HB ohne Filter vom 11. Juni 2010
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11.06.2010Heute zu den Themen: Sparpaket, Zinskonditionen in der Bestandsfinanzierung, EU-Parlamentarier und GVO, Temporausch im Hause VW-Audi sowie AUTOHAUS – Fachmedium des Jahres 2010.
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7. Juni – Montag
Sparpaket. Wer immer auch politisch ein Sparpaket zu schnüren hat, ist derzeit nicht zu beneiden. Heute gab die Regierung die geplanten Maßnahmen dazu bekannt. Sie sind die Richtlinien künftigen Regierungshandelns. Der ursprüngliche Koalitionsvertrag ist Makulatur. Begründung des Sparpakets 2010: "Man" darf nicht länger über seine Verhältnisse leben. Als seien bislang lauter Wohltaten verteilt worden oder würden gar die Transferempfänger in Saus und Braus leben. Wer hat die Malaise ausgelöst, die jetzt in Folge zur sparenden Anpassung nötigt? Die Sozialsysteme oder die Euro-Misere, die Bankenkrise, der Finanzkapitalismus? Wer hat die (BP-)Ölpest verursacht? Wirklich nicht die Fischer oder gar die Fische. Sie trifft es aber zuerst.
Die geplante Bankensteuer bezahlen in Folge die Bankkunden. Die Brennelemente-Steuer ist für die Betreiber keine Belastung, wenn sie mit der Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke einhergeht. Die Stellenvermittler sollen sparen. Ein namhafter Teil des Sparpakets besteht also aus Absichten. Die jährlichen Steuervergünstigungen und Subventionen in Höhe von 165 Milliarden Euro wurden einfach ausgeblendet, obwohl hier namhafte Kürzungen denkbar wären. Man schaue sich nur das bizarre System verminderter Mehrwertsteuersätze an, von Blumenhändlern, Experten für künstliche Besamung, Skiliftbetreibern bis zur Hotel-Klientel-Politik der FDP. Warum es bei all diesen Vergünstigungen bleibt, kann ein normaler Lohnempfänger nicht nachvollziehen. Die neue Dienstwagenbesteuerung ist noch immer nicht beschlossen.
Gut wäre auch, die Politiker würden für sich selbst Zeichen setzen. Wer braucht 620 Abgeordnete. Neun Landtage und neun Landesregierungen samt Abgeordneten, Ministerpräsidenten und Beamtenheer könnten eingespart werden. Die "Politiker-Pensionen" gehörten dringlichst den Realitäten angepasst. Nachdem die Kopfpauschale im Gesundheitswesen nicht kommt, werden auf alle Fälle die Zusatzbeiträge für die Krankenversicherten weiter steigen. Vom GEZ-Gebührensystem ganz zu schweigen. Die Pkw-Maut ist ja noch nicht vom Tisch. Auf Einnahmen in Höhe von vier Milliarden Euro durch ausländische Autofahrer auf deutschen Straßen sollte man wirklich nicht verzichten. Man mag es drehen und wenden wie man will, die normalen Arbeitnehmer werden abermals zuerst belastet. Und das zieht auch in der Autowelt weitere Spuren nach sich – von kleineren Fahrzeugen bis hin zur Schwarzarbeit für Wartungs- und Reparaturarbeiten.
8. Juni – Dienstag
Zinskonditionen in der Bestandsfinanzierung. Die Bestandsfinanzierung, also Lagerwagen, Vorführwagen, Gebrauchtwagen, prägt namhaft das Bild der Zinsbelastung. Weshalb bis heute der Bereich der Teile ausgeklammert wird, ist bei entsprechendem Beleihungswert nicht nachvollziehbar. Je nach Marke werden bei den Fahrzeugen grundsätzlich zinsfreie Tage bis zu 90 Tagen und mehr eingeräumt. Die Zinssätze bewegen sich dann je nach Bonität und Volumen beispielsweise bei Ford zwischen 7,49 und 9,99 Prozent, bei Toyota zwischen 7,99 und 13,99 Prozent, bei Fiat um 7,9 Prozent, bei Volvo zwischen 5,4 und 8,3 Prozent oder bei Mercedes-Benz zwischen 2,3 und 4,9 Prozent. Die Refinanzierungsmöglichkeit über diesen Kanal wird offensichtlich pro Marke unterschiedlich angelegt. Die Herstellerbanken führen dazu natürlich intern gründliche Wettbewerbsvergleiche durch.
