Es war ein mühseliges und für viele Reparaturwerkstätten auch nervenaufreibendes Unterfangen, um als Dienstleister in der Schadensteuerung nun (endlich) mehr Wertschätzung, Anerkennung und letztlich auch ein besseres Entgelt zu bekommen. Noch vor mehreren Jahren erwog der ZKF, seinen Mitgliedsbetrieben mindestens einen Teilausstieg aus der zunehmend renditeärmeren Schadensteuerung zu empfehlen. Nicht minder aktiv zeigt sich seit Jahren auch der Bundesverband der Partnerwerkstätten (BVdP e.V.), in dem schwerpunktmäßig die in der Schadensteuerung tätigen Betriebe organisiert sind. "Kooperatives Schadenmangement" wird von dieser Seite längst und intensiv von Seiten der Auftraggeber für das "Premiummodell Schadensteuerung" eingefordert.
SPN mit dem klarsten Bekenntnis
Auf der Netzwerkstatt, die vergangene Woche erstmals in der rheinland-pfälzischen Moselgemeinde Leiwen (Landkreis Trier-Saarburg) stattfand, sollte nun tatsächlich der so lange angemahnte "neue Aufbruch" Realität werden. Wichtigstes Ergebnis dabei: Die Direktkundenregelung wird nicht mehr bleiben, wie sie bisher – häufig zum Missfallen der Betriebe – gehandhabt wurde. Die klarste Zusage kam hier von Seiten der Service Partner Netzwerk GmbH (SPN), diese – wie bisher schon – auch künftig nicht anzufassen.
"Die Werkstatt braucht uns nicht, wir aber die Werkstatt"
Noch etwas verklausuliert drückten sich Vorstandschef Marc Alagna für die Innovation Group und deren neue Mehrheitsgesellschafterin Allianz aus, wenngleich in vielen Punkten auch hier eine bisher so nicht gekannte Verbindlichkeit erkennbar wurde. Ähnlich Steuerer Consense, für den Vertriebschef Stefan Ihling die aktuelle "Lebenswirklichkeit" in der heutigen Schadenwelt am deutlichsten und ohne jede Umschweife so beschrieb: "Die Werkstatt braucht uns Schadensteuerer nicht, aber wir Schadensteurer brauchen die Werkstatt."
Der niedrigstmögliche SVS hat ausgedient
Spätestens nach Corona und der Multikrise mit erheblichen Kostensteigerungen bei Ersatzteilen, Lackmaterial, beim Personal, der betrieblichen Energieversorgung bei gleichzeitigem Fachkräftemangel sowie notwendigen Investitionen in E-Mobilität und generell neue Technologien haben (die meisten) Auftraggeber aus Versicherungen, Flotten und Leasinggesellschaften erkannt, dass es künftig nicht mehr um den niedrigstmöglichen Stundenverrechnungssatz, eine Vielzahl kostenloser Services oder lediglich homöopathische Anpassungen bei der Entlohnung von Dienstleistungen gehen kann.
Wer bekommt die freie Werkstattkapazität?
Freie Reparaturkapazitäten wird künftig vor allem derjenige Auftraggeber seitens der Werkstätten bekommen, der den Betrieben entsprechende Wertschätzung entgegenbringt und eben "nicht mehr auf den letzten Cent gucken wird", wie es Allianz-Repräsentantin Dr. Cornelia Grimm recht treffend auf der Netzwerkstatt artikulierte.
Selten so deutlich und mit konkreten Zahlen aus Mitgliederbefragungen hinterlegt plädierten zuvor die drei BVdP-Vorstände Reinhard Beyer (Vorsitzender), Andreas Lau und Peter Vogel sowie Geschäftsführer Michael Pinto für die Interessen der Partnerbetriebe. Temporär mit auf der Bühne äußerten sich ferner Ilona Banic, Geschäftsführerin des Lackierzentrum Niedernhall GmbH, sowie das Unternehmer-Ehepaar Ilona und Roberto Zanini (Kind Fahrzeuglackierung GmbH, Dierdorf).
Die größten Kritikpunkte an der bisherigen Steuerung
Was entsprechend der Befragung alle Betriebe an den bisherigen Kooperationen mit Schadensteuerern am meisten stört, sind folgende Punkte:
• Kürzung der Reparaturrechnung (9,6 %),
• Langsame Zahlungsgeschwindigkeit (10,9 %),
• Aufwändige Freigabeprozesse (12,1 %),
• Gestiegene Reparaturdauer/Standzeit bis zur Fahrzeugablieferung (13,0 %),
• Zeitraubende KVA-Prüfung/Nachfragen (15,0 %),
• Keine oder langsame Rückmeldung bei Rückfragen (15,2 %) und die
• Direktkundenregelung (21,9 %).
Nur in 2,5 Prozent aller Fälle waren andere Gründe dafür verantwortlich, dass Betriebe Probleme mit der Schadensteuerung hatten.
