Nachhaltigkeit im Autohandel: Bewusstseinswandel notwendig

Auf Basis der neuen regulatorischen Vorgaben aus der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), die erstmals eine Vielzahl von Automobilhandelsbetrieben dazu verpflichtet, einen Nachhaltigkeitsbericht zu erstellen, wurden im Rahmen einer Studie sowohl interne wie externe Anspruchsgruppen von 42 Autohäusern zu ihrer Einschätzung der Wesentlichkeit verschiedener Faktoren befragt. Dabei wurden unterschiedliche Betriebsgrößen sowie Marken- und Standortkonstellationen berücksichtigt. Die internen Stakeholder umfassen definitorisch die Geschäftsführung und die Gesellschafter, während die externen Stakeholder die Hersteller, Banken, Versicherungen und ausgewählte Großkunden beinhalten. Im Folgenden werden die Kernresultate dieser Studie kurz vorgestellt. Nachholbedarf im Autohandel Zentral ist zunächst die Feststellung, dass sich mit 42 Prozent doch deutlich weniger als die Hälfte der untersuchten Betriebe bisher mit der Etablierung eines Nachhaltigkeitsmanagements beschäftigt und dieses auch umgesetzt haben. Weitere 48 Prozent wollen ein solches System einführen und die verbleibenden zehn Prozent können dem auch in Zukunft nichts abgewinnen. Dabei verstehen wir unter "Nachhaltigkeitsmanagement" die umfassende organisatorische Integration von ESG-Kriterien, also ökologische, soziale und führungsseitige Faktoren, in die strategische und operative Entscheidungsfindung des Top-Managements und auch deren Dokumentation. Hinzu gehört ebenfalls die regelmäßige Ermittlung und Publikation nicht-finanzieller Kennzahlen wie etwa des CO2-Fußabdrucks des Autohauses. Die Beweggründe für die strukturelle Verankerung eines Nachhaltigkeitsmanagements für die Unternehmen waren überwiegend externe Anforderungen seitens der Banken und Hersteller. Spezifisch ausschlaggebend waren befürchtete Nachteile im Rating verbunden mit der Nachweispflicht und dem Einfluss von ESG-Faktoren auf den Zinssatz sowie Vorgaben der Hersteller aus deren eigenen Nachhaltigkeitsprogrammen für den Handel, wie beispielsweise die bilanzielle CO2-Neutralität. Für Letzteres wird die Verankerung in Händler- bzw. Agenturverträgen ab dem Jahr 2030 verschiedentlich zumindest diskutiert. Einsparung und Reputation Hinzu kommen die daran anknüpfende Einsparung von Energiekosten sowie auch Anforderungen von Großkunden. Letzteres Argument bezieht sich konkret auf den Ausschluss bei Ausschreibungen, wenn hinsichtlich Nachhaltigkeit keine Aktivitäten nachgewiesen werden können. Insgesamt befürchteten viele der Händler, die ein Nachhaltigkeitsmanagement etabliert haben, für den Fall der Tatenlosigkeit oder jedenfalls ungenügender Transparenz zu den eigenen Anstrengungen auch ein zunehmend größer werdendes Reputationsrisiko bei den Kernzielgruppen. Speziell im Premium- und Luxussegment wird glaubhaft ressourcenschonendes Handeln als ein wichtiges Kaufkriterium gesehen. Top-Thema: Unternehmensnachfolge Für die Studie wurden im Vorfeld sowohl aus Sicht der internen als auch der externen Anspruchsgruppen zehn Themen als am relevantesten identifiziert und von beiden Gruppen auf einer Prozentskala von eins bis 100 in ihrer Wichtigkeit für die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens bewertet. Weiterhin wurde jedes Thema mit der potenziellen finanziellen Auswirkung auf das Unternehmensergebnis gewichtet. Als höchste Priorität für die Nachhaltigkeit im Sinne der Unternehmenssicherung wird eine zeitnahe und konsequent geplante sowie kommunizierte Regelung zur Unternehmensnachfolge gesehen. Hier deckt sich die externe Sicht annähernd mit der internen Perspektive. Beide Perspektiven sind sich zudem darüber einig, dass hieraus ein hohes finanzielles Risiko bis hin zur Existenzgefährdung des Betriebs entstehen kann. Die aus der Außenperspektive als Prioritäten zwei und drei genannten Faktoren mit erheblichem Einfluss auf die Ertragsfähigkeit bzw. die Risikotragfähigkeit und damit die Resilienz des Unternehmens sind der Klimawandel sowie der gesellschaftliche Wertewandel. In beiden Fällen gibt es zur Innenperspektive, also der Sicht der Geschäftsführung sowie der Gesellschafter, eine