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Exklusiv-Interview mit der DEVK: Nachhaltig muss auch ökonomisch sein

28.10.2024 08:12 Uhr | Lesezeit: 11 min
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Fachkompetenz und hohe Praxiserfahrung: DEVK Schadenchef Marco Becker (r.), Kraft-Schadenleiterin Daniela Koop und Chef-Sachverständiger Nino Bey stellten sich in Köln den Fragen von AUTOHAUS.
© Foto: Sabrina Krämer, DEVK

In Zeiten steigender Ersatzteilpreise und zunehmender Elementarschäden braucht es innovative Lösungen. Bis die Gebrauchtteilreparatur die Schadenkosten spürbar senken kann, wird es aus Sicht der DEVK-Verantwortlichen jedoch noch dauern. Helfen könnten aber gesetzliche Vorgaben, wie man sie aus anderen Ländern kennt.

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Mit einer gesunden Mischung aus Manpower und Hightech will die DEVK auch weiterhin erfolgreich im Markt unterwegs sein. Offen für neue Ideen beobachtet man die aktuellen Entwicklungen genau.

Nicht nur durch ihre langjährige Tradition gehört die DEVK seit Jahren zu den Schwergewichten auf dem deutschen Kfz-Versicherungsmarkt, sondern auch wegen der Konsequenz, eigene Wege zu gehen. So unterhält man mit 4.000 Partnerbetrieben eines der größten Werkstattnetzwerke Deutschlands, setzt nach wie vor auf ein flächendeckendes Team eigener Kfz-Sachverständiger. Wie man sich auf die Herausforderungen der Zukunft vorbereitet, besprach AUTOHAUS mit Schadenchef Marco Becker, K-Schadenleiterin Daniela Koop und dem Chef der Kfz-Sachverständigen, Nino Bey.

Eigene Sachverständige "immer von Vorteil"

AH: Herr Bey, Sie sind seit einigen Monaten Nachfolger von Helmut Hermanns als Chef-Sachverständiger der DEVK. Ist eine eigene SV-Mannschaft heutzutage noch zeitgemäß und notwendig?

N. Bey: Es ist richtig, dass viele Gesellschaften mittlerweile auf die Zusammenarbeit mit externen Partnern setzen. Unser Haus verfolgt jedoch traditionell eine andere Strategie und ist damit seit jeher gut gefahren. Aktuell verfügen wir über 64 DEVK-Sachverständige und wollen das Team sogar in der einen oder anderen Region noch ausbauen, da die Kapazitäten knapper werden. Wenn Sie an Massenschadenereignisse denken wie den Hagelschlag in Kassel 2023 oder einige Unwetter im Großraum Stuttgart in diesem Jahr, ist es immer von Vorteil, eine eigene Sachverständigen-Mannschaft zu haben. Wir sind mit unserem Team immer schnell vor Ort und können mit unseren Kunden bereits bei der Schadenmeldung die nächsten Schritte besprechen, zum Beispiel, wo die Sammelbesichtigung stattfindet.

D. Koop: Ein Hagelschlag ist ja auch eines der Ereignisse, das eine Versicherung wirklich erlebbar macht. Ich konnte mir im Rahmen meiner ersten Elementarsaison ein eigenes Bild vor Ort machen und war beeindruckt vom Zusammenhalt vor Ort, der Professionalität der Kollegen und auch der Freude an der Arbeit, die im Umgang mit den Kunden zu spüren war.

Generationswechsel steht an

AH: Die DEVK wird also auch künftig auf eigene Kfz-Sachverständige setzen?

N. Bey: Ein ganz klares Ja! Auch wenn uns das in den nächsten Jahren vor eine große Herausforderung stellen wird, da ein echter Generationswechsel ansteht. Knapp die Hälfte der Sachverständigen im Außendienst wird sich in den Ruhestand verabschieden und damit natürlich ein enormes technisches Know-how und Wissen um die Kunden in ihrer Region mitnehmen. Das müssen wir durch intelligente Übergangsregelungen auffangen. Überhänge arbeiten wir, wie im Markt üblich, mit regionalen Partnern ab.  Hier sind wir durch unsere dezentrale Organisation bundesweit nah am Geschehen.

AH: Wie funktioniert die Kombination aus Manpower und Hightech im Rahmen der Elementarschadenabwicklung in der Praxis, Herr Becker?

