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BGH-Feststellungen zu manipulierten Diesel: "Autohandel in Geiselhaft"

01.03.2019 14:25 Uhr
Die erstmalige Positionierung des Bundesgerichtshofs im Dieselskandal sorgt für Kritik bei den freien Autohändlern.
© Foto: Gina Sanders/fotolia.com/VW/AHO-Montage

Der BVfK kann die Erklärung des Bundesgerichtshofs, wonach ein altes Automodell auf Kosten des verkaufenden Händlers gegen ein neues getauscht werden kann, nicht nachvollziehen.

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Der Bundesverband freier Kfz-Händler (BVfK) lässt kein gutes Haar an den jüngsten Aussagen des Bundesgerichtshofs (BGH) zur Manipulationssoftware in Dieselautos. Die BGH-Erklärung, dass ein gebrauchtes altes Modell auf Kosten der Händler gegen ein neues, aktuelles, in der Regel verbessertes und wertvolleres getauscht werden könne, sei nicht nachvollziehbar, teilte die Interessensvertretung am Freitag in Bonn mit. "Das wirft die Frage auf, ob die obersten Richter auch bedacht haben, dass die Autohändler in dieser Konstellation unverschuldet haften und sie bei jedem solchen Gewährleistungsfall mit Schäden in fünfstelliger Höhe zu rechnen hätten."Der BGH nehme den "Handel in Geiselhaft", da er machtlos gegen die Hersteller sei.

Nach Einschätzung der BVfK-Juristen dürften sich die realen Risiken für die Autohändler allerdings in Grenzen halten. Sie verwiesen darauf, dass die Betriebe den kostenlosen Tausch "alt gegen neu" mit dem berechtigten Einwand der Unverhältnismäßigkeit wohl regelmäßig ablehnen würden. Konkret betreffe der dem BGH vorgelegte Fall nur einen geringen Teil der rechtlichen Auseinandersetzungen, weil es bei den meisten Streitigkeiten nicht um Ersatzlieferung, sondern um Rückabwicklung oder Schadensersatz gehe.

Laut dem Verband werden die meisten dieser oder ähnlicher Ansprüche, gerade wenn sie erst jetzt geltend gemacht werden oder in jüngerer Zeit geltend gemacht wurden, bereits an der Verjährung scheitern. Dieser Aspekt würde lediglich dann anders zu bewerten sein, wenn arglistige Täuschung mit im Spiel wäre. Ein Vorwurf, der wohl eher gegen den jeweiligen Hersteller und nicht gegen den verkaufenden Händler erhoben werden müsste, hieß es.

Feststellungen zur Ersatzlieferung

Während der BGH-Leitsatz zur Mangelhaftigkeit eines Pkw in Folge des Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung nichts Neues offenbart, nannte der BVfK die Äußerungen zur Frage der Ersatzlieferung "spektakulär und überraschend". Bisher konnte man davon ausgehen, dass dies nur möglich ist, wenn das mangelhafte Fahrzeug auch gegen ein identisches Alternativfahrzeug getauscht werden kann. Hiervon weiche das Gericht nun mit möglicherweise weitreichenden Folgen nicht nur für den Kauf von Neuwagen, sondern auch für den von Gebrauchtwagen ab.

Kritik äußerte der Verband auch an der höchstrichterlichen Argumentation, wonach eine Sache auch dann mangelhaft sein solle, wenn lediglich eine eventuelle Gefahr bestehe, vorliegend die "Gefahr einer Betriebsuntersagung". Eine solche Situation sei allerdings bei manipulierten Dieseln eher unwahrscheinlich. Zunächst müsse dem gewerblichen Verkäufer einer mangelhaften Ware die Möglichkeit der Nachbesserung gegeben werden. Zu einem Entzug der Betriebserlaubnis würde es letztendlich nur dann kommen, wenn der Verkäufer die Nacherfüllung verweigern oder diese scheitern würde. Gleiches gelte, wenn die Betriebserlaubnis entzogen wird, da der Käufer die Mangelbeseitigung verweigert habe. "In diesem Fall wären die Folgen sicherlich auch nicht dem Verkäufer anzulasten", betonte der BVfK.

