Wahlrechte Im Sachmängelhaftungsrecht: Bindend oder nicht?

Das Sachmängelhaftungsrecht ist filigran. Im Grundsatz gilt, dass der Käufer bei mangelbehafteter Ware in "Stufe 1" erst einmal nur Nacherfüllung verlangen kann mit dem Wahlrecht zwischen Nachbesserung und Ersatzlieferung. Der Verkäufer kann die vom Kunden gewählte Art der Nacherfüllung jedoch verweigern, wenn sie mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden ist. Wünscht der Käufer eines Neufahrzeuges wegen behebbarer technischer Probleme die Lieferung eines anderen, ausstattungsgleichen Neufahrzeuges, kann der Händler ihn also auf die Reparatur verweisen. Ist aber auch die Reparatur mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden, darf auch diese abgelehnt werden. Der Kunde seinerseits kann die Nacherfüllung nur ablehnen, wenn sie ihm aus besonderen Gründen unzumutbar ist. Wird die Nacherfüllung abgelehnt, nicht erbracht oder ist sie in der Regel mit zwei Reparaturversuchen nicht erfolgreich, kann der Kunde sie einklagen oder in "Stufe 2" wählen, ob er vom Kaufvertrag zurücktreten oder den Kaufpreis mindern möchte. Daneben kann er dann auch Schadensersatz wegen Verletzung der Pflicht zur ordnungsgemäßen Leistungserbringung geltend machen. Voraussetzung ist, dass der Verkäufer diese Pflichtverletzung zu vertreten hat. Im Rahmen des Schadensersatzes besteht überschneidend mit Rücktritt und Minderung ein Wahlrecht des Käufers zwischen "großem Schadensersatz" und "kleinem Schadensersatz". Der "große" Schadensersatz umfasst die Rückabwicklung des Kaufvertrages, der "kleine" eine Anpassung des Kaufpreises in Anbetracht des Mangels. In "Stufe 2" besteht für den Verkäufer keine Möglichkeit, den Käufer auf eine andere als die gewählte Regulierung zu verweisen. Bindende Wahl des Käufers zwischen Rücktritt und Minderung Aktuell hat der BGH betreffend das Wahlrecht des Kunden zwischen Rücktritt und Minderung mit Urteil vom 09.05.2018 -Az. VIII ZR 26/17- klargestellt, dass mit der Ausübung dieses Wahlrechts keine Möglichkeit mehr besteht, diese Entscheidung über den Weg des Schadensersatzes zu korrigieren. Konkret ging es um einen knapp 100.000 Euro teuren Mercedes. Nachdem das Fahrzeug wegen zahlreicher Mängel innerhalb kurzer Zeit immer wieder in die Werkstatt musste, erklärte die Klägerin die Minderung des Kaufpreises um 20 % wegen Fehleranfälligkeit aufgrund herstellungsbedingter Qualitätsmängel und klagte den entsprechenden Betrag ein. Während des Prozesses trat zumindest ein weiterer Mangel am Fahrzeug auf, der von der Beklagten gleichfalls behoben wurde. In der Folge änderte die Klägerin ihren Klageantrag und verlangte nunmehr nicht mehr Minderung, sondern den "großen Schadensersatz", also Rücknahme des Fahrzeuges sowie Erstattung des Kaufpreises und weiter entstandenen Schadens. In den ersten beiden Instanzen hatte die Klägerin weitgehend Erfolg. Der BGH hob das Berufungsurteil jedoch auf und wies die geänderte Klage unter Hinweis auf die Konzeption des kaufrechtlichen Gewährleistungsrechts ab. Rücktritt und Minderung sind einseitige Gestaltungsrechte des Käufers. Mit der Ausübung des Wahlrechts entscheidet sich der Käufer demnach verbindlich, ob er bei Ausgleich eines mangelbedingten Minderwertes am Kaufvertrag festhalten oder ob er sich mit der Folge einer Rückabwicklung der vertraglichen Leistungen vom Kaufvertrag lösen möchte. Vorliegend hatte die Klägerin bezüglich der gerügten Fehleranfälligkeit des Fahrzeuges