Autohaussanierung in der Pandemie - Teil 3: Angriff ist die beste Verteidigung

Wann ist ein Autohaus sanierungsbedürftig? Die Formel ist einfach: Spätestens nach zwei Verlustjahren ohne konkrete Hinweise auf eine substanzielle Ergebniswende im laufenden Geschäftsjahr. Die Schieflage kann früher und dringlicher eintreten, wenn nervöse Finanzierungspartner Kreditbedingungen verschlechtern, schlimmstenfalls sich verabschieden oder sich die Liquiditätsreserven auf deutlich weniger als einen viertel Monatsumsatz verzehren. Immer dann spricht man von einer manifesten Ergebnis- oder gar Liquiditätskrise. Der Begriff "Krise" ist landläufig stigmatisiert. Mediziner verstehen darunter einen kritischen Wendepunkt eines Krankheitsverlaufs, der entweder zur Heilung oder zum Tode führt. Rhetorische Frage: Welche Geschäftsführer oder Unternehmer sehen sich gerne an der Spitze einer insuffizienten Organisation? Empfehlung an die betroffenen Geschäftsführer: Die bittere Selbsterkenntnis einer Unternehmenskrise darf weder selbstanklagende Demontagen und Fluchtreaktionen provozieren noch in diktatorischer Manier schöngeredet werden. Jetzt erst recht ist genau die Mitte gefragt, zwischen nüchterner Bestandsaufnahme und geradezu cooler, zupackender Bereitschaft, das Unternehmen zu retten. Der kritischste Erfolgsfaktor einer Autohaussanierung ist die Zeit. Je später tiefgreifende Sanierungsmaßnahmen ergriffen werden müssen, desto geringer die Sanierungschancen. Umgekehrt heißt das: Ergreift das Management rechtzeitig notwendige Sanierungsschritte, bestehen maximale Heilungschancen (Abb. 1). Restrukturierungsexperten lokalisieren den Krisenbeginn allerdings früher, nämlich dann, wenn die Marktbedeutung des eigenen Autohauses schleichend zurückgeht, spürbar Kunden dem Autohaus den Rücken kehren oder sich strategische Entscheidungen der früheren Jahre aus heutiger Sicht als falsch und verlustträchtig erweisen. Das Zahlenwerk eines Autohauses sendet offensichtliche Warnsignale mindestens zwei Jahre vor dem Eintritt in die manifeste Krise. Schwer wiegen chronisch schwachbrüstige Eigenkapitalausstattungen bzw. hohe Verschuldungsgrade oder geradezu historisch magere, operative Renditen. Ergebniswirtschaftliche Krisen gehen früher oder später einher mit finanzwirtschaftlichen Engpässen. Es ist so, als ob die Bettdecke immer kleiner wird und der Geschäftsführer jeden Morgen mit erkalteten Füßen das Autohaus betritt. Kalte Füße provozieren den nervösen Hilferuf nach Kreditausweitungen und Tilgungsaussetzungen bei Haus- und Autobanken, spätestens dann, wenn Gehalts- und Umsatzsteuerzahlungen des laufenden Monats nicht gedeckt werden können. Der Scheideweg Der elementaren Selbsterkenntnisphase schließt sich eine nicht minder erfolgskritische weitere Phase an: die richtige Auswahl der kampferprobten Mitstreiter. Vertraute Steuerberater und Wirtschaftsprüfer kommen de jure nicht in Frage. Gleichwohl sind sie wichtige Projektmitglieder. Auch auf die Gefahr hin, der plumpen Werbung in eigener Sache bezichtigt zu werden: ohne externe, branchen- und sanierungserfahrene Expertise durch qualifizierte Beraterkollegen geht es nicht. Der Autohausgeschäftsführer bittet seinen Autohauskollegen oder seinen Händlerverband um Empfehlungen. Wenn sich die Krise nicht mehr verbergen lässt, bindet man die Automobilhersteller und die Automobil- und Hausbanken aktiv ein, indem man nach geeigneten Sanierungsspezialisten fragt. Das hinterlässt schon einmal einen professionellen Eindruck. Legen Sie den Beratungsvertrag diesen Schlüsselpartnern offen. Das kann Wunder wirken, wenn diese Akteure der Autohausgeschäftsführung bis dato wenig Veränderungsbereitschaft bescheinigten. Zahlungsfähigkeit sichern Im ersten Schritt einer Autohaussanierung begehren die Berater nach einem Kassensturz. Nichts ist in dieser Unternehmensphase wichtiger als die Aufrechterhaltung der