E-Autos sollen nicht nur sauber sein, sondern auch nachhaltig. Ohne Recycling geht das nicht. Doch bis zur Kreislaufwirtschaft ist es noch ein weiter Weg. Und die steigenden Energiekosten könnten ihn unerwartet steinig werden lassen.
Vor allem E-Auto-Skeptiker führen die Recycling-Frage gerne als Argument gegen die Elektrifizierung des Straßenverkehrs ins Feld. Und zeichnen das abschreckende Bild hochgiftiger Batteriemüll-Halden an den zeitlichen Horizont. Doch die wird es wohl kaum geben. Mitte Dezember hat die EU strenge Recycling-Quoten für Alt-Akkus vorgeschrieben. Nickel und Kobalt etwa müssen ab 2027 zu 90 Prozent wiederverwertet werden, ab 2031 zu 95 Prozent. Bei Lithium liegen die Mindestwerte bei 50 beziehungsweise 80 Prozent. Neben dem politischen Druck gibt es aber auch einen ökonomischen: Die in Batterien verwendeten Rohstoffe sind knapp und teuer, entsprechend interessant ist ihre Rückgewinnung.
Bislang erfolgt das Recycling der Speicher in Deutschland und Europa jedoch nur im kleinen Stil. Pilotanlagen und experimentelle Recycling-Werks sind der Standard, rund 5.000 bis 9.000 Tonnen Material können sie pro Jahr verarbeiten. Das allerdings reicht aktuell. "Aktuell gibt es eher eine Überkapazität beim Batterie-Recycling", weiß Branchenexperte Peter Trögel vom Beratungsunternehmen Berylls. "Prognosen gehen davon aus, dass bis 2030/2035 die aktuelle Recycling-Kapazität ausreicht."
Erst danach erreicht die erste große Welle von Fahrzeugen aus dem aktuellen E-Auto-Boom das Ende ihres Lebenszyklus. 10 bis 12 Jahre gibt Trögel dem durchschnittlichen Modell, bevor der Akku zu stark an Kapazität verliert. Rund 70 bis 90 Prozent der Energiespeicher gehen dann nach aktuellen Prognosen ins Recycling, der deutlich kleinere Teil lebt als stationärer Akku weiter oder wird zur automobilen Weiternutzung wiederaufbereitet. Bis Anfang beziehungsweise Mitte des Jahrzehnts hat die Branche demnach noch Zeit, eine funktionierende Kreislauf-Infrastruktur aufzubauen.
Batteriehersteller: Recycling im Blick
Noch ist aber gar nicht ganz klar, wer künftig überhaupt das Geschäft mit dem Recycling im großen Stil führen könnte. Generell zählen die Zellhersteller zu den natürlichen Anwärtern auf ein großes Stück vom Recycling-Kuchen. Auch, weil sie vor allem in Asien schon seit geraumer Zeit Knowhow sammeln, indem sie den immer noch ganz beträchtlichen Ausschuss bei der Zellfertigung wiederverwerten. In Europa verhalten sie sich bislang aber noch zurückhaltend, weiß Trögel. "Die Batteriehersteller haben das Thema Recycling durchaus im Blick. Aktuell legen sie aber den Fokus vor allem auf den Ausbau der Produktion."
Auch die Autohersteller sind noch vorsichtig. In Europa betreibt aktuell nur VW direkt eine Recycling-Fabrik; Die Anlage in Salzgitter hat eine Jahreskapazität von rund 1.500 Tonnen. Mercedes will im laufenden Jahr in Kuppenheim ein Werk mit 2.500 Tonnen installieren, Nissan plant für 2025 eine Anlage an einem noch nicht festgelegten Standort. Dritte mögliche Gruppe an Markteilnehmern sind spezialisierte Recycling-Unternehmen wie etwa Accurec, die in Krefeld eine Anlage mit 3.500 Tonnen Kapazität betreiben. Oder Redux in Bremerhaven mit 10.000 Tonnen Kapazität inklusive Geräte- und Haushaltsbatterien.
Welche der drei Gruppen schließlich den Recycling-Markt bestimmt, bleibt abzuwarten. Auch, weil noch Rechtliches zu klären ist: "Es ist aus unserer Sicht noch nicht klar, wen der Gesetzgeber für ein funktionierendes Recycling verantwortlich machen wird. Den Auto- oder den Batteriehersteller", sagt Trögel.
Technisch kein Problem
Technisch hingegen ist das Recycling unproblematisch. Im Wesentlichen geht es um die Demontage der Akku-Packs und Module, um an die wertvollen Aktivmaterialien in den Zellen zu kommen. Diese werden dann in einem großen Reißwolf zur sogenannten „schwarzen Masse“ geschreddert. Mit Hilfe großer Hitze oder chemischen Reaktionen lassen sich anschließend die einzelnen Bestandteile trennen und erneut in den Materialkreislauf einschleusen. "Die Technologie für das Recycling ist bekannt. Das Problem ist die Wirtschaftlichkeit", beschreibt Trögel die aktuelle Situation. Zu den größten Problemen zählt aktuell die Skalierbarkeit der Anlagen. Weil fast jedes E-Auto seinen eigenen Akku-Typ mit speziellem Aufbau und besonderer Zellchemie hat, lässt sich die Demontage bislang nicht automatisieren.
Für den nicht ganz ungefährlichen Job benötigt man bislang menschliche Arbeitskraft. Recycling ist energie- und lohnkostenintensiv. "Der Aufbau einer solchen Industrie ist eine wackelige Angelegenheit", sagt Alexander Timmer, der bei Berylls gemeinsam mit die erwachende Branche beobachtet. "Aktuell sehen wir, dass viele geplante Batteriewerke unter anderem wegen der hohen Energiekosten in Europa auf Eis gelegt werden. Dieser Trend wird die Recycling-Branche zeitverzögert erreichen."
Die Energie- und Lohnkosten dürften seiner Einschätzung nach zu einem Kernproblem der Branche werden. Für die Verzögerungen und drohenden Stopps bei den Batteriewerken von Tesla in Grünheide und Northvolt in Heide gibt es zwar noch andere Gründe – etwa die Förderpläne der US-Regierung für die Zellfertigung im eigenen Land. Aber laut Timmers eben auch die in Deutschland teuer gewordene Energie. Die drohende Schrumpfkur hätte Folgen: Eine geringere Batterie-Produktion in Europa würde auch dem Recycling den Schwung nehmen.
Geld verdienen schwierig
Die Energiekosten spielen auch deshalb eine starke Rolle, weil das Geschäft mit der Wiederverwertung ein schwieriges ist. "Recycling ist im Allgemeinen kein Geschäft mit hohen Margen. Mit Batterierecycling im Speziellen lässt sich aktuell schwer Geld verdienen", sagt Trögel. Neben Energie und Personal schlägt die Logistik stark zu Buche. Die Altbatterien müssen gesammelt und zur Weiterverarbeitung transportiert werden – und zwar unter hohen Brandschutzauflagen. Beschädigte Akkus können unvermittelt in Flammen aufgehen und für riesige, nur schwer löschbare Brände sorgen. Ein einfacher Transport auf der offenen Lkw-Ladefläche ist undenkbar.
Rund 25 bis 30 Prozent der Recyclingkosten sind daher Logistikkosten, so die Berylls-Experten. Ein engmaschiges Netz an Sammelstellen und Recyclingwerken ist schon deshalb nötig. Das wird es aber nur geben können, wenn die Wiederverwertung von Akkus auch hierzulande als Geschäftsmodell taugt und funktioniert. Rund ein Jahrzehnt lang bleibt noch Zeit, es aufzuziehen.