Von Dietmar Winkler, Chefredakteur asp AUTO SERVICE PRAXIS
Die Automotive Aftermarket-Leitmesse Automechanika 2020 ist abgesagt und auf 2021 verschoben. Olaf Mußhoff, Director Automechanika, erklärt, wie es dazu kam und wie es weitergehen soll.,
Das Wirtschaftsleben läuft gerade wieder an - Was hat Sie dazu bewogen nun doch die Reißleine zu ziehen?
Olaf Mußhoff: Wenn man sich anschaut, wie viele Beschränkungen noch in Kraft sind vor allem, was die Durchführung von Großveranstaltungen betrifft, ist nicht zu erwarten, dass dann Anfang September eine große Messe wie die Automechanika stattfinden kann.
Gerade weil die Automechanika eine sehr internationale Veranstaltung ist, betreffen uns auch in besonderem Maße die Reiserestriktionen, die nicht nur national und europaweit sondern international gelten. Bei der letzten Automechanika kamen 70 Prozent der Besucher aus dem Ausland und deutlich über 65 Prozent der Aussteller.
Die Absage war nicht unerwartet. Warum kam sie so spät?
O. Mußhoff: Wir haben uns in vielen Gesprächen mit Kunden, Ausstellern und Branchenverbänden deren Situation angeschaut und uns über die Möglichkeiten ausgetauscht. Bevor wir eine Entscheidung treffen, wollten wir ein hohes Maß an Verlässlichkeit haben. Mit anderen Worten: Wir wollten mit so vielen Ausstellern wie möglich sprechen, und das hat einfach seine Zeit gebraucht.
Einerseits haben wir von vielen Ausstellern gehört, dass sie die Messe als internationale Plattform schätzen – auch in der Hoffnung, das derzeit schwierige Geschäft wiederzubeleben sowie Neuigkeiten einem breiten Publikum vorzustellen. Andererseits haben die zu erwartenden Einschränkungen gegen die Durchführung einer Messe gesprochen. Deshalb haben wir im Sinne der Kunden diese Entscheidung getroffen.
Wie sind die Rückmeldungen bisher?
O. Mußhoff: Die Rückmeldungen, die wir bekommen, sind ausschließlich positiv. Vor allem schätzen Aussteller die damit verbundene Planungssicherheit. Viele Aussteller müssen jetzt sehr stark auf die Liquidität achten und haben Mitarbeiter in Kurzarbeit – der Kostenfaktor Messe fällt dann in diesem Jahr weg, was viele entlastet. Die Aussteller halten es auch für die richtige Entscheidung, die Messe um ein ganzes Jahr zu verlegen, und dann wieder im zweijährigen Automechanika-Rhythmus zu bleiben.
Damit rückt die Automechanika aber in die Nähe der IAA Pkw, die ebenfalls im kommenden Jahr stattfindet. Ließ sich diese Kollision nicht vermeiden?
O. Mußhoff: Es gibt keine direkte Überschneidung der Termine. Die IAA findet vom 7. bis 12. September 2021 in München statt, die Automechanika dann eine Woche später vom 14. bis 21. September in Frankfurt. Die Situation einer direkten Nähe zur IAA Nutzfahrzeuge haben wir auch im klassischen Zyklus. Aus Sicht der internationalen Besucher ist die zeitliche Nähe übrigens eher ein Vorteil, weil man mit einer Reise nach Deutschland beide Messen mitnehmen kann.
Welche Auswirkungen hat die Verschiebung auf das Messekonzept?
O. Mußhoff: Es ist klar, dass wir die Messe, wie sie für dieses Jahr geplant war, nicht einfach um ein Jahr schieben können. Das Automechanika-Team überarbeitet ja das Messekonzept von Veranstaltung von Veranstaltung, das ist ein permanenter Prozess.
