Die Sachverständigen beschäftigten sich mit einer Vielfalt an automotiven und Schaden-Themen. Erleichterung zeigte sich bezüglich des weiterhin robusten Old- und Youngtimer-Marktes.
An "KI" geht heute kein Weg mehr vorbei. Diese Botschaft wurde den Teilnehmern des diesjährigen ZAK Forums in Radebeul bei Dresden gleich in mehreren Beiträgen eindrucksvoll vermittelt.
Im ZAK e.V. finden seit 1991 die Zertifizierten und Anerkannten hauptberuflichen Kfz-Sachverständigen ihre "geistige" Heimat. Der ZAK e.V. ist bundesweit aber auch der einzige Verband, der die fachbezogenen Interessen von freiberuflich tätigen Sachverständigen und angestellten Sachverständigen großer Organisationen und Versicherungen eint. Unter anderem als alleiniger Gesellschafter der DAkkS-akkreditierten Zertifizierungsstelle ZAK-Zert GmbH verfolgt der Verein das Ziel der Schaffung eines einheitlichen, anerkannten Berufsbildes für alle Kfz-Sachverständigen.
Wie schon im Vorjahr, so gelang auch 2023 ein erfolgreicher Neustart der Jahrestagung "nach Corona", zu der Verbands-Präsident Dr. Marc Trömner erneut mehr als 200 eigene Mitglieder, Vertreter der Versicherungswirtschaft und Gäste begrüßen konnte.
"Automatisierte Schadenanalyse braucht menschliche Kontrolle"
Gleich zu Beginn des Vortragsprogramms erläuterte Rechtsanwalt Ilan Selz (Technologiekanzlei Schürmann Rosenthal Dreyer), wie auf europäischer Ebene auf der juristischen Seite die Wege für einen verantwortungsvollen und auch nachvollziehbaren Umgang mit der künstlichen Intelligenz geebnet werden. Er führte aus, welche Voraussetzungen und unterschiedlichen Kontroll-Prozesse für Produkte in den verschiedenen Risikogruppen definiert wurden, die Kunden vor einem persönlichen Schaden und Nachteilen schützen sollen. Vor diesem Hintergrund könne dann auch eine vollautomatisierte Schadenanalyse anhand von z.B. Fotos von einer KI aufgrund der Tragweite einer möglichen Fehlentscheidung nicht ohne menschliche Kontrolle getroffen werden.
Im Anschluss an diese hochkomplexen juristischen Ausführungen lud Prof. Dr. Peter König, der zum wiederholten Mal als Moderator durch das ZAK Forum führte, Benjamin Steinmetz als Entwicklungsleiter des neuen Herstellers NIO auf die Bühne. Steinmetz erläuterte, wie die intensive, internationale Zusammenarbeit von Experten auf allen Kontinenten final mit dem Modell ET7 zu einem Fahrzeug im Luxussegment mit sehr hohem Komfort, überzeugender Fahrdynamik und außergewöhnlich hohen Sicherheitsstandards geführt hat.
NIO’s flinker Akku-Tausch
Seine Ausführungen zu den Wechselstationen, in denen der NIO Fahrzeugbesitzer in kürzester Zeit seine aktuelle Batterie gegen eine voll aufgeladene in gegebenenfalls sogar anderer Wunschgröße – und damit mit anderer Reichweite – austauschen kann, konnten die Zuhörer sofort überzeugen. Der Einladung von Steinmetz an das Auditorium, in den nachfolgenden Pausen die Fahrzeuge direkt vorm Tagungssaal zu besichtigen und auch Probe zu fahren, kamen dann auch zahlreiche Teilnehmer bis in die Abendstunden hinein nach.
Wie relevant die Ladestrategie der Batterien von Elektrofahrzeugen ist, unterstrich nachfolgend Martin Dillinger als Vertreter des TÜV Rheinland. Er zeigte auf, wie sein Unternehmen schon zeitnah den Kunden nach sehr kurzer Messung eine zuverlässige Bewertung des Batteriezustands bieten wird, um so eine exakte Restwertbestimmung zu ermöglichen. Mit dieser Thematik traf er exakt den Nerv der teilnehmenden Fachleute, wie die intensiven Diskussionen im Anschluss zeigten.
Keine Sorgenfalten beim Klassiker-Markt
Angesichts all dieser Einblicke in die modernsten und teilweise noch ungewohnten Technologien genossen die Teilnehmer den letzten Vortrag vor dem Mittagessen von Martin Stromberg als Geschäftsführer der Classic Data sichtlich. Unterlegt mit etlichen Bildern klassischer Fahrzeuge beruhigte er die Zuhörer, dass es zwar in einzelnen Segmenten und Altersklassen zu einer deutlichen Abkühlung des überhitzten Markts gekommen sei, dass es aber wohl "keinerlei Indizien für den befürchteten allgemeinen Preisverfall im Oldtimermarkt" zu geben scheint. Auch in den Zeiten der Elektromobilität halten die alten "Schätzchen" noch immer ihren Wert und besonders die Youngtimer steigen sogar in der Gunst der Käufer aktuell signifikant, wie Stromberg berichtete.
