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HB ohne Filter vom 1. August 2008

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Datum:
01.08.2008

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Heute mit dem Thema: Vom Kommunismus zum Konsumismus – Moskau-Impressionen 2008



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Vom Kommunismus zum Konsumismus – Moskau-Impressionen


Wer aktuell eine Stadt voller Ehrgeiz und Kraft erleben möchte, in der die so genannten Fortschrittsmächte eine Superlative an die andere setzen, dem wird es in Moskau, dem Manhattan an der Moskwa, die Sprache verschlagen. Welche Wandlungen! Toyota hätte seine Freude: Nichts ist unmöglich! Die neuen Fürsten, die Oligarchen, bilden hier im Milliardärsgewand, 74 an der Zahl, die neue herrschende Klasse. Moskau ist heute der Stolz der Russen. Elf Millionen Einwohner sind offiziell registriert. Drei Millionen unterhalten in der Stadt zusätzlich eine kleine Wohnung. Drei Millionen leben dienstlich in Moskau und weitere vier Millionen leben im Gürtel um Moskau herum.


Wandlungen


Wie ehrfürchtig ging es einst auf dem Roten Platz zu. 1922 wurde die Sowjetunion durch Lenin gegründet. Der Göttervater der Kommunisten wird heute noch täglich balsamiert. Mit dem Zusammenbruch des Reiches 1991 wird seine Mumie heute mehr durch ausländische Besucher visitiert, als dass sie noch alte KP-Anhänger anzieht. Jeder erinnert sich an den jährlichen Demonstrativ-Aufmarsch zum 9. Mai, als sich der alte UdSSR-Kader stehend auf dem Leninmausoleum der Parole "alle Produktionsmittel dem Volke" militärisch einschwörte. Unvorstellbar, dass auf diesem historischen Platz heute donnernde Hard-Rock-Konzerte staffinden und jeder Besucher sich mit Lenin-, Stalin-, Breschnejw-Doppelgängern zu unterschiedlichen Preisen ein "lebendiges Foto" schießen lassen kann. Das Putin-Double fehlt noch. Es würde den Höchstpreis bringen. Wer ein praktisches Beispiel für Blasphemie sucht, hier findet er es.


Putin brachte nach den Jahren der Jelzin-Anarchie Ordnung ins Gigantenland. Russland ist heute 17 Millionen Quadratkilometer groß. Deutschland nimmt sich da mit 357.000 Quadratkilometern Fläche recht bescheiden aus. Allein die Zugstrecke von Moskau bis ins sibirische Wladiwostok ist 9.302 Kilometer lang! Auch dieses Maß steht für Superlative. In Moskau wie in St. Petersburg, den beiden größten Städten des Landes, konnte Putin bei den letzten Wahlen über 60 Prozent der Stimmen einholen, wohlwissend, dass diese Städte nicht das Gigantenreich Russland darstellt. Die Mädchen der Kreml-Jugendorganisation "Naschi" tragen Pro-Putin-Slips.


Die politische Macht läuft hier über Premier Putin, den Präsidenten Medwedew und Moskaus Oberbürgermeister Luschkow, dessen Frau nicht nur ein Bauunternehmen betreibt, sondern mit 4,5 Milliarden Dollar Vermögen zur reichsten Frau Russlands avancierte. Man fährt in Moskau an der ehemaligen KGB-Zentrale vorbei, hat informativ aus "alten Zeiten" die Folterkeller vor sich, stellt sich Putin als ehemaligen KGB-Oberst vor und eben jetzt mit diesem Kontrastprogramm an der Spitze der russischen Großmacht, die dabei ist, im globalisierenden Gesamtkonzert eine Vormachtstellung einzunehmen. Was Gas- und Öleinkünfte u.a. als Fundament zur Größe möglich machen!