9. Juni – Mittwoch
EU-Parlamentarier und GVO. Trotz einer einhelligen Resolution, in der die EU-Parlamentarier die GVO 2010 unisono ablehnten, konnte dies in Brüssel nichts mehr bewirken. Dr. Andreas Schwab (CDU), EU-Parlamentarier und binnenmarktpolitischer Sprecher der EVP-Fraktion, sieht die Kfz-GVO 2010 dennoch insgesamt positiv. Er befürchtet allerdings ab 2013 durch die mögliche Rückkehr zum Markenzwang eine Schwächung der Händler. Ihm fiel die Erläuterung zum Ansatz der EU-Kommission dazu zu dünn aus. Schwab: "Wir wollen den Mehrmarkenvertrieb erhalten. Sollte die Kommission tatsächlich Missbräuche im Primärmarkt feststellen, ist darüber nachzudenken, ob nicht der bis 2013 gelten Rahmen zumindest teilweise nochmals zu verlängern wäre. Die EU-Abgeordneten wollen sich während der dreijährigen Übergangszeit im Neuwagenvertrieb weiter für die Stärkung kleiner und mittlerer Unternehmen einsetzen."
10. Juni – Donnerstag
Temporausch im Hause VW-Audi. Das Ziel ist klar: Der Volkswagen-Konzern will 2018 Toyota von Platz eins in der Weltproduktionsliste verdrängen und dann zehn Millionen Fahrzeuge pro Jahr bauen. Über den Weg dorthin herrscht bewusst großes Schweigen. Auf den Wachstumsmärkten China, Indien, Russland und den USA wird eine Fabrik nach der anderen hochgezogen. In China allein will Volkswagen sechs Milliarden Euro in die Fabriken investieren. Der Konzern hat aber schon heute seinen chinesischen Werken ein Exportverbot verordnet. Im Temporausch wird nun ein Baustein neben den anderen gesetzt: Suzuki-Beteiligung, Porsche-Integration, Scania-MAN-Ausbau. Piëchs Zwölf-Marken-Strategie! Jeder weiß um die Welt der italienischen Designschmieden Bertone, Pininfarina und Guigiaro. Jetzt hat sich Volkswagen an Guigiaro mit 91 Prozent beteiligt, um Würfe wie den Golf auch für die Modelle in Indien, China und Amerika abzusichern. Von Seat bis Bugatti unterhält der Konzern aktuell 180 verschiedene Modelle.
Zur konzeptionellen Verschwiegenheit zählt auch die strategische Ausrichtung der Handelsszenerie. Wiko, so das interne Kürzel für Konzernchef Winterkorn, äußerte auf einer Vortragsveranstaltung, dass der Konzern auf eigene Retailbetriebe, sprich Niederlassungen verzichten wolle. Genau das Gegenteil wird aber getan. In Berlin hat man nicht nur den Toyota-Betrieb von Weller für die Marke Volkswagen geschluckt, sondern jetzt zwei weitere Betriebe aus der insolventen Kroymans-Gruppe (Spandau, Tempelhof). Über das Investitionsvolumen schweigt man sich natürlich aus.
Heute fiel der Spatenstich für das größte Audi-Zentrum in Deutschland: Berlin Adlershof. Da werden auf 22.000 Quadratmetern 32 Millionen Euro investiert, Eröffnung Anfang 2012. Hinzu kommen in Berlin die bereits bestehenden Niederlassungen in Charlottenburg, Tempelhof, Lichtenberg und Spandau. Der zukünftige Adlershof-Tower, 31 Meter hoch, soll 16 Neuwagen fassen, obwohl Audi heute schon 24 verschiedene Modelle hat – und 2015 sage und schreibe 45 verschiedene Modelle im Programm haben wird. Wie soll dieses Angebots-Meer untergebracht werden? Audi plant 18 Terminals in deutschen Metropolen. Weltweit sollen es bis Ende 2012 350 Betriebe sein. Es wird also gezielt eine Zweiklassengesellschaft zwischen den Terminals und den Hangars aufgebaut. Die Terminals wird man vorwiegend in Eigenregie betreiben. 70 Prozent der Neuwagenzulassungen laufen über Metropolen. Also sichert man sich als Hersteller das Hauptumsatzpotenzial über den Direktvertrieb ab.
