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"Blindflug statt Prävention": Unzureichende Erfassung von lebensgefährlich Verletzten

07.04.2025 08:55 Uhr | Lesezeit: 4 min
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Selbst bei Horror-Crashs wie diesem, wo ein Pkw nachts auf der BAB A7 mit hoher Geschwindigkeit auf das Heck eines Lkw auffuhr, ist eine falsche statistische Erfassung der Unfallopfer nicht ausgeschlossen. Angenommen, der Fahrer hat im Gegensatz zum Beifahrer noch zwei Tage lang gelebt, dürfte er wohl als "stationär für mindestens 24 Stunden aufgenommen“ geführt worden sein – was der tatsächlichen Unfallschwere und ihren finalen Folgen nicht im Mindesten gerecht wurde.
© Foto: Walter K. Pfauntsch

Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR) klagt an: Selbst Schwerstverletzte werden nach Unfällen lediglich in der Kategorie „stationär für mindestens 24 Stunden aufgenommen“ erfasst. Das sei keine Basis, um anhand solcher (oft falscher) Daten präventiv Opferzahlen zu senken. Richtig sei dagegen die amtliche Erfassung nach dem medizinischen Standard "MAIS 3+", um lebensgefährliche Verletzte auch "sichtbar" zu machen.

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Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat sieht dringenden Reformbedarf, was die amtliche Erfassung der bei Verkehrsunfällen in Deutschland verletzten Personen anlangt. Anlass ist der heute vor einer Woche (31. März) veröffentlichte "Serious Injuries Report" des Europäischen Verkehrssicherheitsrats (ETSC), der erhebliche Lücken bei der statistischen Erfassung potenziell lebensgefährlich verletzter Verkehrsteilnehmer aufzeigt – gerade auch in Deutschland.

Laut dem Bericht erfassen viele europäische Staaten inzwischen Unfallopfer nach dem medizinischen Standard „MAIS 3+“, der das Risiko langfristiger Schäden oder tödlicher Verläufe abbildet. Deutschland hingegen nutzt in der amtlichen Statistik weiterhin die rein organisatorische Kategorie "stationär für mindestens 24 Stunden aufgenommen" – und zählt MAIS 3+ Verletzte bislang nicht gesondert.

"Nur genaues Wissen über die Unfallfolgen hilft uns weiter"

"Unfallprävention darf kein Blindflug sein", mahnt deshalb DVR-Präsident Manfred Wirsch. "Wer das Risiko im Straßenverkehr wirklich reduzieren will, braucht klare, verlässliche Daten. Es macht einen großen Unterschied, ob jemand zur Beobachtung eine Nacht im Krankenhaus verbringt, oder monatelang im Koma liegt und vielleicht nie wieder arbeiten kann. Ein genaueres Wissen über die Unfallfolgen hilft uns auch, die Prävention zu verbessern – zum Beispiel bei der Verbesserung von Infrastruktur oder Fahrzeugtechnik"

Kein "motorisiertes Fahrzeug" = katastrophale Datenlage

Der ETSC-Bericht weist darauf hin, dass europaweit besonders viele potenziell lebensbedrohlich Verletzte nicht durch Polizeistatistiken erfasst werden – etwa, weil kein motorisiertes Fahrzeug beteiligt ist. In den Niederlanden liegt die polizeiliche Erfassungsrate bei Unfällen ohne Fahrzeugbeteiligung nur bei rund 12 Prozent. Auch Deutschland ist von solcher systematischer Untererfassung betroffen. Um das zu ändern, fordert der DVR eine gesetzliche Verankerung der MAIS 3+ Erhebung in der amtlichen Straßenverkehrsunfallstatistik – als Voraussetzung für effektive Prävention.

Novellierung dringlichst und alternativlos

"Im Zusammenspiel von Polizeien der Länder, Krankenhäusern und der gesetzlich geregelten Bundesstatistik braucht es jetzt den gemeinsamen politischen Willen, die Voraussetzungen für eine bessere Erhebung zu schaffen“, mahnt Wirsch. "Eine Novellierung des Straßenverkehrsunfallstatistikgesetzes muss auf die Agenda – in dieser Legislaturperiode. Wir hoffen, dass die kommende Bundesregierung hier das Heft des Handelns in die Hand nimmt und alle Beteiligten hinter dem Ziel einer besseren Erfassung der Daten von potenziell lebensgefährlich Verletzten versammelt.“

Deutschland signifikant im Abseits

Laut DVR zählt Deutschland "zu den wenigen Ländern Europas, die bislang kein Ziel zur Reduktion der nach der europaweit einheitlichen Definition MAIS 3+ Verletzten formuliert haben". Für die grobe Kategorie der "Schwerverletzten" werde lediglich eine signifikante Senkung angestrebt. Auch eine systematische, bundeseinheitliche Erhebung existiere bisher nicht – obwohl die EU-Staaten gemeinsam eine Halbierung dieser Zahl bis 2030 anstreben. 

Wie hoch alleine in Europa der Nachholbedarf ist, zeigt auch das folgende DVR-Statement: "Deutschland meldet bislang eine geschätzte Zahl potenziell lebensgefährlich Verletzter an die EU, die auf Hochrechnungen aus dem Forschungsprojekt GIDAS (German In-Depth Accident Study) basiert. Dieses erhebt jährlich rund 2.000 Verkehrsunfälle mit Personenschaden in ausgewählten Regionen – zu wenig, um belastbare Aussagen über einzelne Unfallkonstellationen zu treffen."


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