HB ohne Filter vom 30.11.2007
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Datum:
30.11.2007Heute mit den Themen: Abschied von Karl-Heinz Engels, Wachstumsfetisch, Teure Energie?, Aufschwung 2008?, Anti-Feinstaubpolitik
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26. November – Montag
Abschied von Karl-Heinz Engels. Heute saß ich wohl zum letzten Mal mit Karl-Heinz Engels in dessen Wirkzentrum in der Hyundai-Deutschlandzentrale zu Neckarsulm. Nachdem ich ihn journalistisch fast zwanzig Jahre, seit 1988, begleiten durfte, lag mir an einem Abschiedsinterview. In der Jahresschlussausgabe von AUTOHAUS am 19.12. können sie die Würdigung seines Werkes nachlesen. Ein Thema sei aber an dieser Stelle ganz markant festgehalten. Das ist Engels Credo zum Thema Automobilhandel. Lesen Sie, was er dazu zu sagen hat:
"Als Hersteller bzw. Importeur gibt es wesenhaft zwei Erfolgsfaktoren:
Den Hersteller mit seinen Produkten und Leistungen und
Eine professionelle Händlerorganisation.
Wenn sie keine professionell ausgerichtete Händlerorganisation haben, die auch auf der Basis der richtigen Konditionen arbeitet, dann kann man nicht erfolgreich sein. Etwas Gemeinsames tun können sie nur auf der Basis von Vertrauen. Wir haben uns mit den Gremien, im Vorstand, in Arbeitskreisen, bei Regionaltagungen auch in Einzelgesprächen sehr ernsthaft auseinandergesetzt. Wir hatten immer wieder unterschiedliche Auffassungen über unterschiedliche Situationen. Das ging aber nie soweit, dass wir darüber den Kontakt oder die gegenseitige Zuneigung, den gegenseitigen Respekt, die Wertschätzung füreinander verloren hätten. Das ist mir wichtig. Manche haben das Schild mit dem Text auf dem Rücken gebunden: 'Ich komme vom Werk!' Wer das sagt, kann nicht mein Mitarbeiter sein. Man muss doch Respekt vor dem haben, der im Risiko ist. Der Kunde kauft doch nicht unbedingt meine Marke, sondern er kauft den Händler, weil der Händlerbetrieb in Summe ein gutes Produkt ist. Entscheidend ist, dass der Kunde das Vertrauen hat, dass er hier sein Problem gelöst bekommt. Egal, welcher Art.
Wenn ich einem etwas nehme, dann muss ich ihm auch etwas geben. Oder anders, wenn ich etwas gebe, kann ich auch etwas für mich erwarten. Und dieses Prinzip muss ich als der vermeintlich Stärkere, und so trete ich ja als Unternehmer bzw. Hersteller auf, verstehen. Ich bin der Auffassung, muss man im täglichen Geschäft mit dem Handel in der Lage sein, eine Balance zu schaffen. Und derjenige, der diese Balance hinkriegt, ohne das eigene Unternehmen zu schädigen, aber den Händlern das Gefühl gibt, dass wir hinter ihnen stehen, der kann erfolgreich sein. Das war und ist meine Art von Politik!"
Das würde ich ja gerne diversen Herren, Damen haben wir leider immer noch nicht in entsprechenden Automobilpositionen, mit einem kräftigen Hammer und dicken Nägeln an die Wand zimmern. Die Frey-Gruppe ist der einzige (Privat-)Importeur, der ganz offen artikuliert: "Nur wenn der Handel Geld verdient, verdienen wir auch!" Wieder verabschiedet sich mit Karl-Heinz Engels eine "automobile Perle" aus dem operativen Geschäft. Die Offenheit, die Kompetenz, die außerordentliche Eloquenz in der Formulierungsgabe, die rheinische Gelassenheit und der spritzige Humor werden uns in bester Erinnerung bleiben. Man spürt, dass Karl-Heinz Engels lange Jahre seines Wirkens im Schwabenland tätig war. Woher sollte sonst der Liberalismus der Presse gegenüber auch kommen? Dieser setzt Souveränität voraus. Und die hatte Karl-Heinz Engels in hohen Graden. Sein Nachfolger, Werner Frey, wird daran zu messen sein.
