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Stackmann schreibt: Meine Experten-Prognose im Realitätscheck

Stackmann schreibt ...
Jürgen Stackmann schreibt exklusiv für AUTOHAUS
© Foto: AUTOHAUS

Von Neuzulassungen über Agenturmodelle bis Fahrzeugpreise: Bei AUTOHAUS nimmt Jürgen Stackmann seine große Branchen-Vorausschau 2024 unter die Lupe. Wie viele Treffer konnte der Experte landen, wo lag er daneben?

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Liebe Leserin, lieber Leser,

da bin ich wieder – nach einigen Monaten Pause lockt der Ruf der Tasten wieder. Ich hoffe, es geht Ihnen gut. Das ist nach diesem so ereignisreichen Jahr nicht gerade selbstverständlich. Besonders die Leserschaft aus den Reihen der Hersteller dürfte definitiv mehr graue Haare auf dem Kopf haben als noch zu Jahresbeginn.

Vor meiner großen Vorausschau für das Geschäftsjahr 2025 möchte ich meine im vergangenen Dezember getroffenen Einschätzungen mit der Realität des Jahres 2024 abgleichen: 

Annahme 1 – Das Jahr der Wahrheiten 

Mein Forecast 2024: Wir alle spüren es, der Tag der Wahrheit rückt näher. Während die Branche (gerade Industrie und Handel) in Corona- und Post-Coronazeiten durch massive Preisung der Produkte ein Ventil zur Stabilisierung der Profite gefunden haben, entgleitet uns dieses Instrument mit Perspektive auf 2024 und die Folgejahre. Die E-Mobilität nimmt zumindest im Angebot im Markt rasant an Fahrt auf, Kapazitäten befinden sich im schnellen und kaum mehr stoppbaren Aufbau – und der Staat lässt seine Schlüsselindustrie gleichzeitig kurzfristig im Regen stehen. Die Agenturmodelle vieler Hersteller stehen bereits zum Start unter Performance-Hochdruck, da die Kundennachfrage konjunkturbedingt schwächelt. 

Realität 2024: Ich glaube, dass ich den Nagel ganz Gurt auf den Kopf getroffen habe. Das Jahr der Wahrheit hat sich insbesondere für unsere heimischen Hersteller und Zulieferer eingestellt. 

Annahme 2 – Die Suche nach dem neuen Preispunkt 

Mein Forecast 2024: Die Transaktions-Preise werden sich im Jahresverlauf gegenüber 2023 um bis zu zehn Prozent in den Volumensegmenten senken – natürlich auch mit Folgen für die Gebrauchtwagen-Restwerte. 

Realität 2024: Im Trend richtig, aber in der Höhe in Teilen falsch. Bis Ende September haben sich in den Volumensegmenten die NW-Transaktionspreise um ca. sechs bis sieben Prozent reduziert. Bei den E-Fahrzeugen hingegen um die 13 Prozent. Auch die GW-Preise sind entsprechend gesunken – allerdings verbleiben diese immer noch deutlich über Vor-Covid-Niveau. 

Annahme 3 – Agentursysteme: Theorie trifft Praxis 

Mein Forecast 2024: Die Agenturen – besonders die von Volumenmarken - werden eingeführt, aber über den Jahresverlauf 2024 immer mehr zusätzliche Performance-Anreize für den Handel erhalten. Die Energie der Handelsnetze wird wieder (mehr) geschätzt werden – in den letzten drei Jahren war der Handel ja gefühlt zu einem lästigen "Legacy"-Anhängsel verkommen. 

Realität 2024: Da habe ich die Dynamik echt unterschätzt. Viele Volumenmarken haben den Start der Agentur abgeblasen. Einige prüfen jetzt den Schritt zurück ins Handelsgeschäft. Die Premiummarken bleiben immer mehr unter sich. Wichtig ist aber, dass der Handel wieder eine echte Aufwertung seiner Bedeutung seitens der OEM erfährt. Interessanterweise am deutlichsten seitens der chinesischen Hersteller, die händeringend "good old dealers" suchen.

Annahme 4 – E-Mobilität im Stottergang

Mein Forecast 2024: Die Transaktionspreise für E-Mobile werden weiter zum Teil deutlich sinken, ohne dass der Mainstream-Kunde wirklich erreicht werden kann. Dazu fehlt es noch an bezahlbaren "Jedermann-Autos", die erst Ende 2025 bis 2026 von den Europäern angeboten werden. Die chinesischen Hersteller haben also zwei bis drei weitere Jahre Zeit sich in Deutschland breit zu machen. In Europa werden die Hersteller im Volumenmarkt wohl eher über Kurzarbeit sprechen müssen – vielleicht reagiert ja die Politik zumindest einmal darauf, wenn sie schon keinen langfristigen Plan verfolgen will. 

