HB ohne Filter vom 9. November 2007
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Datum:
09.11.2007Heute mit den Themen: Abschiedsbriefe, Die Opel- und Ford-Malaise, IG-Metall mit neuen Vorzeichen, auto-tipp
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5. November – Montag
Abschiedsbriefe. Ich konnte vor zwei Wochen bei meinem Fiat-Kommentar nicht wissen, dass kurz darauf der Vorstand der Fiat Group, Werner H. Frey, seinen Hut nimmt. Ob aus eigenen Stücken oder von oben anberaumt geht aus seinem Abschiedsbrief an die Händlerschaft nicht hervor. Frey stellt darin umfassend die ausschließlich positive Entwicklung der Fiat-Marken seit seinem Amtsantritt 2005 dar. Der reine Fiat-Glanz! Als schwebte Fiat nur in Höhensphären? Am Schluss seiner Ausführungen widmet Frey der Händlerschaft ganze 2,5 Zeilen. Deren Wortlaut: "Mit Ihnen gemeinsam konnte ich diese Zeit gestalten und steuern. Da ich nun das Unternehmen verlasse (nach zwei Jahren, Anm. d. Redaktion), möchte ich Ihnen ganz herzlich danken für die Unterstützung und den Rückhalt, den Sie mir in dieser Zeit gegeben haben." Da ist nicht ein Satz über die Händlerschaft selbst, über die Netzentwicklung, über gezielte Handelsaktivitäten in dieser Zeit, noch ein Dank für den stetigen Einsatz der Fiat-Händler in dieser schwierigen Zeit zu lesen. Von den zahlreichen Händlerinsolvenzen bei Fiat ganz zu schweigen. Daraus ist abzuleiten, dass dieser Typus von Vorstand keinerlei Markenverwurzelung in sich trägt, geschweige denn die Fiat-Händlerseele je erfasst hat. Diese Art von Vorständen ist austauschbar und kann auf jeden Stuhl gesetzt werden. Heute da, morgen dort, je nach persönlicher Karrierechance.
Um den sprunghaften Typus von Vorständen zu belegen, sei gleich ein zweiter Fall hinterher geschoben. Auch er hat sich von seinem Stuhl nach kurzer, aber markanter Dauer verabschiedet: Dr. Reiner Landwehr. Da sprang man 2003 als Ford-Manager zu Jaguar. Der hoch gepriesene ehemalige BMW-Manager und Luxusphänomen-Autor, Dr. Wolfgang Reitzle und dann im Hause Ford oberster PAG-Manager, hatte ja die Vision, für Jaguar bis 2005 250.000 Einheiten pro Jahr zu verkaufen. Das Jahr 2007 wird bei 70.000 Einheiten enden. Für den deutschen Markt sind 3.500 Einheiten avisiert. Landwehr hielt die Jaguarstellung – wie könnte es anders sein – ganze zwei Jahre, bevor ihn das Angebot von Nissan auf seinem Karriereweg ereilte. Wer auch immer die neue Nissan-Strategie vorgab, Japan oder die Nissan-Europazentrale, sei dahingestellt. Wer auch immer die ominös-üppigen Händlergespräche in London führte und das Heilige vom Himmel herunter versprach und das gewachsene Nissan-Händlernetz zerschlug: Jetzt setzt sich der Vor-Ort-Verantwortliche Landwehr auf einen Reifen-Stuhl bei Goodyear Dunlop Tires ab.