Das sichtbare Wachstum


Die große kapitalistische Freiheit zeigt sich in Moskau seit gut vier Jahren. Auf vielen Hausdächern bzw. Straßenzügen ragt wie in anderen westlichen Weltstädten die Großflächenwerbung hoch – von Samsung bis Knauf. Alles rund um die Uhr beleuchtet. Natürlich sind die Automarken mit im Boot. Gegenwärtig wächst "Moskwa-City", ein ganz neuer Stadtteil, gebaut auf dem Rücken billiger Gastarbeiter. Das Messezentrum erfährt sichtbare Erweiterung mit einem neuen, großen Kongressareal. Im "Luxury-Village", zugleich am Straßenzug der Begüterten gelegen, die ihre Prachtreviere mit hohen Mauern und privaten Wachleuten schützen, entstand in Zedernfassaden eine Anhäufung von Luxuseinkaufsstätten aller Marken, von Gucci bis Bulgari. Ferrari, Maserati, Harley & Co. mischen an selbigem Standort mit. Wir treffen da keine Käufer an und werden beim Fotografieren über Sicherheitspersonal deutlich, aber höflich abgewiesen. Porsche-Chef Wiedeking gab die Anweisung, sich nicht an dieser glitzernden Luxuswelt mit der Schwabenmarke zu beteiligen. Die Einkaufszentren für die "Normalen", deren Durchschnittseinkommen 700 Euro im Monat ausmacht, huldigen vor allem am Wochenende dem Konsum. Generelle Öffnungszeiten: Sieben Tage, pro Tag 24 Stunden! In den meisten Autohäusern wird von 8 Uhr bis mindestens 20 Uhr gearbeitet. Sieben Tage die Woche! Im Verkauf wie im Service.


Das 3. Rom


Werfen wir einen Blick auf die Christ-Erlöser-Kathedrale. Sie wurde zur "alten Zeit" von den Kommunisten geschliffen und letztlich durch ein sozialistisches Schwimmbad ersetzt. Jetzt wurde das Schwimmbad geschliffen und von 1992 bis 2000 eine neue Giga-Kathedrale an alter Stätte errichtet. Investment: 200 Millionen Dollar. Das wahre dritte Rom – nach Konstantinopel – wäre damit auch sakral geschaffen. Welch ein Kontrast zu den Zockerstätten und Nobeldiskotheken, in denen die große Freiheit Abend für Abend zum grenzenlosen Sündenpfuhl entartet.


Strategische Großkonzepte


Man mag es drehen wie man will, dahinter stehen strategische Genialentwürfe für das Gesamte. Schließlich hat man hier in Moskau nicht nur die gigantische Lomonossow-Universität, deren linkes " Außentürmle" allein so groß ist wie der gesamte Hochschulcampus zu Geislingen. Architektonischer Monumentalismus. 240 Meter hoch. 31 Stockwerke! Das macht einen sehr demütig. In Moskau allein gibt es sage und schreibe 60 Universitäten.


Putin, so wird gesagt, hat die Russen aus ihrer tödlichen Strategie befreit und Russland seinen Stolz zurückgegeben. Trotz der Abspaltung der früheren GUS-Staaten (Gemeinschaft Unabhängiger Staaten) leben heute in Moskau noch 160 verschiedene ethnische Gruppen.


Automobile Aspekte


In Russland sind heute 27 Millionen Fahrzeuge (inkl. Lkw) unterwegs. Die Zulassungsgewichtung der einzelnen Marken hängt u.a. stark damit zusammen, dass heute zwölf externe Marken eigene Montagewerke in Russland unterhalten. Marktführer ist GM mit Chevrolet. 2008 werden ca. 3,8 Millionen Fahrzeuge verkauft werden. Russland ist damit drei Jahre früher als prognostiziert Europas Nummer eins bei den Zulassungen. Allein 2007 ist der Automobilmarkt um 64 Prozent gewachsen. 2008 werden es weitere 40 Prozent sein. Zwar ist auch in Russland der Benzinpreis gestiegen, liegt aber pro Liter bei 70 Cent.


Lada – Die automobile Zukunft


Von den früheren russischen Automobilherstellern (Wolga, Moskwitsch, Saporoshez u.a.) ist einzig Lada in Togliatti übrig geblieben. Im größten Automobilwerk der Welt werden dort jährlich inzwischen eine Million Fahrzeuge produziert. Lada, so sagen die Russen selbst, ist ein Auto, das 6.000 Euro kostet und 6.000 Euro wert ist. Man kann diese Fahrzeuge überall reparieren. Sein Nutzwert ist seine Stärke. Seine Verbreitung ist nicht auf den Moskauer Straßen zu sehen, sondern in der Provinz. Immerhin hat Lada seit seiner Gründung im Jahre 1968 30 Millionen Fahrzeuge produziert. Seit Ende 2007 ist Renault mit 25 Porzent an Lada beteiligt. Kaufpreis: eine Milliarde Dollar. Renault setzte sich gegen Fiat, GM und Magna International durch. Vor 2010 wird man auf dem deutschen Markt keine großen Lada-Vertriebsaktivitäten sehen. Möglich, dass dann die Renault-Händler neben Nissan und Dacia auch noch Lada vertreten werden. Der Lada Niva war schließlich das erste SUV der Branche! Viele deutsche Jäger schwören heute noch auf das unverwüstliche Auto.