erhebliche Diskrepanz, da Externe diese Themen als ganz erheblich wesentlicher einschätzen. Das von Extremwetterereignissen wie Überschwemmungen und Starkregen oder längeren Hitzeperioden ausgehende Risiko wie etwa Schäden an Immobilie und Warenbestand, Betriebsunterbrechung und stark steigende Versicherungsprämien sowie Produktivitätsrückgänge bei den Mitarbeitern wird durch die Unternehmen selbst als eher nicht so hoch eingeschätzt. Auch den gesellschaftlichen Wertewandel mit der zukünftig absehbaren Infragestellung der zentralen Rolle des weitgehend allein genutzten Automobils als dem zentralen Baustein der individuellen Mobilität sehen die Autohandelsbetriebe mit Blick auf die damit potenziell verbundenen finanziellen Auswirkungen etwa durch den Markteintritt neuer Wettbewerber oder die Etablierung alternativer Nutzungskonzepte außerhalb des klassischen Handels als bedeutend unkritischer als etwa Banken. Eine umgekehrte Diskrepanz stellen wir bezogen auf die Studienergebnisse für das Thema Digitalisierung fest. Dieses ist für die Geschäftsführung zur Zukunftssicherung das derzeit relevanteste Thema, während die unternehmensexterne Sicht hier zu den möglichen Effizienzvorteilen in Relation zu den notwendigen Investitionen wesentlich kritischer ausfällt. Maßgeblich ist hier aus Sicht von Versicherungen und Herstellern spezifisch der Schutz gegen Cyberangriffe. Das geschätzte finanzielle Risiko daraus ist im Vergleich zu Klima- und Wertewandel aber jedenfalls langfristig gesehen eher geringer. Auch bei der Stabilität der Lieferketten, also konkret der planbaren, zeitnahen und vollständigen Belieferung mit Fahrzeugen und Ersatzteilen, sieht der Handel eine etwas größere Bedeutung für die zukünftige Handlungsfähigkeit als die externen Partner, wenngleich die Differenz hier vergleichsweise gering ausfällt. Die finanzielle Bedeutung ist jedoch gerade auch aus Sicht der Hersteller recht hoch. Die Einschätzung zur zukünftigen Relevanz von Energiekosten sowie von Elektromobilität ist sowohl aus der Innen- wie der Außensicht im Vergleich zu den anderen bewerteten Faktoren geringer. Speziell die Bedeutung der Elektromobilität für das zukünftige Geschäftsmodell ist aus Sicht des Handels derzeit deutlich rückläufig. Interessanterweise teilen tendenziell auch die Banken diese Ansicht zumindest für die absehbare Zukunft. Das finanzielle Risiko wird hier als eher mittelgroß angesehen, wenngleich teils erhebliche Investitionen in Ladeinfrastruktur sowie Ausbildung der Mitarbeiter unternommen wurden, deren Amortisation zumindest kurzfristig fraglich erscheint. Fazit Als Fazit lässt sich festhalten, dass der "Klassiker" der Unternehmensnachfolge die Prioritäten bei der Zukunftssicherung immer noch dominiert. Allerdings bedarf neben gesellschaftlichen Veränderungen in der Nutzenzuschreibung des Automobils bei manchen Zielgruppen gerade die Analyse der Folgen des Klimawandels auf das derzeit praktizierte Geschäftsmodell im Autohandel und deren Abmilderung erheblich mehr Aufmerksamkeit. Hier ist vor allem aus Sicht der Banken und der Versicherer ein immenser Bewusstseinswandel notwendig. Die gesamte Studie gibt es ab Anfang Juli unter koller@tcjg.de. DER AUTOR Werner Koller, LL.M., ist Geschäftsführer der Unternehmensberatung TCJG mit Schwerpunkt Nachhaltigkeit im Automotive-Sektor. Nach seinem Betriebswirtschafts- und Jura-Studium war er in verschiedenen Führungsfunktionen im Automobilhandel und bei Sachverständigenorganisationen tätig. Kontakt: koller@tcjg.de AUTOHAUS next Playlist ESG Alle Inhalte auf AUTOHAUS next zum Thema Nachhaltigkeitsbericht - von der Geschäftsführerinformation über Inhalte für den Projektleiter bis zu einer Blaupause für ein Kick-off - unter: next.autohaus.de/playlist/102605!

Strafzölle auf chinesische Autos: Smart-Chef warnt vor Abwürgen der E-Mobilität

Auto Nagel: Neue Betriebe, neue Marken

Lexus: Auf dem Weg zur Elektromarke

Frankfurt mit neuer Umweltprämie: Deutschlandticket für Auto-Abmeldung

Legalisierter Drogenkonsum und Arbeitsrecht: Legalize it - das Cannabisgesetz

Alle Schlagzeilen

Nachhaltigkeit im Autohandel: Bewusstseinswandel notwendig

WEITERLESEN

NEWSLETTER