Zahlungsfähigkeit und die kurzfristige Sanierung einer insolvenzrechtlichen Überschuldung der betroffenen Gesellschaft. Ist das Fazit positiv, testieren die Sanierungsberater eine positive Fortbestehensprognose ("Going-Concern"). Ist das Untersuchungsergebnis negativ, weil das Unternehmen zahlungsunfähig oder überschuldet ist, muss das Unternehmen zu Liquidationswerten bewertet werden. In der Regel bleibt den Beratern nur die Empfehlung an die Geschäftsführung, den schweren Gang zum Insolvenzgericht zu gehen. Die Dokumentation über die Insolvenzantragsgründe soll die Geschäftsführung vor den lauernden Gefahren einer Insolvenzverschleppung und deren zivil- und strafrechtlichen Konsequenzen schützen. Bankenkommunikation in der Krise Immer dann, wenn Finanzgläubiger in den Sanierungsprozess eingebunden werden müssen, fordert die Bankenregulatorik (insbesondere durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, BaFin), ein Sanierungskonzept zu erarbeiten. Die Bankenvertreter machen deutlich, dass die Aufrechterhaltung bestehender und Bereitstellung neuer Kreditlinien unter dem Vorbehalt der Sanierungsfähigkeit steht. Kryptisch empfehlen die Ansprechpartner den Kreditinstituten ein Sanierungsgutachten zu unterbreiten, welches den Richtlinien des IDW-S-6 entsprechen. Dahinter verbirgt sich eine Handlungsanleitung des Instituts der Deutschen Wirtschaftsprüfer (IDW) zur Erstellung von Sanierungsgutachten. Das professionelle Sanierungskonzept alleine schützt die finanzierenden Banken vor eigenen Haftungsrisiken gegenüber ihren Aufsichtsorganen und in höchstrichterlicher Hinsicht vor insolvenzrechtlichen Anfechtungen und strafrechtlichen Verfolgungen. Die Gläubigerbanken verweisen im Kreditgespräch auf die Banken verpflichtenden Richtlinien der BaFin, Problemkredite in die Intensivbetreuung zu überführen. Damit wechseln auch die Ansprechpartner. Der bis dato bekannte Firmenkundenbetreuer übergibt freundlich aber bestimmt das Kreditengagement an die Sanierungsspezialisten seines Instituts. Die Geschäftsführung, die schnelle und unkomplizierte Hilfe von ihren Banken erwartet, fühlt sich nach diesem Bankengespräch zurückgeworfen und darf in dieser finanzwirtschaftlich angespannten Situation die Firmenkasse öffnen, um teure Beratungskonzepte zu bezahlen. Bitter nehmen die erfahrenen Autohausmanager zur Kenntnis, dass die Kreditinstitute ihnen in dieser Unternehmensphase nicht zutrauen, die Autohausschieflage alleine zu meistern. Die wichtigste Währung ist jetzt die unvoreingenommene Offenlegung der Unternehmenssituation durch einen branchenkundigen Sanierungsspezialisten. Das Sanierungsgutachten Kernauftrag des Sanierungskonzeptes ist es, eine nachhaltige Renditefähigkeit, also die Wettbewerbsfähigkeit nachzuweisen. Innerhalb eines mindestens zweijährigen Prognosehorizonts gilt es, die Fortführungsfähigkeit des Autohauses aufzuzeigen. Quantitative Zielgrößen sind eine mindestens branchendurchschnittliche Rentabilitäts- und Eigenkapitalquote. In der automobilen Praxis bedeutet das, dass Ergebnisse vor Steuern von ca. 1 bis 1,5 Prozent erzielbar sein müssen und Eigenkapitalquoten von mindestens 15 Prozent als erreichbar erscheinen. Die schlüssige Dokumentation muss den unbedingten Fortführungswillen der unternehmerischen Akteure erkennen lassen. Die dauerhafte, wirtschaftliche Stabilisierung muss in einer überschaubaren Zeit erreichbar sein. Dafür ist es unabdingbar, die Verlustquellen en detail zu lokalisieren und möglichst schnell wirksame Beseitigungsstrategien gemeinsam mit der Geschäftsführung zu entwickeln. Regelmäßig und schmerzhaft werden heilige Kühe zur Schlachtbank geführt, wie zum Beispiel der defizitäre Gründerstandort, loyale, aber nicht mehr leistungsfähige Abteilungsleiter und Familienmitglieder, deren Arbeitsbereitschaft und Fleiß zu wünschen übrig lässt. Es gehört zu einem rechtssicheren