Gibt ein Unfallgeschädigter sein Fahrzeug zur Instandsetzung in eine Fachwerkstatt, nimmt er häufig für die Dauer der Reparatur einen Mietwagen direkt von der Werkstatt in Anspruch. Die hierfür anfallenden Kosten können gegenüber dem Unfallschädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung grundsätzlich als Schadensersatz geltend gemacht werden. Handelt es sich bei dem Mietwagen allerdings um einen von der Werkstatt zur Verfügung gestellten Vorführwagen oder sonstigen Werkstattersatzwagen und nicht um ein speziell hierfür zugelassenes Selbstfahrer-Mietfahrzeug, erfolgen durch die Haftpflichtversicherungen regelmäßig Einwendungen sowohl zur Höhe wie auch zur grundsätzlichen Ersatzfähigkeit der Mietwagenkosten. Einige Gerichte haben derartige Einwendungen in jüngster Zeit kritisch beurteilt.
Ein Unfallgeschädigter kann nach § 249
BGB als sogenannten "erforderlichen Herstellungsaufwand" grundsätzlich den Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte. Er ist hierbei nach dem sog. Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen Wegen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen.
Von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt - für alle Fahrzeugmieter und nicht nur für Unfallgeschädigte - erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs kann er daher grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis als zur Herstellung objektiv erforderlich ersetzt verlangen (vgl. BGH, Urteil vom 12. Februar 2019 - VI ZR 141/18).
Für die Einwertung von angemessenen Mietwagenpreisen für Selbstfahrer-Mietfahrzeuge gibt es die Erhebungen der Schwacke GmbH und der Fraunhofer-Gesellschaft. In der Regulierungspraxis wie auch in der Rechtsprechung wird für die Schätzung von Mietwagenkosten teilweise auf die Erhebungen der Schwacke GmbH, teilweise auf die der Fraunhofer-Gesellschaft zurückgegriffen. Darüber hinaus werden die Mietwagenkosten auch auf "Fracke"-Grundlage geschätzt; es ist dies ein arithmetisches Mittel der Preise aus der Liste der Fraunhofer-Gesellschaft und der Liste der Schwacke GmbH. Die Unterschiede der Listenpreise sind zum Teil erheblich und führen mitunter zu stark abweichenden Schadensersatzansprüchen. Die Schätzungen nach vorstehenden Listen gelten allerdings nur für Selbstfahrer-Mietfahrzeuge, vergleichbare Listen für Werkstattersatzwagen gibt es nicht.
In der Regulierungspraxis wird wiederholt eingewandt, dass bei der Anmietung eines Werkstattersatzfahrzeugs nicht ohne Abzüge auf die Schwackeliste oder den Fraunhofer-Mietpreisspiegel abgestellt werden könne, da diese Listen sich auf Selbstfahrer-Mietfahrzeuge beziehen und die Kosten für solche Fahrzeuge höher seien als diejenigen für die Vorhaltung eines Werkstattersatzfahrzeugs. In der Konsequenz werden von Haftpflichtversicherungen wiederholt die Mietwagenkosten für einen Werkstattersatzwagen nicht in Rechnungshöhe, sondern mit einem Minimalbetrag reguliert.
Weitere Einwendungen: Weil der Geschädigte kein normales Mietfahrzeug gemietet habe, müsse davon ausgegangen werden, dass der Geschädigte mit der Reparaturwerkstatt günstige Sonderkonditionen vereinbart habe. Darüber hinaus verhalte sich eine Werkstatt, die einen Werkstattwagen an einen Reparaturkunden vermietet, wettbewerbswidrig, weil ein Werkstattwagen an einen selbstfahrenden Werkstattkunden vermietet werde, ohne dass zuvor eine solche Verwendung gegenüber der Zulassungsbehörde angezeigt und in die Fahrzeugpapiere eingetragen wurde; eine Erstattungsfähigkeit von Mietwagenkosten für einen Werkstattersatzwagen sei deshalb ausgeschlossen.
Das Amtsgericht (AG) Rheine hat mit Urteil vom 31. August 2023 (Az. 14 C187/22) entschieden, dass im Rahmen der Erstattung von Mietwagenkosten nach einem Verkehrsunfall es unerheblich ist, ob der Mietwagen als Werkstattwagen oder als Mietfahrzeug für Selbstfahrer zugelassen ist, da das Mietverhältnis zwischen Vermieter und Mieter für den Schadensersatzanspruch des Geschädigten gegenüber dem Schädiger keine Rolle spielt. Auch muss nach diesem Urteil der Geschädigte von der Werkstatt nicht darüber aufgeklärt werden, ob er einen Werkstattwagen oder ein Mietfahrzeug für Selbstfahrer als Unfallersatzwagen erhält. Den Geschädigten trifft insoweit auch keine Nachfragepflicht.
Besonders an diesem Prozessverfahren ist, dass das Amtsgericht Rheine Beweis erhoben hat zur Frage, ob ein Werkstattwagen betriebswirtschaftlich günstiger ist als ein Mietfahrzeug für Selbstfahrer. Der vom Amtsgericht eingeschaltete gerichtliche Sachverständige kam zum Ergebnis, dass für einen "einfachen" Werkstattersatzwagen die Aufwendungen für Zulassung, jährliche Hauptuntersuchung, Versicherungsprämien, Verwaltung, Steuern, Wartung, Betrieb, Anschaffung, Verwaltung und der Wertverlust in etwa genauso hoch sind wie die Aufwendungen, die ein gewerblicher Autovermieter für Selbstfahrer-Mietfahrzeuge hat.
Nach dem Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Saarbrücken vom 26. Mai 2023 (Az. 3 U 20/23) soll Folgendes gelten: Ob ein Kfz-Reparaturbetrieb ein Fahrzeug als Selbstfahrer-Mietfahrzeug führt oder nicht, ist für einen Unfallgeschädigten regelmäßig weder erkennbar noch von Belang. Ein unbefangener Geschädigter kennt in der Regel nicht den Unterschied zwischen Selbstfahrer-Mietfahrzeugen und Werkstattersatzwagen, zumal dem Geschädigten die hinter der Vermietung stehenden betriebswirtschaftlichen Mechanismen nicht bekannt sein müssen. Damit sind nach dem Urteil des OLG Saarbrücken die Mietwagenkosten nach einem Normaltarif auszugleichen, wie dieser auch für Selbstfahrer-Mietfahrzeuge gilt.
Auch der Einwand der Wettbewerbswidrigkeit der Vermietung eines Werkstattersatzwagens war für das OLG Saarbrücken kein Argument. Denn ungeachtet der (tatsächlich vorhandenen) Wettbewerbswidrigkeit der gewerblichen Vermietung von Werkstattersatzfahrzeugen (siehe hierzu Brandenburgisches OLG, Urteil vom 28. November 2017, Aktenzeichen 6 U 23/16) handelt es sich bei der Zurverfügungstellung eines Werkstattersatzfahrzeugs um einen "Dienst am Kunden" der jeweiligen Werkstatt.
Der Geschädigte hat daher nicht die Möglichkeit, einen Werkstattersatzwagen bei einer anderen als der von ihm beauftragten Werkstatt anzumieten; einen Markt für Werkstattersatzwagen gibt es insoweit nicht. Für das OLG Saarbrücken ist die Frage, ob es sich bei einem von der Werkstatt angebotenen Unfall-Ersatzfahrzeug um ein Selbstfahrer-Mietfahrzeug oder um einen Werkstattwagen handelt, im Verhältnis zum Schädiger unbeachtlich.
Rechtsanwalt Rainer Bopp / kanzlei@raehaug-partner.de / www.haug-partner.de