27. November – Dienstag
Wachstumsfetisch. Als in Zeiten des "Kalten Krieges" zwischen den beiden Supermächten USA und Sowjetunion das atomare Wettrüsten unbezahlbare Formen annahm, hat man sich – politisch gesprochen – an einen Tisch gesetzt und über die Bedingungen des Abrüstens verhandelt. Wer weltweit die irrsinnigen Wachstumsziele der Automobilhersteller analysiert darf die Behauptung aufstellen, dass da in Zukunft nicht für jeden Konzernlenker die Mengenrechnung aufgehen wird. Volkswagen will allein bis 2010 seine Einheiten von sechs Mio. auf acht Mio. aufstocken. Audi produziert derzeit eine Mio. Fahrzeuge und möchte 2015 weltweit mit seinen 2.500 Partnern bei 1,5 Mio. stehen. Für einen Audi-Händler in Deutschland bedeutet das: So er gegenwärtig 900 Neuwagen verkauft, müssen es 2015 dann 1.300 sein. Und das bei begrenztem Markt. Die Konkurrenz schläft ja nicht. Der Kuchen wird in Deutschland nicht größer. Eher kleiner.
Offensichtlich ist man da in den Herstellerzentralen sehr zuversichtlich. Derweil schaffen es die Hersteller derzeit nicht einmal, das Angebot auf dem gesättigten Inlandsmarkt zurückzufahren und die Übermenge auf Wachstumsmärkten zu platzieren. Außerdem werden Jahr um Jahr noch größere Überkapazitäten aufgebaut. Was nützt eine Produktionskapazität von 90 Mio. Pkw pro Jahr – sie ist inzwischen die Realität (!) –, wenn man gegenwärtig maximal 63 Mio. Pkw verkaufen kann? Abrüsten! Beschränken! Nein, sie rüsten weiter auf und wundern sich, dass auch ihre Rendite schmäler wird.
Wer derzeit über den Teich schaut und die gigantischen Verluste von GM, Ford und Chrysler vor Augen hat weiß, dass diese Konzerne von einer Umsatzrendite von zehn Prozent weit entfernt liegen und Opel wie Ford jeden Cent in die USA abzuführen haben. Man möchte meinen, die Schwindsucht sei ausgebrochen. Da kann selbst ein Vertriebschef in Deutschland nicht mal mehr über 3.000 Euro für eine Händleranzeige befinden. Er muss erst den Marketingleiter befragen. Wir reden aber von der Funktion eines Chefs!
2008 stehen in der Branche 200 neue Modelleinführungen an. Wer kann und will diese Menge noch durchschauen? Selbst die echten Verkaufsexperten an der Front sind hier hoffnungslos überfordert. Manche Marke ist 2008 mit acht Modellen dabei. Wie soll da noch eine wirkungsvolle Markteinführung gelingen? Wenn hier nicht vielfach Einführungsabende mit gedeckten Tischen für VIP-Personen veranstaltet werden, an dem es sich die Zielgruppe mal wieder gratis so richtig gut gehen lässt, läuft nichts mehr. 25.000 EUR sind fort, verkauft wurde nichts. Die Faceliftings bringen noch weniger, weil die echte Modelländerung für 2009 oder 2010 im Detail in der einschlägigen Presse schon vorgestellt wurde und der Kunde lieber auf die echte Innovation wartet. Die grenzenlose Modell-Vielfalt ist ein Irrtum! Die Überfülle wird für den Kunden zum Überdruss und ist für unsere Verkaufsmannschaften nicht mehr beherrschbar. Aber bitte, jeder meint, seine Marke sei davon nicht betroffen!
28. November – Mittwoch
Teure Energie? Benzinpreis ist Brotpreis! Daher ist das Marktgesetz, wonach Angebot und Nachfrage den Preis regelt für Spritpreise in Deutschland nicht durchsetzbar. Oder tun sich ernsthaft neue Marktzwänge auf? Die Internationale Energie Agentur (IEA) macht in ihrem neuesten Weltenergieausblick deutlich, dass der westliche Lebensstil unhaltbar ist, sprich vom Gros der Menschheit nicht übernommen werden kann. Wenn China nun zum größten Klimafrevler avanciert, so liegt das ausschließlich an der Zahl der Einwohner. Offensichtlich muss der Energieverbrauch wehtun, damit im Westen wirkungsvoll auf die Sparbremse gedrückt wird und das Thema Fahren mit Vernunft spürbar greift! Man wird sich nolens volens über kurz oder lang auf ein Tempolimit einrichten müssen, auch wenn es die Fahrfreude und die individuelle Freiheit weiter einengt.
