Die Abgabenordnung sieht vor, falls eine Steuer nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstags entrichtet wird, so ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von einem Prozent des abgerundeten rückständigen Steuerbetrags zu entrichten.
Folgender Sachverhalt lag der Entscheidung des BFH zu Grunde.
Der Kläger wurde im April 2016 zum Insolvenzverwalter über das Vermögen des Insolvenzschuldners Z bestellt. Im Juni 2016 meldete das Finanzamt verschiedene Abgabenforderungen zur Tabelle an, u.a. auch Säumniszuschläge für den Zeitraum März 2015 bis April 2016. Der Kläger bestritt die vom FA angemeldeten Forderungen im Prüfungstermin im Juli 2016. Mit Schreiben vom 7. September 2017 erließ das FA wegen der Insolvenz die Hälfte der zur Insolvenztabelle angemeldeten Säumniszuschläge. Über die andere Hälfte erging ein Feststellungsbescheid. Gegen diesen wendete sich der Kläger im Rahmen eines Einspruchsverfahrens und einer Klage vor dem Finanzgericht, jedoch ohne Erfolg.
Zur Begründung der Revision vor dem BFH trägt der Kläger vor, Säumniszuschlägen würden in ihrer Funktion als Druckmittel gegenstandslos, wenn der Steuerschuldner aufgrund Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung nicht mehr zur rechtzeitigen Zahlung angehalten werden könne. Deshalb seien dem Steuerschuldner in einem solchen Fall ‑ wie hier geschehen ‑ 50 Prozent der Säumniszuschläge nach § 227 AO aus sachlichen Billigkeitsgründen zu erlassen. Dieser Erlass bewirke rechnerisch eine Verminderung der Säumniszuschläge von zwölf Prozent p.a. auf sechs Prozent p.a. und orientiere sich nach der Rechtsprechung des BFH an der Höhe der Zinsen im Falle der Aussetzung der Vollziehung oder der Stundung. Damit würden 50 Prozent der Säumniszuschläge rechnerisch ein fester Zinssatz, nämlich sechs Prozent p.a., zugewiesen. Die Feststellung der Säumniszuschläge in Höhe von sechs Prozent p.a. sei nicht verfassungsgemäß.
Die Revision wurde vom BFH unter anderem wegen nachfolgender Gründe als unbegründet zurückgewiesen:
- Die vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in seinem Beschluss vom 08.07.2021 herausgearbeiteten Grundsätze, nach denen die Verzinsung nach §§ 233a, 238 AO in Höhe von 0,5 Prozent pro Monat für Verzinsungszeiträume ab dem 1. Januar 2014 mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar ist, lassen sich nicht auf Säumniszuschläge übertragen.
- Säumniszuschläge nach § 240 AO lassen sich mit der Verzinsung von Steuernachzahlungen und Steuererstattungen nach §§ 233a, 238 AO nicht vergleichen. Hinsichtlich der Säumniszuschläge fehlt es bereits an einer Ungleichbehandlung vergleichbarer Sachverhalte; eine Ungleichbehandlung zwischen zinszahlungspflichtigen Steuernachzahlern und säumniszuschlagszahlungspflichtigen Steuerpflichtigen ist mangels vergleichbarer Sachverhalte nicht gegeben.
- Der im Vergleich zu den Zinsen doppelt so hohe Säumniszuschlag ist in erster Linie ein Druckmittel eigener Art zur Durchsetzung fälliger Steuern und erfüllt primär eine pönale Funktion. § 240 AO verfolgt das Ziel, den Bürger zur zeitnahen Erfüllung seiner Zahlungsverpflichtungen anzuhalten und die Verletzung eben jener Verpflichtung zu sanktionieren. Daneben ist der Säumniszuschlag Gegenleistung bzw. Ausgleich für das Hinausschieben der Zahlung fälliger Steuern und dient letztlich auch dem Zweck, den Verwaltungsaufwand der Finanzbehörden auszugleichen.
- Die Ausführungen des BVerfG, mit denen es eine Erstreckung der Unvereinbarkeitserklärung auf die anderen Verzinsungstatbestände, namentlich auf Stundungs-, Hinterziehungs- und Aussetzungszinsen nach den §§ 234, 235 und 237 AO, abgelehnt hat, lassen sich zudem auch auf Säumniszuschläge nach § 240 AO übertragen.
Hinweis:
In dem obigen Fall hat der VII. Senat des BFH die Revision zurückgewiesen. Interessant ist, dass vor dem X. Senat des BFH ebenfalls ein Revisionsverfahren zur Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Säumniszuschläge anhängig ist. Es bleibt abzuwarten, wie der XI. Senat entscheidet.