Aber ich gehe davon aus, dass das Kernprodukt unverändert eine Fachmesse mit Publikums- und Ausstellerpräsenz sein wird, eine Plattform wo Aussteller und Besucher sich im internationalen Rahmen begegnen. Das ist der USP der Automechanika und den werden wir auch nicht verändern. Die persönliche Begegnung ist auch für die deutschen Besucher, die rund 35 Prozent der Besucher ausmachen, ein wichtiges Argument nach Frankfurt zu kommen. Wir arbeiten bereits an digitalen Ergänzungen im Rahmen unserer App, u.a. an einem Networking-Tool, wo sich Teilnehmer der Messe untereinander direkt vernetzen können.
Wo zeigen die Aussteller ihre Neuheiten, die sie eigentlich im September auf der Automechanika präsentieren wollten?
O. Mußhoff: Diese Frage können Ihnen sicherlich die Aussteller besser beantworten als ich. Wir von der Automechanika bieten eine ganze Reihe von Kanälen und Plattformen mit guten Reichweiten, wie z. B. unsere Ausstellersuche im Netz sowie unsere Newsletter und Socia Media-Kanäle.
Momentan planen wir mit einigen Influencern und Medienpartnern eine Online-Veranstaltungsserie zum Thema Weiterbildung. Hierzu laden wir im Herbst diesen Jahres das deutsche Werkstattpublikum ein, die Themen werden analog zur Messe breitgefächert sein.
Wie groß ist der Schaden für die Messe Frankfurt durch all die Messe-Absagen?
O. Mußhoff: Den finanziellen Schaden kann ich nicht genau beziffern, aber Sie können sich vorstellen, was es bedeutet, wenn über 40 Veranstaltungen weltweit abgesagt oder verschoben werden müssen. Die Messegesellschaften gehören wie die Reisebranche zu den am stärksten betroffenen Branchen. Aber es gibt für unser Team jetzt sehr viel zu tun, wir arbeiten permanent am Konzept und schauen, was wir für kommendes Jahr auf die Beine stellen können.
Werden Ihnen Aussteller dauerhaft verloren gehen?
O. Mußhoff: Das sehe ich derzeit nicht. Es kann ja auch genau das Gegenteil eintreten, nämlich dass Firmen nach dem Krisenjahr 2020 im nächsten Jahr duchstarten und das Angebot einer Messeplattform wie die der Automechanika nutzen, um mit ihren Kunden in Kontakt zu kommen.
Ist es denkbar, den Kreis der Aussteller zu erweitern und neue Zielgruppen anzusprechen?
O. Mußhoff: Ein Beispiel dafür, dass wir das schon längst tun, ist die Ausstellung "Tomorrow's Service & Mobility" in der Festhalle! Denkbar ist beispielsweise, dass Telekommunikationsunternehmen nach Frankfurt kommen, um Services und Lösungen für Connected Mobility zu präsentieren, oder z. B. Unternehmen, die digitale Dienstleistungen auf Basis von Fahrzeugdaten anbieten.
Auch das Thema "Gaming", das wir schon geplant hatten, ist aus meiner Sicht interessant, auch wenn man da auf den ersten Blick keine Berührung vermuten möchte. Aber mittlerweile ist die E-Gaming Industrie so breit aufgestellt, dass sie auch Schnittmengen mit der Mobilitätsbranche hat. Denken Sie an den ganzen Bereich der Rennsimulatoren. Es ist hier für viele klassische Automechanika-Aussteller interessant, sich im Rahmen dieser Spiele als Sponsor einem jungen Publikum zu präsentieren. Das sind ganz neue Ideen und spannende Konzepte
Wie sind die weiteren Planungen für die Auslandsmessen der Automechanika?
O. Mußhoff: Michael Johannes und ich stehen in engem Austausch mit allen internationalen Showdirectoren. Wir analysieren und bewerten die Vorgaben der lokalen Regierungen und Gesundheitsbehörden, um Szenarien zu entwickeln, wie die Messen stattfinden können. Wir erhalten positive Signale unserer Tochtergesellschaft aus Asien, dass das Geschäft dort wieder losgeht. (diwi)
Vielen Dank für das Gespräch!