Nun gibt es aber an den Metropolstandorten bereits privatwirtschaftlich organisierte Händlerbetriebe. Was passiert mit denen? Sie werden mit allen Facetten geheuchelter Partnerschaftsvorgaben Zug um Zug an die Wand gedrängt. Sie erhalten beispielsweise einen Vermittlerstatus offeriert. Laufzeit: drei Jahre. Über einen Marketingzuschuss minimaler Art soll ihre Investition abgefunden werden. Über Werkdienstwagen, die ohnehin auch nicht autorisierte Vertriebspartner erhalten, will man sie gefügig machen. Damit man sich die Eigeninvestition in Lackier- und Karosseriearbeiten erspart, dient man den bisherigen Statthaltern einen Kooperationsverbund an. Vergütung pro Lackierstunde 53 Euro, obwohl jeder weiß, dass unter 68 Euro nichts zu holen ist. So wird aktiv Premium gelebt! Was hier wettbewerblich passiert, ist nichts anderes als die Schaffung von Vertriebsmonopolen an Volumenplätzen. Man kauft sich systematisch den Markt, um den Intrabrandwettbewerb an Metropolplätzen auszuschalten. Ob man so zwei Prozent Rendite für die Händler schafft?
11. Juni – Freitag
AUTOHAUS – Fachmedium des Jahres 2010. AUTOHAUS wurde von der Deutschen Fachpresse in der Kategorie Handel/Dienstleistungen zum Fachmedium des Jahres 2010 gewählt. Eine neunköpfige Jury, der auch der Sprecher der Deutschen Fachpresse, Karl-Heinz Bonny, angehörte, überzeugte das vom Chef vom Dienst von AUTOHAUS, Dieter Radl, erstellte Bewerbungskonzept. Dahinter stehen mehrere Leistungsschwerpunkte. 2009 haben wir zusammen mit einer Profi-Agentur AUTOHAUS in der Gesamtkonzeption neu strukturiert. Vorausgegangen war eine umfassende Leserbefragung. Lesegerechte Inhaltpräsentation, Kurzfassungen für den eiligen Leser, dichte Kommentierungen bildeten die Leserprioritäten. Wir haben in Folge den Schrifttypus und die Schriftgröße verändert, mehr und großzügigere Gestaltungsflächen geschaffen, markantere Grafiken eingezogen. AUTOHAUS führte als erstes Magazin in der Branche einen Online-Newsletter ein. Das war 1998. Der Jury gefiel der Verbund zwischen Print- und Online-Medium, genannt die "Cross-mediale Vernetzung". Unter dieses Dach wurden gleichermaßen die verschiedenen Supplements, Studien sowie Veranstaltungen der AUTOHAUS akademie gestellt. Dabei fiel der Jury der starke Praxisbezug auf.
Ich darf mich im Namen aller AUTOHAUS-Mitarbeiter für die Glückwünsche bedanken, die wir zahlreich erhalten haben. In unserer großen Redaktionssitzung haben wir diese Woche die große Drei-Liter-Einheit Schlumberger bruit, mit österreichischen Trauben angesetzt, elegant, perlend, mit fruchtiger Note, "verarbeitet". Die Doppelmagnum hatte uns Burkhard Weller mit origineller Kommentierung übereignet. Ich bedanke mich bei Ihnen, werte Leser, für das Vertrauen, das sie uns vielfach entgegenbringen. Trotz erfreulichem Erfolg wissen wir um unsere Grenzen. Fachmedium Nummer eins zu sein, setzt die Anspruchslatte sehr hoch. Und da bleiben wir weiterhin mit ihrer Unterstützung dran.
Spruch der Woche: "Kleinigkeiten machen die Fülle des Lebens aus."
Mit meinen besten Grüßen und Wünschen für vier turbulente WM-Wochen
Ihr
Prof. Hannes Brachat
Herausgeber AUTOHAUS
Hans von Ohain
Dagmar Willhalm