Besserungs-Gelübde
Nachdem zu allen Kritikpunkten in den Diskussionsrunden Tacheles gesprochen und klar gemacht wurde, welcher zeitliche – und damit finanzielle – Mehraufwand mit der zusätzlichen Beschäftigung von ungerechtfertigten Rechnungskürzungen, langwierigen Freigabeprozessen, Nachfragen etc. bei den Betrieben einhergeht, wurde übereinstimmend Besserung von den Schadensteuerern zugesagt. Das für die Werkstätten in der Bedeutung wichtigste Thema Direktkundenregelung wurde entweder mit einer sofortigen Zusage bedacht, dass ungesteuerte Aufträge künftig ohne "Großkundenrabatt" zum betrieblichen ausgehängten Stundenverrechnungssatz abgewickelt werden können. Oder es gab zumindest klare Hinweise darauf, dass man sich mit der Thematik aktiv befasse und in naher Zukunft zu vergleichbaren Lösungen kommen wolle.
"Uralt-Prozesse beenden"
Bezeichnend für die Trägheit von Entscheidungsveränderungen in der Vergangenheit war denn auch die Verwunderung von Marc Alagna, der am 1. Juli 2023 Matthew Whittall als Vorstandsvorsitzenden der Innovation Group AG (IG) in Deutschland ablöste: "Wir haben in den letzten Jahrzehnten Prozesse aufgebaut, für die wir teilweise heute die entsprechenden Begründungen gar nicht mehr nachvollziehen können. Damit müssen wir aufhören." Mit "einem ersten Versicherungspartner" habe man ganz aktuell bereits einen "vereinfachten Reparaturprozess" vereinbart, in dem Vermittlung, Zahlungszusage und Reparaturfreigabe als "neuer Standard in der Zusammenarbeit mit unseren Werkstattpartnern etabliert wird". Ab 1. Mai schließe sich "bereits ein zweiter Versicherer" diesem Vorhaben an.
Allianz mit "Vorleistung für beste Leistung und schnelle Reparatur"
Allianz-Schadenrepräsentantin Cornelia Grimm machte anschließend deutlich, dass es ihr Haus sei, das mit der Innovation Group als erste Assekuranz den "neuen Weg" beschreite. Bereits fest vereinbart sei, dass ab sofort "jeder vermittelte Auftrag gleichzeitig als Zahlungszusage gilt". Der Allianz sei mit Blick auf die gesteuerten Kunden wichtig, "dass die beste Leistung und eine schnelle Reparatur geliefert werden". Von daher gehe man auch "sehr bewußt" in Vorleistung und könne sich weiterhin vorstellen, "unter bestimmten Voraussetzungen künftig sogar auf die KVA-Prüfung zu verzichten". Nach Grimms Worten ist es für die Allianz "ganz wichtig, dass wir schnell Reparaturen realisieren können, weil es letztlich sowohl Kunden wie auch die Werkstätten selbst stört, wenn eingestellte Arbeiten erst Wochen später in Angriff genommen werden können. Und genau dafür arbeiten wir Ihnen künftig zu".
Alagna: "Direktkundenregelung in jetziger Form wird obsolet"
Nach dem Bekenntnis der neuen IG-Eigentümerin Allianz wurde auch Marc Alagna verbindlicher, indem er sagte: "Wir werden die Direktkundenregelung, wie wir sie heute kennen, künftig nicht mehr eins zu eins so anwenden. Der erste Schritt ist mit der Allianz getan. Und wir sind jetzt mit unseren weiteren Versicherungskunden bereits im Gespräch, das Direktkundengeschäft zu reformieren. Ich kann bestätigen, dass in 2024 eine neue Regelung kommt, welche die Forderungen der Werkstätten auch respektieren wird." Für diese Aussag erhielt der IG-Vorstandschef nachhaltigen Beifall seitens der Werkstattbetriebe.
Ersatzmobilität geht auch anders
Für Consense, den einzigen eigentumsgeführten Schadensteuerer im Markt, sprach anschließend Vertriebsleiter Stefan Ihling, der den erkrankten Geschäftsführer Rainer Hansen vertrat. Beim Thema "kostenlose Ersatzmobilität" habe man, so Ihling, längst eine Lösung gefunden, die Auftraggebern wie Partnerbetrieben gerecht werde: Während Consense-Kunden – das sind bei dem in Düren ansässigen Dienstleister vorwiegend gewerbliche Flottenbetreiber und Leasingfirmen – "Mobilität und viele Kilometer haben wollen", sehe man mit Blick auf die Werkstätten in erster Linie Ersatzfahrzeuge zu günstigen Raten und mit gering verfügbaren Kilometerleistungen.
