Dekra: Im Nano-Skalenbereich

Seit Jahren schon sollte die Abgasuntersuchung um die Partikelzählung bei Dieselfahrzeugen ergänzt werden - und wurde immer wieder verschoben. Mit der 2021 verabschiedeten "Änderung der Richtlinie für die Durchführung der Untersuchung der Abgase von Kraftfahrzeugen nach Nummer 6.8.2. der Anlage VIIIa Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO)" kam es schließlich dazu, dass mit dem 1. Januar 2023 auf politischer Seite ein Stichtag festgesetzt wurde, ab dem die Trübungswerte im Abgas nicht mehr ausreichen und die emittierten Abgaspartikel der Euro-6-Diesel gemessen werden müssen. Ziel der neuen Messmethode ist es, die Effizienz des verbauten Dieselpartikelfilters zu überprüfen. Die Partikelkonzentration soll dazu beitragen, mangelhafte Filter schneller zu erkennen und so die Umwelt zu schonen. Mittlerweile ist dieser Stichtag auf den 1. Juli 2023 verschoben worden. Über diese letzte Verzögerung auf der Zielgeraden war man bei Dekra wenig begeistert, da man schon zum proklamierten Start im Januar bereit gewesen wäre, Partikelzähler sowohl stationär, nämlich im akkreditierten Labor in Stuttgart, als auch vor Ort beim Kunden, zu kalibrieren. Nun war man dazu gezwungen, abzuwarten. Schlimmer noch: 5.000 nagelneue Partikelmessgeräte, welche die Prüforganisation angeschafft hatte und die noch nie im Einsatz waren, müssen bald sukzessive zur Neu-Kalibrierung. Ein Tribut an die gesetzlichen Vorgaben und die Gewissenhaftigkeit und Komplexität, mit denen im Nanoskalenbereich der Partikelzählung gearbeitet wird. Präzision im Nanometerbereich Wie komplex das Thema ist, wird am Aufbau und Vorgehen deutlich, mit dem die Kalibrier-Experten die korrekte Funktion der bereits in vielen Autohäusern und Werkstätten vorhandenen Partikelzähler, welche im Zuge der Euro-6-Abgasnorm notwendig geworden sind, sicherstellen. Hierfür kommen gleich mehrere Geräte zum Einsatz. In einem ersten Schritt müssen die Partikel, die später gezählt werden sollen, erzeugt werden. Bei dem für die Simulation verwendeten Aerosol, welches die Diesel-Abgase simulieren soll, handelt es sich um eine Salz-Lösung. Diese trocknet an der Luft und übrig bleiben Salzkristalle, deren Größe idealerweise 70 Nanometer beträgt. Klingt einfach, ist in der Praxis aber alles andere als trivial, schließlich handelt es sich um Größenordnungen im Milliardstel-Meter-Bereich. Die hierbei entstandenen Salzkristalle seien zwar gut abbaubar und gefährdeten auch die Gesundheit nicht, erklärt Arne Kuntze, Leiter des Akkreditierten Kalibrierlabors der Dekra Automobil GmbH, die kristalline Struktur unterscheide sich aber auf atomarer Ebene von den im Abgas vorkommenden Kohlenstoffatomketten. Aus diesem Grund verwende man zudem einen Partikelgenerator, der Propanruß emittiere. Um die korrekte Anzeigengenauigkeit des Kalibriergegenstands sicherzustellen, wird das Aerosol mit dem Referenzmesser und dem Kalibriergegenstand vermessen. Eine Aerosol-Verteilung sorgt dafür, dass das erzeugte Salz-Aerosol gleichmäßig auf ein angeschlossenes Referenzgerät und den zu kalibrierenden Gegenstand zugleich geleitet wird. Gesetzgebung mit Augenmaß Im Zuge der komplexen Herstellung dieser Partikel sei es kaum vermeidbar, dass durch das Referenzgerät auch Partikel mit 120 oder 20 Nanometern Durchmesser erzeugt werden, erklärt der Leiter des Kalibrierlabors. Bei der Partikel-Produktion gehe es daher in erster Linie darum, dass die 70-Nanometer-Partikel die Spitze der Größenverteilung bildeten. Eine der größten Herausforderungen der Kalibrierung ist es ferner, sicherzustellen, dass der Partikelgenerator über den gesamten Zeitraum von zwölf Monaten hinweg vorrangig Partikel