Bevor es diesen Mittwoch mit dem Young Business Day so richtig losging, sorgte Branchenexperte Thomas Ulms am Vorabend für das richtige Mindset zur erfolgreichen Weiterentwicklung des eigenen Unternehmens – und gerade in puncto Weiterentwicklung, attestierte der Unternehmensberater dem Handel eine gewisse Trägheit, die es im Zuge des anstehenden Transformationsprozesses abzulegen gilt. Man müsse sich, so Ulms, "die Frage stellen, welche alternativen Geschäftsmodelle man morgen haben will."
Die ausgetretenen Trampelpfade müssen also verlassen und neue Wege beschritten werden – und eben genau diesem Ansatz folgte der diesjährige AUTOHAUS Young Business Day. Moderiert wurde die Veranstaltung von Sascha Röwekamp, Inhaber der Consulting-Firma RWKMP, und Philipp Kroschke, Sprecher der Geschäftsführung der Kroschke Gruppe.
Chancen und Risiken des Agenturmodells
Einer dieser Transformationsprozesse, der die Branche gerade durcheinanderwirbelt, wird von den OEM selbst forciert: das Agenturmodell. Dass diese, auf die Autohäuser einprasselnde Entwicklung nicht nur negativ behaftet sein muss, sondern auch mit neuen Möglichkeiten einhergeht, machte Karima Knigge deutlich. Die Leiterin des Bereichs Business Development in der Woltmann-Gruppe appellierte an die anwesenden Händlerinnen und Händler, die jahrzehntelange Herstellertreue vieler Autohäuser im Zuge des Agenturmodells zu überdenken. "Um die eigenen Kunden bestmöglich mit Mobilität zu beraten, muss man flexibel sein", so Knigge, deren Unternehmen sich mit MG eine chinesische Automarke inklusive Agenturvertrieb ins Haus geholt hat - mit rund 10.000 Euro eine vergleichsweise geringe Investition.
Zwei Monate nach dem Start hatte man bereits über 20 Autos verkauft. Dabei mussten die Verkäufer allerdings auch lernen, dass Preisverhandlungen im Agenturmodell nicht mehr möglich sind und ihre Strategie entsprechend anpassen. In diesem System gilt es also, "den Kunden so gut zu beraten, dass der Preis nicht mehr ausschlaggebend ist", brachte Knigge die Lage des Handels auf den Punkt.
Mit dem Agenturmodell ante Portas werden auch die Entscheidungsspielräume für den Händler kleiner. Wie man sich angesichts dieser immer enger anliegenden Daumenschrauben dennoch im Wettbewerb profilieren kann, zeigte Paul Merthen. Der Marketingverantwortliche der Autohaus Liebe Gruppe erklärte, was es beim Aufbau der eigenen Marke zu beachten gilt.
"Einfach machen und nicht alles zerdenken"
Zunächst einmal, erklärte Mehrten, solle man sich überlegen, was man mit der eigenen Marke erreichen und wofür man stehen wolle. Erst danach sei ein Abstecken der Zielgruppe und damit auch der Ziele möglich. Im Zweifel sei es allerdings besser, so der Gründer des Hashtags #skodaliebe, "einfach zu machen und nicht alles zu zerdenken." Nicht weniger wichtig sei es in diesem Zusammenhang, einen langen Atem zu haben.
AUTOHAUS Young Business Day 2022 - Impressionen
BildergalerieMit Youtube eine Community aufbauen
Einen langen Atem bewies auch Julian Gieseke, als er den Youtube-Kanal "meinandersTV" hochzog. In seinem Vortrag erklärte der Leiter E-Commerce und Operations der Anders Gruppe, wie man auf der Video-Plattform, immerhin der zweitgrößten Suchmaschine der Welt, erfolgreich eine eigene Community aufbaut. Der Weg dahin war allerdings steinig: Schlechte Kritiken, wenig Aufrufe und eine schwierige interne Wahrnehmung waren das Ergebnis des ersten Jahres Youtube. Der Erfolg kam erst, als man aufgehört hat, "Themen zu platzieren, die nur für Autohausmitarbeiter relevant sind", wie Gieseke betonte. Mittlerweile schlägt der Youtube-Kanal des Mercedes-Autohauses den des Herstellers: Während Mercedes rund 2,5 Millionen Aufrufe verbucht, sind es beim Kanal der Anders Gruppe 3,5 Millionen – bei deutlich kleinerem Budget.