Sanierungskonzept, dass bereits in dieser Erstellungsphase Sanierungsmaßnahmen eingeleitet werden. Das qualifizierte Sanierungskonzept für Autohausunternehmen stellt sich acht Schlüsselfragen (Abb. 2). Die Kernanforderungen an das Sanierungskonzept sind die 1. abschließende Einschätzung der Sanierungsfähigkeit in Vereinbarkeit mit der Rechtsprechung, 2. die Aufarbeitung der rechtlichen Ausgangslage, die aktuelle Vermögens-, Finanz- und Ertragslage, 3. die gründlichen Analysen des Krisenstadiums, -symptome und -ursachen, 4. das zukünftige, renditeträchtige Geschäftsmodell, 5. die integrierte Autohausplanung sowie 6. die Beschreibung sämtlicher Maßnahmen zur stadiengerechten Abwendung aller Krisenursachen im Autohaus. Schlüsselpartner gewinnen Die Umsetzung des Sanierungskonzeptes erschöpft sich nicht in der Beschreibung dickleibiger Dokumentationen und tapetenlanger Maßnahmenpläne. Eine besondere Bedeutung kommt der Verhandlungsführung zu. Im Automobilhandelsgeschäft spielen die Automobilhersteller bzw. deren Vertriebsgesellschaften eine herausgehobene Rolle. Immerhin resultiert der Unternehmenswert im vertragsgebundenen Automobilhandel eben auch aus dem Vertragsverhältnis mit dem Automobilhersteller. Auf gleicher Höhe gilt es, mit der markengebundenen Automobilbank zu verhandeln, die sich in den letzten Jahren ein sehr professionelles Rüstzeug angelegt haben, Autohäuser in der Krise finanzwirtschaftlich zu begleiten. Die nicht herstellergebundenen Automobilbanken stellen sich in der professionellen Begleitung nicht schlechter dar. Hausbanken, vor allem regionale Kreditinstitute, verfügen in der Zwischenzeit über branchenspezifische Auswertungen und andere Automobilhandelsunternehmen in ihrem Kreditportfolio. Kurzum: Es ist davon auszugehen, dass diese Akteure mit der Schieflage des Autohauses nüchtern und professionell umgehen. Die Sorge der Geschäftsführung, einen Gesichtsverlust zu erleiden, ist insofern unbegründet. In Autohäusern, in denen Mitbestimmung und IG Metall zum Alltag gehören, können die Verhandlungen mit den Arbeitnehmervertretern effizient geführt werden. In der Krise erhöht sich die Bereitschaft auf Arbeitnehmerseite erfahrungsgemäß sehr deutlich, Abstriche an liebgewonnenen und bis dato heftig verteidigten Besitzständen zu akzeptieren. Gleichwohl bedarf es möglicherweise in bestimmten Verhandlungsphasen des verständnisvoll-zugewandten, gleichzeitig robusten Auftritts der Sanierungsberater, um die wichtigsten Stakeholder von dem Sanierungskonzept und den notwendigen Sanierungsbeiträgen zu überzeugen. An dieser Stelle kommt es auch auf die Glaubwürdigkeit und Überzeugungskraft der Unternehmensberatung an. Kurzfassung Kernauftrag des Sanierungskonzeptes ist es, eine nachhaltige Renditefähigkeit, also die Wettbewerbsfähigkeit nachzuweisen. Innerhalb eines mindestens zweijährigen Prognosehorizonts gilt es, die Fortführungsfähigkeit des Autohauses aufzuzeigen. Die schlüssige Dokumentation muss den unbedingten Fortführungswillen der unternehmerischen Akteure erkennen lassen. Eine besondere Bedeutung kommt der Verhandlungsführung zu. Norbert Irsfeld Norbert Irsfeld ist geschäftsführender Gesellschafter der Prudentes Management GmbH. Das Prudentes-Team unterstützt Autohäuser bei der Entwicklung und Umsetzung von Autohausstrategien, berät Autohäuser, die ihr Unternehmen verkaufen wollen oder extern wachsen, setzt interimistisch Autohausgeschäftsführer, Vertriebs- oder Aftersales-Leiter ein und unterstützt Automobilunternehmen in Schieflagen. Norbert Irsfeld ist Lehrbeauftragter für Autohausstrategien an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt in Nürtingen-Geislingen.Norbert Irsfeld c/o Prudentes Management GmbH Schnurgasse 14 - 16 67227 Frankenthal Telefon: +49 62 33 355 889 0 Telefax: +49 62 33 355 889 20 E-Mail: norbert.irsfeld@prudentes.de

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