Ja, wenn das Wörtchen "Wenn" nicht wär': Im Rechtsstreit mit Porsche über das Design des Erfolgsmodells 911 haben die Erben des ehemaligen Chef-Konstrukteurs Erwin Komenda vor dem Bundesgerichtshof (BGH) einen kleinen Erfolg erzielt. Die Richter und Richterinnen in Karlsruhe hoben am Donnerstag ein Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Stuttgart auf und wiesen die Sache dorthin zur neuen Verhandlung zurück (Az.: I ZR 222/20).
In Stuttgart war Komendas Tochter Ingrid Steineck im ersten Durchgang abgeblitzt mit ihrer Forderung auf finanzielle Beteiligung von maximal fünf Millionen Euro. Doch ob ihr diese nun im zweiten Verfahren zuteilwird, hängt von sehr vielen "Wenns" ab. Denn in wesentlichen Punkten bestätigte der erste Zivilsenat am BGH die Argumentation der Vorinstanz. Demnach stünde Steineck keine Beteiligung am wirtschaftlichen Erfolg des 911 zu, für den Käufer und Käuferinnen sechsstellige Beträge hinlegen.
Doch der Senat stieß sich an einer Formalie: Die Klägerin hatte im Berufungsverfahren am OLG nämlich ihren Ehemann als Zeugen dafür benannt, dass ihr Vater diesem bei einem Besuch an seinem Arbeitsplatz klargemacht habe, dass der Porsche 911 und dessen Karosserie "sein Auto, sein Entwurf" gewesen seien. Das Stuttgarter Gericht habe sich damit aber nicht befasst, bemängelte der BGH.
Gericht in Stuttgart muss erneut entscheiden
Zwar sei dieser mögliche Beweis erst nach Ablauf einer Frist zur Begründung der Berufung eingereicht worden. Das OLG hätte sich aber damit auseinandersetzen müssen, ob er dennoch zulässig sei, urteilten die BGH-Richterinnen und -Richter. Darüber muss das Gericht in Stuttgart nun in einem neuen Verfahren entscheiden.
Die Zeugenaussage könnte zumindest ein Indiz für die Urheberschaft Komendas am 911er liefern, begründete der Vorsitzende Richter Thomas Koch die Entscheidung. Sollte das OLG nun zu dem Schluss kommen, dass das Beweisangebot bei der Bewertung des Sachverhalts berücksichtigt wird, ist damit längst nicht gesagt, dass Steineck Recht bekommt.
Zunächst müsste die Aussage als glaubwürdig und gewichtig eingestuft werden. Und da es in dem Verfahren konkret um eine 911er-Baureihe Jahrzehnte nach Komendas Tod 1966 geht, müsste noch geklärt werden, inwiefern sich sein Beitrag am Ursprungsmodell hier wiederfindet.
Dem Autobauer zufolge stammt der Entwurf des 911er von Ferdinand Alexander Porsche. Das Unternehmen teilte nach der Urteilsverkündung mit: "Die Porsche AG geht unverändert davon aus, dass das Urteil des OLG Stuttgart zugunsten von Porsche im Ergebnis bestehen bleiben wird. Unabhängig hiervon wird die Porsche AG auch weiterhin das Wirken von Erwin Komenda für das Unternehmen angemessen würdigen."
Freude über neuerliche Prüfung
Familie Steineck freute sich in einer Reaktion, "dass die Urheberschaft des 911 am OLG neuerlich gerichtlich geprüft wird". Aus ihrer Sicht wurde das Urmodell über alle Modelle von 1948 bis 1980 kontinuierlich weiterentwickelt und ist nicht verblasst.
Womöglich hätte eine klare Entscheidung des BGH zumindest den Rechtsstreit schlichten können. Die Fronten zwischen Porsche und den Komenda-Erben sind aber verhärtet, wie ein Blick zurück zeigt. Seine Enkelin hielt 2014 eine Pressekonferenz ab, um unter dem Titel "Der Porsche-Schwindel" aufzuklären, wer aus ihrer Sicht für die Entwürfe der sogenannten Porsche-DNA verantwortlich ist. Der Autobauer wiederum verwehrte den Zutritt zum hauseigenen Archiv, wie Richter Koch in der mündlichen Verhandlung im Dezember gesagt hatte. Steinecks Anwalt sprach sogar von einem Hausverbot.
Und der Porsche-Fall ist auch nicht der einzige Rechtsstreit dieser Art: Die Familie hatte Ansprüche gegen den Mutterkonzern Volkswagen wegen des Designs des VW Käfers und seines Nachfolgers New Beetle geltend machen wollen. Erst vor kurzem wies das Oberlandesgericht Braunschweig die Berufung der Erbin ab und bestätigte die Entscheidung des Landgerichts, wonach ihr kein Anspruch auf eine Beteiligung am Erfolg des VW-Käfers zustehe (Az.: 2 U 47/19).
Komenda als Urheber des 911er-Vorgängermodells 356 unbestritten
Komenda, der bei Porsche zuletzt 5.420 D-Mark im Monat verdiente, ist indes - juristisch unbestritten - Urheber der äußeren Gestaltung der Karosserie für das 911-Vorgängermodell 356. Mit runden Scheinwerfern, einem abfallenden Heck und einer flach nach vorn zulaufenden Frontpartie ist das Auto darüber hinaus gerichtlich bestätigt ein "Werk der angewandten Kunst". Dass solche Elemente aber im Design des Porsche 911 wiederzuerkennen seien, hatte schon das OLG Stuttgart verneint - und daran hatte der BGH nichts auszusetzen.