Rund zehn Prozent der Schäden, die den Assekuranzen hierzulande gemeldet werden, sind verdächtig und prüfwürdig. Das zeigt eine Sonderauswertung von über 600.000 Schadenmeldungen aus drei Jahren vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Untersucht wurden knapp 200.000 Einbrüche bis zu einer Schadenhöhe von 50.000 Euro, die den Hausratversicherern gemeldet wurden.
10 Prozent der Fälle sind verdächtig
Hinzu kamen über 400.000 Schäden an Kraftfahrzeugen, die bei der Privathaftpflicht- und privaten Tierhalterhaftpflichtversicherung eingereicht wurden, wenn beispielsweise ein Hund oder jemand mit einem Fahrrad ein fremdes Kraftfahrzeug beschädigt hat. Insgesamt schätzen die Versicherer den jährlichen Schaden durch Versicherungsbetrug in der Schaden- und Unfallversicherung auf rund 5 Milliarden Euro.
Die Auswertung zeigt, dass es etwa bei jedem zehnten Schaden in der Schaden- und Unfallversicherung Auffälligkeiten oder Ungereimtheiten gibt. Ist ein Fall dubios, bedeute das jedoch "nicht automatisch, dass es sich um Versicherungsbetrug handelt, sondern, dass der Schaden Merkmale aufweist, die statistisch gesehen eher selten sind".
Maßnahmen gegen Versicherungsbetrug
Versicherer ergreifen schon seit geraumer Zeit Maßnahmen zur Betrugsabwehr, die im "Zeitalter" der Digitalisierung immer präziser werden. So können beispielsweise mit Hilfe spezieller Softwaretools verdächtige Muster in den Schadenmeldungen erkannt werden. Auch an KI-Lösungen arbeitet die Branche, wodurch eine noch bessere Unterstützung der Betrugsabwehr ermöglicht wird.
Die Frage der Plausibilität
Unabhängig erster KI-Ansätze erkennen die Mitarbeiter der Betrugsabwehr Auffälligkeiten, die von einer Software bislang noch nicht erkannt werden. Allein durch eine Plausibilitätsprüfung kann häufig schon festgestellt werden, ob sich der Schaden tatsächlich so ereignet hat, wie er geschildert wurde. "Wenn es Abweichungen zwischen der gemeldeten Schadenhöhe und dem tatsächlichen Wert der beschädigten Gegenstände gibt, wird dies der geschulte Mitarbeiter erkennen", so der GDV.
Scharfe Sanktionen möglich
Sollte tatsächlich eine Betrugsabsicht nachgewiesen werden, können die Folgen für den Kunden erheblich sein: Der Versicherer muss nicht für den Schaden aufkommen, kann den Vertrag kündigen, Sachverständigenkosten vom Anspruchsteller zurückverlangen und den Fall zur Anzeige bringen.
Häufigste Betrugsformen
Die Versicherungswirtschaft unterscheidet sechs verschiedene Formen des Versicherungsbetrugs:
1. Fingierte Schadenfälle: Bei einem fingierten Ereignis ist ein realer Schaden eingetreten, der nicht versichert ist. Der Schadenhergang wird so gemeldet bzw. konstruiert, dass ein versichertes Schadenereignis angenommen werden kann.
2. Fiktive Schadenfälle: Das fiktive Schadenereignis wird von Fachleuten auch als "Papierschaden" bezeichnet. Die angegebenen Schäden hat es in Wirklichkeit nie gegeben
3. Provozierte Schadenfälle: Bei dem provozierten Ereignis wird der Schadenfall von dem oder den Geschädigten vorsätzlich herbeigeführt. Der Versicherungsnehmer hat über das Vorhaben keine Kenntnis und ist in diesem Fall das Opfer. Am bekanntesten sind hier – mit mehreren Helfern im Hintergrund – bewußt herbeigeführte Kreuzungs- bzw. Vorfahrtsunfälle im Straßenverkehr.
4. Ausgenutzte Schadenfälle: Hierbei nutzen und missbrauchen die Täter ein reales Schadenereignis, um den tatsächlich entstandenen Schaden vorsätzlich zu erhöhen durch z.B. verlagerte Schadenfälle (siehe auch Punkt 5.).
5. Verlagerte Schadenfälle: Bei einem realen Schadenereignis werden andere Personen oder ein anderer Schadentag angegeben, um für dieses Schadenereignis Versicherungsschutz zu erhalten.
6. Betrügerische Vertragsgestaltung: Bereits bei Abschluss des Versicherungsvertrages täuscht der Versicherungsnehmer den Versicherer hinsichtlich bestimmter, für den Abschluss des Vertrages oder die Höhe der Prämie ausschlaggebender Tatsachen.