Kurzum: "Der Werkstattpartner kann das gar nicht wirtschaftlich händeln, weshalb wir uns entschieden haben, die Mobilität selbst zu organisieren." In der Praxis sieht das so aus, dass "die großen Autovermieter die Fahrzeuge anliefern, was sehr gut funktioniert", so Ihling, der vor seiner Consense-Tätigkeit bei Sixt für das Replacement-Management zuständig war und von daher die Unfallersatzwagen-Thematik natürlich aus dem Effeff beherrscht.
Nicht zuletzt erweist er mit Consense und den vom Vermieter direkt beigebrachten Ersatzwagen den angeschlossenen Partnerbetrieben auch einen spürbaren Zusatznutzen. Denn die Versicherer wollen nach seinen Worten gerne die in der Schadensteuerung übliche Regelung beibehalten, nach der sie auch im Haftpflicht-Schadenfall das Werkstatt-Ersatzauto bei der Abrechnung nicht anerkennen.
Dialog auf Augenhöhe und faire Preise
Damit das Zusammenspiel Flottenkunden mit Steuerer und Partnerbetrieben funktioniert, setze Consense selbst in eigenen Reihen auf Fachpersonal, das "mit Werkstätten auf Augenhöhe sprechen und einen Kostenvoranschlag nicht nur interpretieren und zerpflücken, sondern auch verstehen und nachvollziehen kann". Des Weiteren setze Consense auf faire Bezahlung. Ihling wörtlich: "Seit 14 Jahren zahlen wir die höchsten Stundenverrechnungssätze." An die Partnerbetriebe gewandt, versprach er: "Das werden wir auch beibehalten, denn Ihr macht die Arbeit, freut Euch über jeden neu gewonnenen Azubi und deshalb wollen wir Euch auch in Zukunft fair entlohnen."
SPN-Chefin mit Appell an alle Wettbewerber
Unmissverständlich in ihrer Aussage danach auch SPN-Geschäftsführerin Dimitra Theocharidou-Sohns: "Das Direktkundengeschäft ist nicht meins als Schadensteuerer. Ich möchte deshalb alle meine Kollegen und Kolleginnen im Wettbewerb bei der Reflektion zu dieser Regelung bitten, tief in ihre Herzen reinzuschauen." Nach ihrem Dafürhalten könne man als Schadensteuerer, "wenn wir hier über Werte reden, doch nicht Fremdeigentum zu unserem machen und dieses dann noch rabattieren".
"Werden Direktkundengeschäft unserer Partner nicht anfassen"
Ihre bereits des Öfteren in Interviews der letzten beiden Jahre mit AUTOHAUS zum Ausdruck gebrachte Überzeugung verstärkte Theocharidou-Sohns in Leiwen nochmals mit besonderem Nachdruck: "Wenn wir also schon dabei sind, einen Neustart zu machen, wo Werte auch zählen sollen, dann gehört zu einer Partnerschaft und zu Fairneß auch, zu sagen: Wenn wir Schadensteuerer als Auftraggeber schon unsere eigenen Hausaufgaben nicht machen, dann können wir jetzt auch niemand anderen dafür verantwortlich machen. Seitens der SPN laden wir gerne alle Partner herzlich ein, uns für ihr Direktkundengeschäft eine Rabattierung selbst vorzuschlagen, wenn sie das gerne tun möchten. Wir werden seitens der Service Partner Netzwerk GmbH aber definitiv das Direktkundengeschäft unserer Partner nicht anfassen." Wie schon ihre Vorredner, erntete auch die SPN-Chefin nachhaltigen Beifall für ihre unverrückbare Haltung.
BVdP zieht positives Fazit
In der Zusammenfassung der Redebeiträge seitens der zu Wort gekommenen Schadensteuerer zeigten sich BVdP-Vorstandsvorsitzender Beyer, seine Kollegen Peter Vogel und Andreas Lau sowie Geschäftsführer Michael Pinto denn auch sehr zufrieden. Beyer: "Wir haben heute die wichtigsten Kritikpunkte aus der Welt geräumt. Innerhalb weniger Stunden sind nun alle Beteiligten zu einer Gruppe verwachsen, wo sie nicht mehr Kontrahenten sind. Nach so vielen Jahren ist das für mich beindruckend, dass wir nun endlich zu Umsetzungen gekommen sind, die für uns alle tragbar sind. Vielen Dank dafür!" Michael Pinto zeigte sich ebenfalls sehr angetan: "Heute wurde ein wichtiger, gemeinsamer Schritt in Richtung einer erfolgreichen Schadensteuerung in der Zukunft getan."
Der guten Ordnung halber sei an dieser Stelle mit erwähnt, dass auch Schadensteuerer Riparo und die HUK-COBURG auf der Netzwerkstatt in Leiwen mit mehreren Repräsentanten vertreten waren, wenngleich sie dieses Mal nicht in die Diskussionsrunden eingebunden waren. Walter K. Pfauntsch