Realität 2024: Nicht schlecht… der Marktmix an E-Fahrzeugen ist leicht rückläufig, die Chinesen haben auch in diesem Jahr den Durchbruch nicht geschafft. Citroën bringt mit dem e-C3 schon 2024 einen erschwinglichen BEV auf den Markt. Bei den heimischen Herstellern und Zulieferern ist von Kurzarbeit über Entlassung bis zu Werksschließung leider alles dabei – sehr unerfreulich, aber notwendig, um mittelfristig wettbewerbsfähig zu bleiben. Nein, das Jahr 2024 war nichts für Liebhaber der E-Mobilität.

Annahme 5 – Netzkonsolidierung galoppiert weiter

Mein Forecast 2024: Das Jahr 2024 wird weiterhin von vielen Übernahmen, Fusionen, aber auch Geschäftsaufgaben geprägt sein – Tendenz weiter steigend. Der Markt wird sich weiter spreizen zwischen starken lokalen/regionalen Familienbetrieben und Großgruppen. Die mittleren Gruppen stehen unter heftigem Druck und sehen sich im "squeeze". Interessant sind die jetzt steigenden Übernahmen ganzer Gruppen durch ausländische Investoren (p.s. Das ist erst der Anfang).

Realität 2024: Passt. Aber die Resilienz und Anpassungsfähigkeit des Handels überrascht mich immer wieder.

Annahme 6 – Es lebe der Service!

Mein Forecast 2024: Der Service- und Teilebereich gewinnt weiter an Bedeutung für den Handel (und Hersteller). Wer die Zeichen der Zeit erkennt, investiert jetzt in Ausbildung, Personal, Löhne und intelligentes Datenmanagement. Bei aller Unsicherheit und Veränderung im Automobilsektor bietet der Service die konstanteste Größe!

Realität 2024: Der Servicemarkt (in verrechneten Stunden) ist 2024 leicht rückläufig, zumindest beim markengebundenen Handel. Das liegt an den jetzt chronisch niedrigen Gesamtzulassungen und am mangelnden Personal (Leerstellen, Krankheitsquote). Trotz allem ist zu erkennen, dass der S+T Bereich an relativer Bedeutung weiter gewinnt. Wer nicht in Personal und seinen Service investiert, verpennt seine Zukunft. 

Annahme 7 – Gebrauchtwagen, der strategische Gewinner – aber Vorsicht!

Mein Forecast 2024: Stabile Nachfrage und mindestens sechs Millionen Umschreibungen. Die GW-Preise werden – auch durch z.T. deutlich sinkende NW-Preise – weiter fallen. Aktiver Ankauf, aggressives Bestandmanagement und konsequente Preis-Anpassung sind 2024 das A und O. Trotzdem sollte weiterhin in den handelseigenen GW-Bereich investiert werden. 

Realität 2024: Es ist noch besser gekommen! Die Umschreibungen 2024 deuten auf 6,6 Millionen Einheiten hin und damit auf zehn Prozent Wachstum. Na klar, vielen Deutschen fällt der Kauf eines Neuwagens inzwischen finanziell schwer – dann schlagen sie eben bei guten Gebrauchte zu.

Annahme 8 – Ausblick Gesamtmarkt Neuwagen

Mein Forecast 2024: Maximal 2,6 Millionen Neuwagen-Zulassungen in Deutschland – und dies auch nur, wenn die Hersteller ab Januar wirklich aktiv werden.

Realität 2024: Es ist besser gekommen, aber historisch gesehen trotzdem schwach. Ca. 2,8 Millionen Pkw werden wohl dieses Jahr in Deutschland neu zugelassen. Treiber waren ein gutes erstes Quartal (Schnellstart der Marken!), gefolgt von einem sehr schwachen Sommer und Herbst. Im vierten Quartal werden wir wieder sehr viele Werks-, Händlerzulassungen usw. erleben, um CO2-belastende Ware noch in die 2024er Bücher zu schieben.


Zum Autor

Jürgen Stackmann zählt zu den bekanntesten Automanagern Deutschlands. Unter anderem war er im Vorstand der Hersteller VWSeatSkoda und Ford tätig. Er gilt als Experte für die Bereiche Management, VertriebMarketing und Finanzen.

Seit 2021 hat Stackmann einen Lehrauftrag an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU). Zudem ist er Direktor des Institutes für Mobilität an der Universität St. Gallen. Seit 2024 verfasst der Branchenkenner exklusiv die Kolumne "Stackmann schreibt" für AUTOHAUS.




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