ihr Wahlrecht verbraucht und sich mit der Erklärung der Minderung darauf festgelegt, am Kaufvertrag festzuhalten. Diese Entscheidung lässt sich nach dem Diktum des BGH nicht dadurch revidieren, dass wegen derselben Fehleranfälligkeit nunmehr Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden und im Rahmen des großen Schadensersatzes - unvereinbar mit der erklärten Minderung - unter anderem die Rückabwicklung des Fahrzeugkaufs verlangt wird. Primär keine Bindung des Kunden bei Wahlrecht zwischen Nachbesserung und Nachlieferung Das OLG Hamm hat mit einem Urteil vom 21.07.2016 -Az. 28 O 175/15- im Wesentlichen eine frühere Entscheidung des OLG Celle (Az. 7 U 235/05) bestätigt. Demnach besteht keine Bindung des Käufers bezüglich seines Wahlrechtes in "Stufe 1", solange "noch nichts passiert ist". Der Käufer kann seine Wahl zwischen Nachbesserung und Nachlieferung ändern, solange die von ihm gewünschte Form der Nacherfüllung noch nicht eingeleitet wurde (oder nur deshalb nicht eingeleitet wurde, weil sich der Käufer mit seinen Mitwirkungspflichten - wie z. B. der Fahrzeugverbringung - im Verzug befindet) und keine gerichtliche Entscheidung herbeigeführt wurde. Das Recht des Verkäufers bleibt hierbei unbenommen, die geänderte Wahl wegen unverhältnismäßiger Kosten abzulehnen. Dem Urteil zugrunde lag der Verkauf eines Neuwagens mit Tageszulassung, der bei Übergabe einen nicht ordnungsgemäß reparierten Transportschaden an Auspuff und Tank aufwies. Der Kunde verlangte die Lieferung eines unbeschädigten Ersatzfahrzeuges, der Händler bot die Erneuerung des Tanks und des Auspuffs an, was ohne Wertminderung möglich gewesen wäre. Der Käufer wollte auf das Reparaturangebot aber nur dann eingehen, wenn ihm zusätzlich ein Minderungsbetrag gewährt wird. Hiermit war wiederum der Händler nicht einverstanden, so dass eine wirksame Festlegung des Käufers auf eine Nachbesserung nicht erfolgte. Letztlich setzte der Käufer dem Verkäufer eine Frist zur Nachlieferung, erklärte nach ergebnislosem Fristablauf den Rücktritt vom Kaufvertrag und klagte die Rückzahlung des Kaufpreises und den Ersatz weiteren Schadens ein. Der Verkäufer wurde weitgehend antragsgemäß verurteilt mit der Begründung, dass das Fahrzeug unstreitig mangelhaft war und der Händler einem grundsätzlich bestehenden Nachlieferungsanspruch des Kunden nicht rechtzeitig entgegengetreten ist. Zeitlich beschränktes Wahlrecht des Händlers, gewählte Form der Nacherfüllung abzulehnen Bestätigt hat das OLG Hamm mit seinem Urteil vom 21.07.2016 in diesem Zusammenhang, dass sich der Verkäufer nicht erst nachträglich nach Rücktrittserklärung des Käufers darauf berufen kann, zur Nachlieferung gar nicht verpflichtet gewesen zu sein. Ein wirksamer Verweis des Kunden auf die Reparatur kann nur in "Stufe 1" vor Erklärung des Rücktritts erfolgen, also solange der Nacherfüllungsanspruch des Käufers noch besteht. Mit Erklärung des Rücktritts entfällt der Nacherfüllungsanspruch. Das Vertragsverhältnis wurde durch die einseitige Erklärung des Käufers aufgehoben und in ein Rückabwicklungsschuldverhältnis umgewandelt. In dieser "Stufe 2" kann der bereits erklärte Rücktritt nicht mehr dadurch zu Fall gebracht werden, dass erst nachträglich eine Beschränkung des Wahlrechts in "Stufe 1" geltend gemacht wird. Auf derselben Linie liegt aus umgekehrter Sicht des noch nicht erfolgten Rücktritts eine frühere Entscheidung des BGH vom 16.10.2013 (Az. VIII ZR 273/12). Das dortige Verfahren