit der heutigen Kommission 2009 ausläuft und nicht absehbar ist, wer danach ihr Ressort Wettbewerb führen wird. Auch ihre Mitarbeiter werden bis dahin wegen des geltenden Rotationsprinzips ausgewechselt sein. Die GründeKein anderes Wirtschaftsgut hat eine derartige Bedeutung für Otto Normalverbraucher wie das Auto. Der Kauf eines Autos ist die erste und häufig einzige größere Investition in seinem Leben. Darüber hinaus spielen Automobile eine bedeutende Rolle für Mobilität sowie Leben und Gesundheit der Menschen, für die Umwelt wie auch für indirekte wie auch direkte Steuern usw.Europa hat traditionell einen anderen Ausgangspunkt als die USA, in denen der Automobilvertrieb durch zivilrechtliche Gesetze in den 49 Bundesstaaten geregelt ist. In der EU wird der Automobilvertrieb unter wettbewerbsrechtlichen Blickwinkeln betrachtet. Dies geschieht bekanntlich seit 1985 durch jeweils eine branchenspezifische GVO der EU-Kommission. Der Automobilvertrieb ist durch drei Besonderheiten gekennzeichnet: Wie kaum ein anderer Zweig ist er von eminenter Bedeutung für den Verbraucher. Wie kaum in einem anderen Zweig herrscht ein fast unüberwindlich scheinendes Ungleichgewicht zwischen Automobilherstellern und ihren Kunden, den Händlern und Werkstätten. Und drittens – das ist die Kehrseite – gibt es kaum eine Branche, in der der Lieferant derart dominant ist mit allen Vorteilen für ihn, aber Gefahren für den schwächeren Partner sowie für die Verbraucher – und letztlich für den fairen Wettbewerb.Aus der Sicht der Verbraucher kennzeichnet Erwägungsgrund 17 der heutigen GVO die Situation zutreffend: Sie stellt sicher, dass der Fahrzeughalter überall in der EU sein Fahrzeug repariert bekommt, unabhängig vom Ort des Kaufs. Darüber hinaus stellt sie sicher, dass der potenzielle Käufer das Auto seiner Wahl ebenfalls überall in der EU kaufen kann, wo er es will. Und überall erhält er Garantie, Kulanz und Rückrufaktionen durch ein dichtes Netz autorisierter Händler und Werkstätten.Die Hersteller sind große multinationale Unternehmen. Die meisten Händler und Werkstätten sind Kleine und Mittlere Betriebe (KMU). Den KMU fehlt die wirkliche wirtschaftliche und finanzielle Unabhängigkeit von ihren Lieferanten. Sie können in aller Regel praktisch nur dann und insoweit unternehmerisch tätig sein, wie es ihre Hersteller zulassen. Beispiele aus der täglichen Praxis zeigen dies immer wieder. Wie schließlich kaum eine andere Branche ist der Automobilvertrieb außergewöhnlich kapitalintensiv mit teilweise immensen Investitionen. Dazu gehören ständige Fortbildung, Schulung und Unterweisung.Angesichts dieser Situation ist ein gewisser Schutz des schwächeren Partners unverzichtbar – und zwar nicht nur für ihn, sondern im Interesse der Verbraucher und des fairen Wettbewerbs. Ohne branchenspezifische GVO würde mancher Hersteller seine Marktdominanz unverblümt ausspielen und seine Händler oder Werkstätten in seinem Sinne gefügig machen. Alle Errungenschaften der derzeitigen GVO würden zunichte werden: Der erleichterte Mehrmarkenvertrieb, das Verbot der Standortklausel, die Übertragbarkeit von Rechten und Pflichten, der Anspruch auf Autorisierung als Vertragswerkstatt, der ungehinderte Zugang zu technischen Informationen, das Schiedsverfahren, die Vorschriften über die Kündigung und andere.Eine kfz-spezifische GVO über 2010 hi- naus würde die für unsere Branche dringend notwendige Kontinuität in der Wettbewerbspolitik bringen. Unsere KMU benötigen angesichts der Investitionen Rechtssicherheit. Dies gilt genauso für die Automobilhersteller. Die GVO gibt den Marktbeteiligten den von der Kommission selbst so genannten "sicheren Hafen". Ohne GVO müssten die Hersteller eigenständig und auf eigene Verantwortung ihre Vertriebssysteme konform mit dem EU-Wettbewerbsrecht gestalten – ein