Mag sein, dass ich in Nissan-Fragen zu arg an der Vergangenheit klebe. Zur Zeit eines Harald Wulff und Wolfgang Rentsch lag Nissan auf dem Deutschen Markt immer vor Toyota und deutlich über drei Prozent Marktanteil. Aktuell sind es 1,7 Prozent. Dr. Landwehr sagte in seinem letzten Gespräch in AUTOHAUS 19, S. 20, noch: Die Verkäufe entwickelten sich in die richtige Richtung. Nissan verlor in den ersten neun Monaten 23 Prozent seiner Einheiten in Relation zum Vorjahr. Das ist dann die richtige Richtung! Das Prinzip Hoffnung mit einem Qashquai macht noch keinen Frühling. Und wer wartet in Deutschland schon auf die Luxusmarke Infinity von Nissan? Deshalb stelle ich sehr wohl die Frage: Wer hat den Nissan-Abstieg, der ja auch zu Lasten der Händler ging, zu verantworten?! Zahlreichen verwurzelten Nissan-Händlern hat man den Händlervertrag gekündigt. Stillschweigend wird aufgrund der Marktmalaise toleriert, dass autorisierte Nissan-Händler ihre gekündigten Händlerkollegen weiter still beliefern und sich mit einem Prozent ihrer Handelspanne mit ihrem früheren Händlerkollegen heimlich solidarisch erklären. Fazit: Viele Vorstände bei den Herstellern sind heute keine Stabilitätsfaktoren mehr.
6. November – Dienstag
Die Opel- und Ford-Malaise. Es ist ein Teufelskreis, in dem sich Marken wie Opel oder Ford derzeit bewegen. Auf der einen Seite stimmen die Produkte. Sobald aber Image und Ertrag aufgerufen sind, kommen einem die Tränen. Die Erfahrung zeigt, dass es seine Zeit braucht, bis verlorenes Image wiedergewonnen werden kann. Und Opel wie Ford sind von ihren Mutterkonzernen nun verdammt, nach Jahren des Darbens endlich wieder positive Deckungsbeiträge abzuführen, nachdem die Mütter finanziell angeschlagen sind. Unterscheiden wir diesen mittel- bis langfristigen Aspekt von kurzfristigen Zwängen.
Opel wie Ford sind in starkem Maße vom Endkundengeschäft abhängig. Und das brach je nach Händler und Region in diesem Jahr um 40 Prozent ein. So nicht die letzten Ruhestandsrückstellungen aufgelöst werden, stehen viele, ich betone viele und meine die meisten Händler allein auf roter Flur. Der eigene, mittelfristige Deckungsbeitragsgedanke der Hersteller ist gegenwärtig zu Gunsten der Absatzmenge im Handel zurück zu stellen. Das heißt, es sind für alle Händler gezielte Stützungsaktionen zu fahren. Zum einen sind die Jahreszielplanungen ohne Boni-Verluste im Hinblick auf die Marktnachfrage abzubauen. Zum anderen sind die Lagerwagen wie Vorführwagen zinsfrei zwischen zu finanzieren. 100 Tage! Jedwede Prämie gilt selbstredend auch für Lagerfahrzeuge. Die Händler werden umfassend in der Neu-, Gebrauchtwagen- und Servicewerbung unterstützt. Die Verkaufsmannschaft wird in das Prämiennetz eingebunden. Für die Kunden werden Mobilitätspakete geschnürt, die sie in die Autohäuser "treibt". Jedem Corsa aus Eisenach liegt zum Weihnachtsfest Musik des genialsten Eisenachers, J.S.Bach bei. Für Nichtgläubige eine Bibelübersetzung von Luther von der Wartburg zu Eisenach etc.
Bei einer Veranstaltung bei Auto Staiger in Stuttgart fragte ich unlängst GM-Europa-Chef Carl P. Forster, ob er denn die Person sei, die Opel in Deutschland in personam repräsentiere? Er zog sich argumentativ auf den Teamgedanken zurück. Es fehlt aber u.a. an der Personifizierung der Marke! Und zwar auf allen Ebenen. Die Herren Piëch und Wiededeking kennt jeder Deutsche!
Noch schlimmer sieht die Personifizierung bei Ford aus. Wer ist denn da für was überhaupt zuständig? Ein bisschen Mattes hier, ein bisschen Markenträger Stackmann dort. Und wenn man das triste Pförtnerhäuschen an der Ford-Zentrale zu Köln anschaut, die farb- und schmucklose Verkaufspräsentation im Hauptgebäude, dann atmet das alles andere als "feel the difference". Sie tragen alle den Blitz von Opel oder die Pflaume von Ford nicht mehr auf ihrer Unterwäsche. Und das bei der Slipmarke "Rüsselsheim". Seelenlose Söldner! Wo bleibt die Markendurchdringung?
