Von asp-Redakteur Alexander Junk
Angesichts drohender Fahrverbote in einigen Metropolen diskutieren Experten über eine Hardware-Nachrüstung älterer Diesel-Fahrzeuge. Fest steht, dass sich mit Optimierungen im Verbrennungsprozess und der Abgasnachbehandlung auch ein Diesel der Euro-5-Norm auf das Abgas-Niveau eines Euro-6-Selbstzünders bringen lässt. Dafür gibt es momentan zwei Alternativen: eine Lösung per Software und die Nachrüstung eines zusätzlichen SCR-Katalysators (Selective Catalytic Reduction), der auch bereits in vielen Euro-6-Fahrzeugen zum Einsatz kommt. Das Software-Update ist einfach und günstig umzusetzen - auch deshalb gehört es zu dem auf dem Dieselgipfel Anfang August beschlossenen Maßnahmenpaket. Jedoch sind laut fachlicher Meinung nur SCR-Katalysatoren in der Lage, Stickoxide (NOx) wirksam unter allen Bedingungen zu reduzieren. Dabei wird eine Harnstofflösung (Vorstufe zu Ammoniak) dem Abgas beigemischt, die Stickoxide in Wasser und Stickstoff umwandelt. Das Verfahren setzt einen zusätzlichen Tank mit Harnstofflösung ("Adblue") voraus, der im Fahrzeug untergebracht wird und regelmäßig nachgetankt werden muss.
Nachrüstung für 1.500 Euro
Twintec-Baumot als Spezialist für Abgas-Nachbehandlungen hat mit BNOx einen SCR-Katalysator als Prototypen vorgestellt, der sich in Euro-5-Fahrzeugen nachrüsten lässt. Ursprünglich war das System für den Einsatz in großen Motoren von Bussen, Lkw und Land- sowie Baumaschinen entwickelt worden, wurde dann jedoch auch für Pkw realisiert. Euro-5-Fahrzeuge könnten dadurch die Stickoxid-Grenzwerte eines Euro-6-Fahrzeuges erreichen und es ließen sich Fahrverbote in den Städten entgehen.
Die Kosten des Systems belaufen sich laut Hersteller auf rund 1.500 Euro zuzüglich Einbau, was sich bei einem relativ neuen Euro-5-Dieselfahrzeug lohnt. Der Einbau würde rund einen halben Tag in Anspruch nehmen und den ausführenden Werkstätten angesichts der Zahl von Euro-5-Fahrzeugen volle Auftragsbücher bescheren. Die Funktionsweise des BNOx-Systems ähnelt der von herkömmlichen SCR-Katalysatoren: Die wässrige Harnstofflösung wird dem Adblue-Tank entnommen und über ein Dosiersystem in den BNOx-Generator (Ammoniak-Generator) eingesprüht, in welchem die Aufbereitung zu Ammoniak stattfindet. Das erzeugte Ammoniak wird über den Mischer in das Abgasnachbehandlungssystem eingeleitet und sorgt dort für die selektive katalytische Reduktion.
Für die Aufbereitung steht dem Generator Energie aus dem Abgasteilmassenstrom zur Verfügung, welcher aus dem Abgaskrümmer vor dem Turbolader entnommen und passiv über eine Blende gesteuert wird. Zusätzlich ist der Generator mit einem Heizkatalysator ausgestattet, der bei tiefen Temperaturen auf elektrische Energie zurückgreift. Die erforderliche Heizleistung und die Ammoniak-Dosiermenge wird über das Abgassteuergerät (ACU) aus den Betriebsdaten und der Systemsensorik aus Temperatur- und NOx-Sensoren ermittelt. Da das Ammoniak beim BNOx-System im Gegensatz zu herkömmlichen SCR-Systemen direkt in den Abgasstrom eindosiert wird, ergeben sich laut Twintec mehrere Vorteile: Das System funktioniert bereits ab einer Abgastemperatur von 150 Grad Celsius, was gerade beim Kaltstart wichtig ist, da die katalytische Reduktion dann noch nicht funktioniert und das System möglichst schnell auf Temperatur gebracht werden muss. Es ist bereits in rund 100 Sekunden nach Kaltstart einsatzbereit. Eine NOx-Minderung soll zudem in fast allen Betriebspunkten funktionieren, insbesondere bei tiefen Abgastemperaturen. Durch die hohe Mischungseffizienz und gleichmäßige Verteilung des Ammoniaks im Abgassystem soll zudem eine bessere Performance geliefert werden. Darüber hinaus verhindert das BNOx-System Ablagerungen von Adblue im Abgassystem. Durch die geringe Größe des Systems soll es zudem möglich sein, das System in einer Vielzahl von Fahrzeugen installieren zu können.
Zweifel an der Machbarkeit
Twintec-Baumot hat die Wirksamkeit von BNOx an einem VW Passat mit 1,6-Liter-TDI-Motor demonstriert: Das Unternehmen spricht von einer NOx-Reduzierung von durchschnittlich 93 Prozent unter Realbedingungen. Dabei soll der Euro-5-Motor sogar bessere Emissionswerte als der serienmäßige Euro-6-Motor liefern. Der ADAC hat das in einem Test im realen Betrieb auf der Straße (Real Driving Emissions) ebenfalls bestätigt: In allen Testzyklen konnte das BNOx-System die Stickoxid-Emissionen weit unter den Euro-6-Grenzwert von 0,08 Gramm NOx pro Kilometer reduzieren. Allerdings hatte der Einbau des Nachrüstsatzes auch unerwünschte Folgen: Strom und Kraftstoffverbrauch des Testfahrzeuges stiegen um rund fünf Prozent. Zudem wird der Adblue-Bedarf für das System von den Testern je nach Fahrweise mit 1,5 bis drei Litern je 1.000 Kilometer angegeben, was einen entsprechend großen Zusatztank nötig macht. Aufgrund der fehlenden Serienreife des Systems können vom Automobilclub auch keine Aussagen zur Dauerhaltbarkeit, Systemeinbindung und Betriebssicherheit gemacht werden.
Die Autohersteller betonen gerne, dass eine Nachrüstung des Systems nicht nur mit hohen Kosten verbunden sei, sondern sich nur sehr schwierig umsetzen lasse. "Eine komplette Nachrüstung von Euro 5 auf Euro 6 wäre sehr komplex und würde umfangreiche und tiefe Eingriffe in die Motorsteuerung und Abgasanlage erfordern", sagt beispielsweise der Verband der Automobilindustrie (VDA). Gerade der Einbau in kleine Fahrzeuge sei aufgrund des geringen Bauraums kaum möglich. Daimler vertritt die Auffassung, dass eine Umrüstung in "technischer und wirtschaftlicher Hinsicht nicht sinnvoll" sei. Auch für Audi ist die Nachrüstung aufgrund des technischen Aufwands "keine Option". Porsche sieht die Umrüstung vom baulichen Aufwand her nicht praktikabel. Einzig BMW schlägt vor, Nachrüstlösungen im Einzelfall zu prüfen. Wie es dann mit Garantieleistungen aussieht, steht jedoch auf einem anderen Blatt.
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Detlef Rüdel
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