wirklich risikoreiches und haftungsträchtiges Unterfangen. Wie geht es weiter?Die Kommission wird bis Mai 2008 einen Bericht über die Erfahrungen mit der GVO vorlegen. Ich bin sicher, er wird zeigen, dass dank der GVO der Binnenmarkt ein gutes Stück vorangekommen ist, dass die Endverbraucherpreise sich einem natürlichen Korridor angenähert haben und dass der Wettbewerb sich nicht nur im Neuwagen-, sondern auch im Teileverkauf und im Kundendienst weiter verschärft hat. Ich hoffe natürlich auch, dass der Bericht zeigt, dass sich in den Beziehungen zwischen Herstellern und den Händlern und Werkstätten Verbesserungen zugunsten des schwächeren Partners eingestellt haben. Sollte dies nicht der Fall sein, wäre das kein Grund, nach 2010 keine GVO mehr zu haben. Im Gegenteil: Wenn die Kommission ein Händler- und Werkstattsterben, was zu Lasten der Verbraucher ginge, vermeiden will, muss die neue GVO noch viel strengere Regeln zugunsten eines fairen Wettbewerbs enthalten.Eine Abschaffung würde weitere unerwünschte Folgen nach sich ziehen. Es gibt Ähnlichkeiten mit dem Tankstellenmarkt. Die dafür geltende GVO wurde vor Jahren ersatzlos gestrichen. Für ihn gilt die so genannte Schirm-GVO. Diese ist ein reines Machtinstrument in den Händen der Hersteller. In ihr sind die Worte "Verbraucher", "Händler" oder "Werkstatt" nicht einmal enthalten. Das zeigt, wes Geistes Kind diese GVO ist. Im Tankstellenmarkt haben wir eine kleine Zahl ungeheuer großer Global Player ähnlich den meisten in unserer Branche. Dort haben wir heute schon ein Oligopol. Als Verbraucher sind wir ihnen ausgeliefert. In solchen Märkten ist die tatsächliche Wettbewerbsarena die Einzelhandelsebene. Hier sind Regelungen notwendig, die dem Einzelhandel die notwendige Unabhängigkeit geben. Für uns bedeutet dies unzweideutig: Wir brauchen eine kfz-spezifische GVO auch nach 2010. Ein Wort zum SchlussDie GVO endet am 31. Mai 2010. Die rund 330.000 Unternehmen des Kfz-Gewerbes in der EU, Hersteller und sonstige Marktbeteiligten erwarten von der EU-Kommission schnellstens Klarheit, wie es weiter gehen soll. Das Verhalten im Jahr 2002 bei Schaffung der heutigen GVO mag als abschreckendes Beispiel dienen. Bis kurz vor Auslaufen der Vorgänger-GVO war der endgültige Text nicht klar. Das führte zu spürbarer Unsicherheit auf allen Ebenen, vor allem zu größter Zurückhaltung der Branche in dringend notwendigen Investitionen.Dieser Übergang auf die Zeit nach 2010 bedeutet für das Verhältnis der Hersteller zu ihren Händlern und Werkstätten nicht, dass die Verträge 2008 gekündigt werden müssen. Das hat jetzt der Europäische Gerichtshof für die Übergangszeit 2002/2003 festgestellt. Es reicht völlig aus und ist rechtlich möglich, die Verträge rechtzeitig an die neuen Regeln anzupassen. Da ist die Partnerschaft zwischen Herstellern und Händlerverbänden gefordert. Kündigung ist immer die große Keule, die viele Betriebe – nicht zuletzt gegenüber Banken und Beschäftigten – in größte Bedrängnis bringen kann. Die Hersteller sollten sich auf Grund ihrer Dominanz fair und partnerschaftlich verhalten. Anpassen statt kündigen – sollte die Devise sein.

Ausgabe 01-02/2007: CECRA / Warum eine kfz-spezifische GVO nach 2010 ...

MEISTGELESEN

Übernahme der LöhrGruppe: Van Mossel landet nächsten Coup

Kfz-Gewerbe in der Krise: ZDK-Hauptgeschäftsführer Scheel tritt zurück

Gebrauchtwagenbörse: VW-Finanzsparte macht Heycar dicht

STELLENANGEBOTE

Kaufmännische Leitung (M/W/D)

Kfz-Mechatroniker (m/w/d)

Account Manager (w/m/d) Full-Service Leasing Automotive im Außendienst für unsere Vertriebskooperation Ford Fleet Management Vertriebsregion Süd (Baden-Württemberg, Bayern) | Homeoffice

Kfz-Mechatroniker, Service- / Diagnosetechniker oder Hochvolttechniker (m/w/d)

BMW Serviceleiter (m/w/d)

WEITERLESEN

NEWSLETTER