Schnelligkeit bei Massenschäden als Credo

M. Becker: Wir haben die Vorgehensweise bei Massenschadenereignissen in den letzten Jahren aktiv geändert und gehen gerade am Anfang oft mit der größtmöglichen Mannschaft an den Start, um die Besichtigungen so schnell wie möglich zu beginnen und auch wieder schnell zu beenden. Wir wissen ja nicht, wann das nächste Unwetter uns fordert.

Sicherlich wird die Zukunft darin liegen, dass zumindest die Standardschäden per Scanner erfasst werden und die Gutachten von unseren Sachverständigen im gesamten Bundesgebiet finalisiert werden. Den Gutachter aus Schwerin an den Bodensee zu bringen, kostet ja auch Zeit und Geld. Bis das nicht mehr nötig ist, braucht es aber noch eine Verbesserung der Technik. Hier stehen wir im engen Austausch mit unseren Partnern vom PDR-Team.

Vertrauen in den Scanner deutlich gewachsen

D. Koop: Auch aus meiner Sicht ist es von Vorteil, das Beste aus beiden Welten bieten zu können. Selbst wenn das Ziel ganz klar ist, die große Masse der Schäden durch den Scanner zu schieben, werden immer zwei bis drei Sachverständige vor Ort sein. Wenn die Scheibe kaputt ist oder der Kunde mit einem 20 Jahre alten Kleinwagen auftaucht, dann sollte er ein Angebot für die Totalschadenabwicklung erhalten. Generell sind die Versicherungsnehmer aber von der Abwicklung mit dem Scanner wirklich begeistert und nehmen die Technik sehr gut an – überraschenderweise sogar quer durch alle Altersgruppen. Die Scanprotokolle geben ja auch den Kunden Sicherheit, etwa wenn sie keinen Werkstattbindungstarif abgeschlossen haben und in einem externen Betrieb reparieren lassen. Hier konnten wir feststellen, dass die Diskussionen weniger geworden sind.

Klarer Trend zu "Dekaden-Schäden"

AH: Wie sehen Sie die Entwicklung der Elementarschäden in den letzten Jahren? Ist der Anstieg so deutlich wie an anderen Stellen zu hören?

D. Koop: Aus meiner Sicht ja. Wenn wir uns rein die Überschwemmungsschäden in Kfz-Kasko ansehen, hat sich die Anzahl von 2023 auf 2024 verfünffacht. Und da sind die anderen Ereignisse wie Sturm oder Hagel noch gar nicht erfasst. Dazu kommt, wenn wir uns den Bereich Gebäudeschaden ansehen, dass durch Photovoltaikanlagen, ausgebaute Keller und mehr Technik in den Häusern natürlich mehr Sachschaden entsteht. Mit etwas Putz und Farbe wie noch vor einigen Jahren ist es nicht mehr unbedingt getan. Der Trend geht also aus meiner Sicht ganz klar vom Jahrhundert- zum Dekadenereignis.

WBW-Regulierung oft die sinnvolle(re) Lösung

M. Becker: Entscheidend ist immer, dass man je nach Geschehen schnell und zeitnah Hilfe anbieten kann. Im Ahrtal waren zum Beispiel Gutachter unterwegs, die Videos aufgenommen haben. Auf dieser Basis wurde dann in der Zentrale entschieden. Eine Alternative war der Versand von E-Mail-Links an die Kunden, die geführte Bildaufnahmen von ihren Fahrzeugen gemacht haben. In anderen Fällen waren die Autos buchstäblich weggeschwommen und mussten erst wieder aufgefunden werden. In solchen Situationen kalkuliert man nicht mehr viel, da werden Kilometerstand und Wiederbeschaffungswert geprüft und reguliert. Die 5.000 Euro für das gebrauchte Auto sind im Vergleich zu den Schäden am Haus ja meistens das geringste Problem gewesen.

N. Bey: Aus technischer Sicht ist die Reparatur solcher Fahrzeuge, in die Wasser eingedrungen ist, schwierig. Wir geben auf die durchgeführten Arbeiten unserer Werkstattpartner zehn Jahre Garantie, da ist es nur eine Frage der Zeit, welches Warnlämpchen zuerst angeht. Die komplette Feuchtigkeit aus dem Innenraum und der Verkabelung herauszubekommen, ist aus meiner Sicht häufig unmöglich. Die Folgen sind oftmals Korrosionsschäden an Steuergeräten oder Steckverbindungen. In vielen Fällen ist hier eine Wiederbeschaffungswert-Regulierung mit unseren Partnern die smartere Lösung für alle Beteiligten.