29. November – Donnerstag
Aufschwung 2008? In allem Tun des Menschen ist die Hoffnung der eigentliche Beweger, nicht nur zur Adventszeit. Die Hoffnung ist zugleich die entscheidende Kraft für Erneuerung. Hoffen ist von Freude geprägt. Hoffnung richtet auf, während Hoffnungslosigkeit niederdrückt. Und so klebt jeder an der Hoffnung auf positive Konjunkturperspektiven für das anstehende Jahr. Wir hatten 2005 noch fünf Mio. Arbeitslose. Heute 3,4 Mio. Ein wirklich substanzieller Indikator, der zu Hoffnung Anlass gibt. Ein Jobwunder! Wer hätte das für möglich gehalten? Dennoch, für die 40 Mio. Arbeitnehmer (!) zählt, was auf dem Kontoauszug steht.
Die höhere Mehrwertsteuer schöpft 2007 24 Mrd. Euro Kaufkraft ab. Die höheren Spritpreise auf den Schildertürmen der Tankstellen schluckten weitere zwölf Mrd. Euro unter den Tisch. Und dann kommt noch jene 40 Prozent teurere Butter & Co. hinzu. Mit jeder Krise im mittleren Osten steigen die Ölpreise, in Folge die Gaspreise. Die Renten sollen 2008 für die 20 Mio. Rentenbezieher um 6,50 Euro pro Monat steigen (!). Was soll´s für den Normalkonsumenten, wenn 100 Euro netto mehr auf dem Konto gleich wieder abgeschöpft werden. Bei Vielen kommt der Aufschwung einfach nicht an. Sind das deswegen ewige Unzufriedene? Jammerer? Wirklich nicht!
Die amerikanischen Billighypotheken führen auch für einheimische Institute dazu, dass sie Milliarden-Werte berichtigen müssen. Peanuts? Der Euro-Kurs macht die deutschen Produkte im Ausland teurer. Der Dollar fällt massiv ab. Wer bei diesen Gegebenheiten zwei Prozent Wachstum für 2008 prognostiziert, gehört zu den ganz großen optimistischen Hoffnungsträgern. Fazit: Nach all den Anstrengungen der vergangenen Jahre würden viele mal wieder gerne die angenehmen Seiten des Lebens entdecken. Auch in den eigenen Reihen unserer Branche wären echte strahlende Lichter eine zwingende Notwendigkeit. Ich kann sie für 2008 bei gegebenen Realitäten nicht sehen. Wenn 2008 3,1 bis 3,2 Mio. Neufahrzeugeinheiten geschrieben werden, ist das eine gute Messlatte.
30. November – Freitag
Anti-Feinstaubpolitik. Da wartete die Chance für zwei Mio. Rußpartikelfilter-Nachrüstungen auf die Branche. Erst riet der ADAC den Autofahrern bis zur letzten juristischen Klärung zur Zurückhaltung und die 330 Euro Steuervorteil auszusitzen. Jetzt leisteten sich die Firmen GAT, Tenneco und Bosal den Hammer, Russpartikelfilter auf den Markt zu bringen, die die vorgegebenen Grenzwerte nicht erfüllten. Nun haben sich diverse Verbände für die kostenlose Umrüstung der angeblich 40.000 Fehlumrüstungen ausgesprochen. Es wird zu klären sein, wer hierfür letztlich die Kosten tragen wird.
Der Hammer liegt aber im Irrwitz, dass all jene Autofahrer, die einen fehlerhaften Filter eingebaut haben, diesen eingebaut lassen können und dennoch die Steuervorteile weiter genießen. Das kann ja rechtlich nicht angehen, dass einer die Steuervorteile erhält, obwohl er gleichermaßen "unsauber" ist. Da werden sich die meisten Betroffenen den Gang zu Werkstatt ersparen. Oder ist das die sozialistische Umweltpolitik des Herrn Gabriel, der die Täter vor dem Konkurs "sauber" retten möchte?
Aus Erfahrung ist zu sagen, dass der kostenlose Austausch zumeist zu Lasten der Werkstätten geht. Außerdem sind gar nicht alle betroffenen Betriebe Mitglied der Kfz-Innung. Der Ärger steht wie der Advent, ante portas! Ärgerlich ist die Imagekomponente, die über dem Ganzen liegt. Abermals ist es das Kfz-Gewerbe, das in Summe vorgeführt wird. Außerdem darf man sich nicht wundern, wenn die Politiker freiwilligen Vereinbarungen mit der Wirtschaft einmal mehr misstrauen. Wer trägt die Verantwortung? Wer die Konsequenzen?
Spruch der Woche: "Wir könnten viel, wenn wir zusammenstünden.“ – Friedrich von Schiller
Mit einem speziellen Hoffnungsgruß zum Advent
Ihr
Prof. Hannes Brachat
Michael Tropschug