Eng mit dem Thema Social Media verknüpft, ist die Marke des eigenen Autohauses – und damit ist keineswegs die Automarke gemeint, sondern die Werte, mit denen man als Händler von sich Reden macht. Wie das funktioniert, erklärte Felix Neugebauer, Geschäftsführer, Autohaus ATH, der genau das mit "ATH" geschafft hat. Der erste Schritt hierzu: ein neues Logo. "Mein Ziel war es, Neugier zu wecken und dem Kunden nicht alle Informationen sofort zu geben", erklärte Neugebauer im Hinblick auf das Design. Der Geschäftsführer weiß allerdings auch: "Eine Marke ist nichts, wenn du sie nicht bekannt machst." Für ihn heißt das: rausgehen und die Marke bekannt machen. Vom klassischen Sponsoring bis hin zu Werbung im Kreisverkehr, war es beim Aufbau der Marke stets das Ziel, "in die Köpfe der Leute zu kommen", so der ausgebildete Kfz-Mechatroniker und Automobilkaufmann. Auch Merchandise spiele hierbei eine wichtige Rolle. "Damit verdient man jetzt nicht massig Geld – aber man gewinnt Kunden", so der Geschäftsführer.
Digitalstrategien kostengünstig umsetzen
Der Trend zur Digitalisierung hält ungebrochen an und stellt insbesondere den Mittelstand vor Probleme, da Investitionen gerade hier vergleichsweise hoch sind. Wie der Digitalisierungsprozess im Mittelstand trotzdem erfolgreich umgesetzt werden kann, zeigte Sinja Brunkhorst vom Autohaus Brunkhorst, indem sie auf verschiedene günstige, teils gar kostenlose Tools für Autohäuser verwies, die beim Digitalisierungsprozess helfen.
Mit der White-label-Lösung mySchaden24 präsentierte die Assistentin der Geschäftsführung eine praktische App, die Kostenvoranschläge digitalisiert. "Kostenvoranschläge sind Zeitfresser, Geldfresser, nicht rechtssicher – und am Ende bekommt man kein Geld von der Versicherung", fasst Brunkhorst den Status Quo zusammen. Live auf der Bühne zeigte sie dann, wie einfach sich die App bedienen lässt und wie zuverlässig diese den Nutzer durch die Antragerstellung führt. In der Praxis lässt sich mit der rechtssicheren App locker eine Stunde Arbeitszeit einsparen – pro Kostenvoranschlag, erklärte Brunkhorst.
Höhenflug der digitalen Händler ist erst einmal vorbei
Im anschließenden "Unternehmertalk" warfen Philipp Kroschke und Mobilitätsexpertin Eva Kellershof, Start-up-Kennerin und Client Partner Otoz Mobility, einen Blick auf die Megatrends der Automobilbranche. Dabei zeigte sich: Der coronabedingt Höhenflug der digitalen Händler ist erst einmal vorbei. Kunden, so Kellershof weiter, würden jedoch zunehmend nach Modellen suchen, die ihnen Bezahlbarkeit garantieren.
Anschließend ging es für die jungen Führungskräfte in die Workshops. Fabian Becker, Geschäftsführender Gesellschafter, Elite Consulting People Development, ging in seinem Workshop darauf ein, wie man die eigenen Stärken verbessern könne. Im nächsten Workshop wurde ein Problem angesprochen, mit dem sich viele junge Führungskräfte, insbesondere in ihrer Anfangszeit, herumschlagen dürften.
Im Workshop von Holger Zander, Inhaber, Zandercompass, wurde der Frage nachgegangen, wie sich junge Führungskräfte mit ihrem Wunsch nach Veränderung gegen Widerstände in den eigenen Reihen durchsetzen können. Im dritten Workshop ging Sascha Röwekamp darauf ein, wie man den Transformationsprozess im eigenen Autohaus erfolgreich abwickeln könne, ohne "das Rad neu erfinden zu müssen".
Besonderer Dank geht an dieser Stelle an die Partner der Veranstaltung: Bank11, Carwow, Tissen Kruck und Kroschke Gruppe.