Mancher zieht sich darauf zurück, dass einige Händler mit den Verkaufs-Aktionen doch ganz gut zurecht kämen, vor allem große Händler. Es muss eben der Hersteller über kostenlose Schulung bzw. Information sicherstellen, dass die kurzfristigen Aktionspakete auch von den Normalbegabten verstanden und auch zügig umgesetzt werden können. Nicht
immer sind die Langsamsten im Geiste auch die Erfolglosesten.
7. November – Mittwoch
IG-Metall mit neuen Vorzeichen. Ohne Frage, mit Berthold Huber steht nun ein Mann an der IG-Metallspitze, der immer wieder die richtigen Fragen stellt und pragmatische Beiträge liefert. Dazu gehört auch die Verständnisebene für den einzelnen Betrieb vor Ort. Mit "Besser statt billiger" wird hier gezielt gegen Arbeitsplatzverlagerung gekämpft, ebenso gegen die überbordende Leiharbeit. Man darf jetzt die Hoffnung anmelden, dass auch neue Tarifmodelle angegangen werden können. Wir brauchen im Kfz-Gewerbe mehr variable Entlohnungsbestandteile sowie wirkungsvolle Modelle für Mitarbeiterbeteiligung am Unternehmen. Wie lange sträubt man sich bei dieser schwachen Kapitalbasis des Gewerbes noch dagegen? An erster Stelle wird Huber dann im Konflikt zwischen dem Porsche- und VW-Betriebsrat gefordert sein. Nachdem Porschechef Wiedeking mental zu geizig ist, die IG-Metallerotikpraxis weiterhin zu finanzieren, werden die Angriffe auf die IG-Metallbesitzstandswahrung zu Wolfsburg zu heftigen Auseinandersetzungen führen. Noch immer verdienen die Wolfsburger Metaller 25 Prozent oberhalb vergleichbarer Arbeiter.
Die Gewerkschaften haben wie die Verbände spürbaren Mitgliederschwund. Auch da gibt es in unserer Branche zwischen den einzelnen Kfz-Innungen erhebliche Leistungsunterschiede. Immer noch sind die meisten Innungen per se zu klein. Wenn man schon nicht fusionieren möchte und an den Ämtern klebt, sollte man zumindest aktiv kooperieren. Schaut man bei Veranstaltungen in die Runde, fehlen auch Frauen und junge Leute. Die Nutzenfaktoren der Verbandsleistungen sind noch besser heraus zu arbeiten. Umgekehrt sind grundsätzlich mehr und mehr Menschen überfordert, an allem teilzunehmen, was selbst an Sinnvollem angeboten wird. Da steht oftmals gar kein schlechtes Ansinnen dahinter, sondern reine Güterabwägung, sprich Konzentration auf die eigenen Prioritäten.
9. November – Freitag
auto-tipp. Schauen sie mal unter www.auto-tipp.com rein. Dort offeriert der bekannte Branchenexperte Erwin Wagner alle zwei Wochen einen kostenlosen Newsletter mit neuen Tipps rund um das Automobilgeschäft. Die Inhalte reichen von Führungsfragen, Dialogannahme, Kundenbindung, Werbung bis hin zu einschlägigen Kennzahlen und originellen Pressezitaten aus dem Automobilgeschäft. Beispiel: "Statt zehn Prozent des Bedarfs von 100 Prozent Kunden, 100 Prozent des Bedarfs von zehn Prozent der Kunden erreichen." – (M. Tominaga)
Spruch der Woche:
"Amerikanische Gehälter,
deutsche Risikoabsicherung,
italienische Sportwagen,
französische Küche,
spanisches Ferienhaus
und Mitarbeiter zu chinesischen Löhnen - das versteht die deutsche Managerelite unter Globalisierung" – Sebastian Erxleben
Mit meinen besten Grüßen
Ihr
Prof. Hannes Brachat
Herausgeber AUTOHAUS
Dipl.-Ing. Volker Indorf
Conradi
Mike Müller