dieser Größenordnung emittiert. Ist das nicht der Fall und das Referenzgerät emittiert beispielsweise vorrangig 50-Nanometer-Partikel, "sorgt das dafür, dass ein vom Hersteller auf 70 Nanometer getunter Zähler schnell große Abweichung bei der Kalibrierung zeigt", erklärt Kuntze. Das Problem hierbei: "Ob ein Gerät driftet und ob es eine Veränderung gibt, weiß im Grunde niemand, weil diese Messgröße so neu ist." Der Gesetzgeber habe aus diesem Grund "ein Riesen-Scheunentor an Toleranz offengelassen", welches eine Abweichung um ±75 Prozent erlaubt, wobei der Messwert in Kombination mit der Messunsicherheit mit einer Wahrscheinlichkeit von 95 Prozent in diesem Rahmen liegen muss. Vorsicht ist besser als Nachsicht Weil der für die Kalibrierung eingesetzte Partikelgenerator selbst eine Art Blackbox ist und derzeit noch niemand einschätzen kann, ab wann ein solcher Drift gerade im Gange ist und es in der Folge zu einem verfälschten Messergebnis bei der Partikelzählung kommt, sammelt Dekra derzeit belastbare Daten abseits der Herstellerangaben. Jeder zehnte Generator geht daher nach nur drei Monaten Einsatzzeit zur Kontrolle ins Kalibrierlabor nach Stuttgart. "Derzeit schießen wir hier mit Kanonen auf Spatzen", so Kuntze. Der Experte rechnet damit, dass der Überwachungszeitraum nach einem Jahr von drei auf sechs und später wahrscheinlich sogar auf zwölf Monate angehoben wird. Schließlich geht mit der Akribie der Laborarbeit auch ein erheblicher finanzieller Aufwand einher, da jeder Partikelgenerator per Spedition transportiert werden muss, um die empfindliche Technik zu schützen. Partikelzählung Bei der Kalibrierung von Partikelzählern im Feld müssen die vom Referenzgerät, also dem Partikelgenerator, emittierten Partikel mit dem Zählergebnis des Kalibriergegenstands, also des später in der AU verwendeten Zählgeräts, abgeglichen werden. Hierfür platziert der Kalibriertechniker jeweils eine Sonde am Ausgang des Partikelgenerators. Bei der Partikelzählung gibt es zwei unterschiedliche Ansätze, was die Messprinzipien angeht. Das eine Prinzip vergrößert die Partikel durch Zugabe von Alkohol, was so das optische Zählen der nun vergrößerten Partikel ermöglicht, das andere ermittelt die Anzahl, indem die Partikel geladen werden und anschließend einen faradayschen Käfig passieren. Eine dort implementierte Widerstandsmessung lässt Rückschlüsse auf die emittierte Partikelanzahl zu. Während bei den bereits im Einsatz befindlichen AU-Messgeräten gut und gerne eine Stunde Zeit für die Kalibrierung veranschlagt werden muss, sind es beim Partikelzähler nur rund 30 Minuten, erklärt Kuntze. Nicht mitgerechnet sei in diesem Fall der komplexe Messaufbau sowie die im Vorfeld der Kalibrierung durchzuführenden Messungen. Auch die Konditionierung, gemeint ist damit, dass sich Mess- und Referenzgeräte auf demselben Temperaturniveau befinden, muss im Vorfeld sichergestellt werden, um Ungenauigkeiten bei der Messung zu vermeiden. Für die Werkstatt zählt am Ende nur die Frage, ob der Partikelzähler nach der Kalibrierung wieder einsatzfähig ist. Daher stellt Dekra nach der Kalibrierung eine entsprechende Konformitätsbestätigungen aus, welche im Falle einer erfolgreich durchgeführten Kalibrierung bestätigt, dass das kalibrierte Gerät weiterhin für die Abgasmessung geeignet ist. Für andere Messgeräte, die als Voraussetzung zur Nutzung im Rahmen einer Abgasuntersuchung kalibriert werden müssen, gibt es wiederum ganz eigene Kalibrierverfahren - und entsprechende Zertifikate, beispielsweise eine Gasmessung mithilfe von Referenzgasgemischen sowie eine Trübungsmessung. Diese Geräte sind derzeit bereits im Einsatz.

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