In den Pausen standen wiederum zahlreiche Dienstleister und Zulieferer aus nahezu allen Schadenbereichen, darunter Prüf- und Hageldienstleister, Überwachungsorganisationen und Restwertbörsen, im Umfeld des Tagungssaals bereit, um die Teilnehmer in Ruhe im direkten Gespräch über die neuesten Produkte und Entwicklungen zu informieren, was besonders in der Mittagspause intensiv genutzt wurde.
Sachsen begegnet organisierten Kfz-Verbrechen
Viel Zeit für ein Mittagstief hatten die Zuhörer im Anschluss nicht, im Gegenteil. Denn als im nachfolgenden Vortrag Kriminalhauptkommissar Ralf Uhlig von der Polizei Sachsen seine Ausführungen über das organisierte Verbrechen im Kfz-Bereich begann, folgte das gesamte Publikum gebannt und fast ungläubig seinen Worten. Uhlig erläuterte, mit welcher Raffinesse die oft grenzüberschreitenden Verbrechen inzwischen geplant und ausgeführt werden und wie die Polizei Sachsen in enger Zusammenarbeit der verschiedenen Einheiten im In- und Ausland dem Verbrechen dennoch erfolgreich Einhalt gebieten konnte.
Mit Knut Heidsiek als dem Leiter der Achssystem-Entwicklung bei ZF trat anschließend ein weiterer ausgewiesener Technik-Experte auf die Bühne. Er legte detailliert dar, wie Lenk- und Chassissysteme aktuell z.B. in Richtung des Steer-by-Wire weiterentwickelt werden und welche Optionen die intelligente Verknüpfung der unterschiedlichen aktiven Chassis-Aktuatoren und Sensoren schon bald bieten wird.
Lkw-Verkehr fehlen die Fahrer
Danach trat Prof. König selbst auf die Bühne und irritierte seine Zuhörer sehr mit seiner Faktensammlung zum aktuellen Lkw-Fahrermangel in Deutschland. Da sich diese Misere angesichts der demografischen Entwicklung und des steigenden Umfangs des Güterstraßenverkehrs noch verschlimmern wird, forderte er ein sofortiges Gegensteuern. Obwohl er sogleich alternative Ansätze aufzeigte, wie dieser Notstand bekämpft werden könnte, hinterließ er sein Publikum in der beunruhigenden Gewissheit, dass uns schon bald eine umfassende Unterversorgung an Gütern aller Art droht.
"Manche Gesetze zu ungenau"
Wie gewohnt, bot das ZAK Forum auch dem akademischen Nachwuchs eine Bühne. Der letzte Redner des Tages war der Student Luca Neuerburg von der Hochschule in Trier. Er berichtete von seinen Untersuchungen aktueller Vorschriften im Bereich der Fahrzeugsicherheit und konnte das Publikum von seiner Bewertung überzeugen, dass zahlreiche Gesetzestexte viel zu ungenau oder sogar fehlerhaft verfasst wurden. Er wies anhand mehrerer Beispiele nach, dass dieser Mangel von einigen Unternehmen bewusst ausgenutzt wird, um billigere Entwicklungen freigeben zu können, die für die Fahrzeuginsassen sogar eine konkrete Gefährdung bedeuten können.
Neuerburg‘s engagierter Vortrag zeigte aber auch, dass die Studierenden schon frühzeitig aufgefordert werden, Bestehendes immer wieder kritisch zu hinterfragen und aktiv nach Verbesserungen zu suchen, was von den Zuhörern beruhigend zur Kenntnis genommen wurde.
So konnte sich denn auch ZAK-Präsident Dr. Marc Trömner nach einem erfolgreichen Tag zufrieden bei seinem Team und allen Referenten bedanken. Abschließend lud er alle Teilnehmer und Aussteller mit ihren Partnern zur geselligen Abendveranstaltung in gewohnt nettem und familiärem Ambiente ein. Ausdrücklich bedankte er sich für die Unterstützung der Veranstaltung auch bei den Unternehmen Audatex und CARTV sowie allen weiteren Sponsoren. In der Jahreshauptversammlung des ZAK e.V. wurden Dr. Trömner als Präsident und Michael Teßin als 3. Beisitzer im ZAK Vorstand wiedergewählt. (hf/wkp)