Umdenken bei den Herstellern?

AH: Aktuell steht vor allem das Kraftfahrt-Geschäft unter einem enormen Kostendruck. Wie sehen die Zahlen der DEVK im Marktvergleich aus?

D. Koop: Die Ersatzteilpreise und auch die Werkstattlöhne sind in den letzten Jahren enorm gestiegen. Man kann durchaus von einer Schadeninflation sprechen, wie dies der GDV angesichts steigender Ersatzteilpreise und Stundenverrechnungssätze tut. In der Konsequenz liegt auch unsere Combined Ratio bei einem Wert, mit dem wir nicht zufrieden sind, und damit im nicht-profitablen Bereich. Deshalb werden wir unsere Tarife anpassen, ebenso wie der Markt.

N. Bey: Es stellt sich halt die Frage, wie weit sich die Schraube in manchen Bereichen noch anziehen lässt. Wenn man sieht, dass bei einem Frontschaden an einem Elektrofahrzeug mit ausgelösten Airbags die Verbindungen zur Batterie automatisch gekappt werden, sollte sich der Hersteller Gedanken machen über eine nachhaltige Reparatur. So treibt man die Schadenhöhe von 3.000 bis 5.000 Euro um weitere 15.000 Euro in die Höhe und das eigentlich völlig ohne Not. Je nach Modell komme ich da schnell in Richtung Totalschaden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Kunden das gutheißen – ebenso wenig wie
Stundenverrechnungssätze in Höhe von 400 Euro und mehr.

Ökologische Reparatur braucht keinen Prämiennachlass

AH: Ein momentan viel diskutierter Ausweg aus diesem Dilemma ist der Einsatz hochqualitativer Gebrauchtteile. Wie stehen Sie zu dieser Idee?

D. Koop: Der grundlegende Ansatz ist nicht nur aus wirtschaftlichen Erwägungen bedeutsam, sondern vor allem unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit. Allerdings sind noch viele Fragen offen. Zusätzlicher Schwung könnte dann in die Sache kommen, wenn der Gesetzgeber Vorgaben machen würde, so wie dies in anderen europäischen Märkten der Fall ist, oder wenn erste Spezialtarife auf den Markt kommen.

AH: Wie könnten diese aussehen, welche Nachlässe könnten Sie sich für den Einsatz von Gebrauchtteilen vorstellen?

M. Becker: Ich stelle mir vielmehr die grundlegende Frage, ob es überhaupt ein Nachlass sein muss? Wenn ich heute den CO2-Abdruck eines Fluges neutralisieren möchte, kostet das extra. Die Reparatur
muss ökologisch und ökonomisch sinnvoll sein – dann wird es die entsprechenden Produkte und auch die interessierten Kunden geben. Die Qualität der Reparatur und die der Ersatzteile muss gleichwertig sein. Die Lösung ist nicht: Reparatur mit einem Gebrauchtteil gleich Nachlass in der Kfz-Versicherung.

Wie GT-Instandsetzung vorankommen könnte

AH: Welche Fehler gilt es aus Ihrer Sicht zu vermeiden?

N. Bey: Es braucht ein Regelwerk, welches sich am Markt orientiert. Die Nachfrage bestimmt, welche Fahrzeuge für ein zweites Leben als Ersatzteilspender infrage kommen. Hochwertige verfügbare Ersatzteile werden zukünftig Einfluss auf die Preisgestaltung nehmen.

M. Becker: Aus meiner Sicht wäre es entscheidend, dass sich alle Restwertbörsen zusammenschließen, um die Idee der Gebrauchtteilreparatur gemeinsam voranzutreiben. Statt wie heute vier klassische und einen grünen Anbieter zu haben oder gar vier herkömmliche und vier nachhaltige, wäre es wohl am besten, Totalschäden in maximal zwei Kreisläufe einsteuern zu können. Entweder in den bisherigen Weg oder in Richtung Ersatzteilgewinnung und Recycling. Wenn die ohnehin noch wenigen Teile auf noch mehr Anbieter verteilt werden, kann ich mir nicht vorstellen, dass das System die notwendige Fahrt aufnehmen kann.

AH: Frau Koop, Herr Becker, Herr Bey, herzlichen Dank für dieses interessante Gespräch.

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Mit rund 4.000 Partnerbetrieben gehört das DEVK-Werkstattnetz zu den größten in Deutschland.
© Foto: Robertino Nikolic, DEVK
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