Der BGH hatte sich vor einer Woche erstmals mit einer rechtlichen Einschätzung im Abgas-Skandal zu Wort gemeldet (wir berichteten). Mittlerweile haben die obersten Zivilrichter ihren Beschluss in voller Länge veröffentlicht. Auf 20 Seiten legen sie dar, warum sie die illegale Abgastechnik betroffener Dieselautos als Sachmangel einstufen. Sie führen auch näher aus, weshalb Neuwagenkäufer trotz Modellwechsel einen Anspruch darauf haben könnten, dass ihnen ihr Händler ersatzweise ein mangelfreies Auto gibt (Az. VIII ZR 225/17). (rp)

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KOMMENTARE


Michael

01.03.2019 - 15:29 Uhr

Der in gewisser Weise skurrile Hinweisbeschluß des BGH ist dem "Mauerbau" seitens der VW-Abwehrstrategie zu verdanken. Hier wurde und wird weiterhin an der absichtlichen Inverkehrbringung nicht zulassungsberechtigter Fahrzeuge mit Nachbesserungs -, Verzögerungs- und Einzelfallabfindungstaktiken am Zivilrecht herumgetrickst, als ob es sich um eine ungewollt defekte Birne handeln würde! . Dann aber auf "Fairniss" beim BGH zu hoffen, ist ganz schön naiv. Die VW-Händler hätten ja auch den Verkauf von neuen VW ganz bestreiken können statt sich am Gängelband der VW Juristen durch den Ring bis zum befürchteten Schafot führen zu lassen. Dafür fehllten Einigkeit, Mut, Finanzkraft und vor allem Ehrlichkeit, denn am VW Geschäft ohne die Diesel verdient man ja prächtig.


Hans Kiefer

01.03.2019 - 18:57 Uhr

Den Händlern steht es ja frei, nach dem BGH-Urteil nun ihrerseits die Hersteller zu verklagen - ob sie‘s tun angesichts sinkender Margen und Verkleinerung der Verkaufsnetze?


Herbie

03.03.2019 - 18:19 Uhr

Niemand zwingt jemand bei VW Autohändler zu sein. Die Richter haben vollkommen Recht und die Käufer schützten. Der Händler muss halt die betrügerischen Erfindungen seines Herstellers mit zu verantworten und seinen Kunden neuen kostenlosen Ersatz liefern.


insider3

04.03.2019 - 17:35 Uhr

Die veröffentliche Einschätzung des BGH ist nicht mit einem Urteil gleichzusetzen. Sicher werden das ein oder andere Gericht evtl. anders urteilen wie bisher aber eine absolute Rechtssicherheit wird erst nach dem 1. BGH Urteil Bestand haben. Bis dahin trägt der Kläger weiterhin des Prozess- und damit Kostenrisiko durch die einzelnen Instanzen. Bei den Summen worüber hier gesprochen wird handelt es sich nich um Peanuts. Zudem vergessen auch viele der Kläger das Sie Ihr nun so verhasstes Auto ja teilweise über mehrere Jahre und viele Kilometer genutzt haben und damit natürlich auch für die damit verbundene Abnutzung Ihren Obolus zu entrichten haben. Hierzu möchte ich als relativ neutraler Beobachter nun sagen:Leute als Ihr Euch für den Kauf des jetzt so verhassten Diesel entschieden habt war doch sicher bei 100% der Umweltgedanke im Vordergrund. Sicher war nicht der ausschlaggebende Kaufgrund das Euch VW die "alten Schätzchen" bei der Inzahlungnahme vergoldet hat, Euch eine Superfinanzierung angeboten wurde oder gar ein hoher Nachlass/Preisvorteil? So hoffen nun vermutlich viele Ihr Fahrzeug und den damit verbundenen Finanzierungs- oder Leasingvertrag wieder loszuwerden weil Sie jetzt doch festgestellt haben sich das Auto eingentlich in der Größenordnung nicht leisten zu können. Ich denke mal viele sollten mal ehrlich zu sich selber sein und nicht versuchen nun plötzlich den Umweltgedanken in den Vordergrund zu stellen. Natürlich ist es legitim nun auf diesen Zug aufzuspringen. Aber einwenig Ehrlichkeit sollte doch langsam in unsere Gesellschaft wieder einkehren und damit meine ich dieses nicht nur auf die Automobilhersteller bezogen. Auch bei den anderen Herstellern gibt es keinen Neuwagen geschenkt.


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