Die deutschen Hersteller


Die deutschen Automobilhersteller sind gerade im Premiumbereich in Russland sehr gut vertreten. Mercedes und Audi stehen 2007 mit 15.000 Einheiten an der Spitze, gefolgt von BMW mit 14.500. BMW traut sich mit seinen 63 Filialen in 47 russischen Städten 2008 20.000 Fahrzeuge zu. Nach China und Indien erzielt BMW dann in Russland weltweit das drittstärkste Wachstum. Am 8. Juli lief mit der Präsentation des neuen 7er auf dem Roten Platz der Countdown für die europäische Markteinführung.


Der Automobilhandel in Summe erinnert hier in vielen Dingen an die Grenzöffnung in den neuen Bundesländern. Die Hersteller geben Baustandards vor. Diese werden von freien Händlern baulich und mit Inhalt umgesetzt. Der Mehrmarkenhandel ist keine Seltenheit. Der Gebrauchtwagenmarkt ist noch nicht das eigentliche Thema. Andreas Lange, Chef der VR-Leasinggesellschaft in Russland, erläuterte uns für Russland das Finanzierungsgeschäft. Auch darin werden künftig erfreuliche Wachstumsraten erzielt. Das Wachstum lässt noch in allen Sparten gute Renditen zu.


Bei Olaf Fritscher, einem Oldtimer-Restaurator erfahren wir, dass technische Könnerschaft kein Problem ist. Die Verkehrssituation lässt vielfach kleine Fahrzeuge (Smart & Co.) zur Stunde gar nicht zu. Erste Verkehrsregel in Moskau: Wer zuerst bremst, hat verloren! Da braucht man auf den Straßen einen starken Sicherheitsmantel. Lkws dürfen beispielsweise nur zwischen 22 und 6 Uhr früh ins Stadtzentrum fahren. Stundenlange Staus prägen je nach Wochentag und Uhrzeit den Alltag. Die Kommunisten schafften es noch, achtbahnige Straßenzüge in die Stadt Moskau hinein anzulegen. Unvorstellbar! Hier aber Realität.


Ob die Oligarchen künftig im automobilen Globalgeschäft mitwirken werden? Aktuell haben sie ihre Anteile am Touristikkonzern TUI erhöht. Oleg Deripaska, der reichste Mann Russlands, ist beim Baukonzern Hochtief eingestiegen. Der russische Markt ist den Oligarchen inzwischen zu klein. Sie sind auf alle Fälle die wahren Sieger der verantwortungslosen Privatisierung. Sie kaufen sich nun die fehlende Hightech von außen zu. Wir halten fest: Deutschland ist derzeit Russlands größter Handelspartner. Otto Wolff von Amerongen hat hier als Vorsitzender des Ostausschusses sehr gute Vorarbeit geleistet. Der ehemalige Daimler-Vorstand Klaus Mangold setzt die Arbeit wirkungsvoll fort.


Wir hatten in unserer Reisegruppe um Helmut Peter, Mercedes Benz-Vertreter zu Nordhausen, und Willi Böhler, erprobter AUTOHAUS-Studienreiseleiter, der eben seinen 50. Geburtstag feierte, ein rundes Team aus Thüringen beieinander. Sie konnten alle – gleich unserer Kanzlerin – dank früherer DDR-Beziehungen Russisch sprechen. Das hatte nicht nur kulturelle Vorzüge. AUTOHAUS plant 2009 eine Studienreise nach Moskau und St. Petersburg.


Spruch der Woche:

"In Russland laufen die Bären nicht auf der Straße spazieren, sondern fahren im Maybach." (Sprichwort)


Mit meinen besten Ost-Grüßen


Ihr

Prof. Hannes Brachat

Herausgeber AUTOHAUS


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