betraf die Klage eines Leasingnehmers auf Lieferung eines Neufahrzeuges, also eine Klage auf "Stufe 1". Die Klägerin berief sich unter anderem darauf, dass die Außenspiegel des Fahrzeuges aufgrund eines sporadisch auftretenden Fehlers nicht ausklappten. Der Mangel wurde im gerichtlichen Verfahren durch Sachverständigenbeweis bestätigt. Vorgerichtlich hatte der Verkäufer den Mangel nicht feststellen können und zuletzt eine weitere Prüfung des Fahrzeuges - damit gleichzeitig auch eine Mängelbeseitigung durch Reparatur - abgelehnt. Im gerichtlichen Verfahren berief er sich darauf, zu einer Ersatzlieferung wegen im Vergleich zur Reparatur unverhältnismäßig hoher Kosten nicht verpflichtet zu sein. Der BGH entschied, dass ihm dieser Einwand nicht verwehrt ist, nachdem bislang die Sekundärrechte der Klagepartei auf Rücktritt, Minderung oder Schadensersatz nicht ausgeübt wurden und der Streit weiterhin über die Form der Nacherfüllung geführt wird. In diesem Rahmen kann der Verkäufer die Lieferung eines Neufahrzeuges wegen unverhältnismäßiger Kosten auch dann verweigern, wenn er das Vorliegen eines Mangels bestritten und eine Reparatur verweigert hatte. Insbesondere wurde festgestellt, dass der Einwand nicht fristgebunden ist und auch nach Ablauf einer zur Nacherfüllung gesetzten Frist erhoben werden kann. Kurzfassung 1. Nach aktueller Rechtsprechung des BGH hat sich ein Kunde mit einem Minderungsverlangen abschließend darauf festgelegt, am Kaufvertrag mit Ausgleich des mangelbedingten Minderwertes festhalten zu wollen. Es ist dem Kunden daher in Anbetracht der erklärten Minderung verwehrt, nachträglich im Rahmen des "großen Schadensersatzes" wegen desselben Mangels die Rückabwicklung des Fahrzeugkauf zu verlangen.2. Der Kunde kann bei Vorliegen eines Mangels seine Wahl zwischen Reparatur und Nachlieferung ändern, solange die von ihm gewünschte Form der Nacherfüllung noch nicht eingeleitet oder gerichtlich ausgeurteilt wurde.3. Der Händler kann die Nachlieferung oder die Reparatur wegen unverhältnismäßig hoher Kosten nur im Rahmen des Nacherfüllungsverlangens ablehnen. Hat der Kunde wirksam den Rücktritt erklärt, kann sich der Händler nicht mehr nachträglich darauf berufen, zur gewählten Art der Nacherfüllung wegen eines unangemessenen Aufwandes nicht verpflichtet gewesen zu sein. Kommentar Im Dschungel braucht man einen Kompass. Im Sachmängelhaftungsrecht leider auch. Die besprochenen Entscheidungen geben eine Orientierung, mit welchen rechtlichen Bindungen die Ausübung der gesetzlichen Wahlrechte des Kunden zwischen Reparatur, Ersatzlieferung, Rücktritt, Minderung und Schadensersatz verbunden sind. Auf der Seite des Händlers ist zu beachten, dass insbesondere dann unmittelbar zu reagieren ist, wenn ein Kunde statt der Mängelbehebung die Lieferung eines neuen Fahrzeuges verlangt. In diesem Fall sollte dem Kunden nicht widerspruchslos die Gelegenheit gegeben werden, wegen Nichterfüllung des Nachlieferungsverlangens den Rücktritt vom Kaufvertrag zu erklären. Ob der Kunde wegen unverhältnismäßiger Kosten auf die Reparatur des Fahrzeuges verwiesen hätte werden können, wird dann nämlich nicht mehr zu prüfen sein, auch wenn in der großen Mehrheit der Fälle die Kosten eines Neufahrzeuges außerhalb der Relation stehen. Geprüft werden kann dann nur noch, ob ein gleichwertiges Ersatzfahrzeug überhaupt hätte beschafft werden können.Rechtsanwalt Robert Glocker

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