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Alles was Recht ist: Autorechtstag erneut Prüfstand für Gesetzgebung und Urteile

27.03.2023 04:59 Uhr | Lesezeit: 22 min
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Akteure des 1. Veranstaltungstages (v.l.): ADAC-RA Alexander Sievers, Dr. Uta Sophie Richter, LL.M., Vors. Richter am BGH a.D. Wolfgang Ball, Prof. Dr. Ansgar Staudinger, RA Dr. Kurt Reinking, RA Marcus Gülpen, Prof. Dr. Markus Artz, RA‘in Eva Hettwer, Dr. Dr. Hans Steege, BVfK-Vorstand Ansgar Klein.
© Foto: Deutscher Autorechtstag

Mehr denn je machte der 16. Deutsche Autorechtstag auf dem Bonner Petersberg deutlich, dass hier in Sachen "Automobilrecht" ebenfalls eine fachlich Institution erwachsen ist, wie sie die Branche seit 1962 weithin nur vom Deutschen Verkehrsgerichtstag kennt. Wie aktuell die Themen vergangene Woche ausgeleuchtet wurden, zeigte sich nicht zuletzt an der spontanen Befassung mit dem Diesel-Urteil des EuGH, welches erst während der Tagung ergangen ist.

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Auf der gemeinsam von ADAC, BVfK und ZDK ausgetragenen Veranstaltung standen auch in diesem Jahr wieder top-aktuelle und spannende Themen, vorgetragen von hochkarätigen Referenten, auf der Agenda.

Am Branchen-Puls

Die grundlegende Branchen-Ausgangslage gab auch den inhaltlichen Rahmen für die jeweiligen Referate und Berichte des 16. Deutschen Autorechtstages (ART) vor. Zusammengefasst stellt sich die Situation zunächst in zwei übergeordneten Themenblöcken wie folgt dar:

1. Der Automobilhandel steckt mitten im Umbruch. Neue Vertriebsmodelle verlangen nach einer Modernisierung einschlägiger gesetzlicher Grundlagen, pandemie- und kriegsbedingte Störungen im Lieferprozess hingegen nach pragmatischen und dennoch rechtlich wohl durchdachten (Adhoc-)Lösungen.

2. Hinzu treten die nach wie vor anhaltenden Schwierigkeiten im Umgang mit dem neuen Gewährleistungsrecht, das wie ein Damoklesschwert bislang weitestgehend unbemerkt über der Branche zu schweben scheint.

Genau hier setzte der ART an und berichtete brandaktuell über den jüngsten Stand der einschlägigen Gesetzgebung und Rechtsprechung, um hieraus sinnvolle Empfehlungen für die Praxis abzuleiten. Sogar das erst während der Tagung ergangene EuGH-Urteil zu den Voraussetzungen einer Schadensersatzklage bei vom Abgasskandal betroffenen Fahrzeugen wurde auf dem Bonner Petersberg behandelt.

Der Deutsche Autorechtstag bildete somit erneut ein juristisch gehalt- und auch wertvolles Veranstaltungs-Highlight im Bereich des "Automobilrechts". Die Vortragenden lieferten den Teilnehmern ein breites Spektrum an relevantem Wissen und Jurisprudenz wie auch Branchenvertretern neue Denkanstöße.

EuGH: "Einfache Fahrlässigkeit ausreichend"

Und selbst der Europäische Gerichtshof (EuGH) schien seinen Terminplan auf den Autorechtstag ausgerichtet zu haben, wie ART-Präsident Prof. Dr. Ansgar Staudinger (Anm. d. Red.: Er ist auch amtierender Präsident des Deutschen Verkehrsgerichtstages in Goslar) amüsiert feststellte: Zeitgleich zum ART verkündete der EuGH seine lang erwartete Entscheidung zum Dieselskandal, die da lautet, dass ein Anspruch auf Schadensersatz gegen den Hersteller von Dieselautos mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung "nicht erst bei vorsätzlicher, sittenwidriger Schädigung, sondern bereits bei einfacher Fahrlässigkeit besteht". Staudinger nahm dies zum Anlass, bereits eine erste juristische Bewertung abzugeben.

Update zur Schadenregulierung und weiteren Rechtsthemen

Der erste Veranstaltungstag startete traditionsgemäß mit einem Update zur Schadenregulierung, zum Versicherungsrecht, Verkehrsstraf- und Ordnungswidrigkeitenrecht. RA Marcus Gülpen überreichte dazu wie gewohnt ein überarbeitetes Skript zur Unfallschadenregulierung, welches mittlerweile über 420 Seiten umfasst. Dieses Jahr widmete er seinen Vortrag insbesondere dem Gebührenrecht sowie der Thematik rund um den Vorschaden. Dabei ging er auf die entsprechend relevanten BGH-Entscheidungen ein.

"Raser"-Urteile

Im Anschluss daran präsentierte Dr. Matthias Quarch, Vors. Richter beim LG Aachen, aktuelle Entscheidungen zu verschiedenen "Raser"-Varianten. Neben der inzwischen weitestgehend geklärten Frage der Promille-Grenze beim Führen eines E-Scooters zeigte er auch die Tendenzen der Rechtsprechung hinsichtlich des Einblicks in Geschwindigkeits-Messunterlagen auf. Schließlich beschäftigte er sich eingehend mit dem Strafmaß bei Verursachung eines tödlichen Verkehrsunfalls infolge des Versendens von Handy-Nachrichten am Steuer.

Wann ein Mietwagenunternehmer schadenersatzpflichtig wird

Mit einem Überblick über die jüngsten Entscheidungen und Gesetzesänderungen des zurückliegenden Jahres startete Prof. Dr. Staudinger seine Ausführungen. Er erörterte zunächst Fragen zur Halterhaftung bei Maut- und Parkverstößen mit Auslandsbezug (insbesondere BGH Urteil vom 28.09.2022, XII ZR 7/22 und v. 7.12.2022, XII ZR 34/22) und überraschte die Teilnehmer anschließend mit der BGH-Entscheidung zur Informationspflicht bei Fernabsatzgeschäften (Urteil vom 13.07.2022, VIII ZR 317/21): Ohne Hinweis darauf, dass ein Widerrufsrecht nicht besteht, kann sich etwa ein Mietwagenunternehmer schadensersatzpflichtig machen, so Staudinger.

Verkürzung der Verjährungsfrist oft unwirksam

Er wies sodann darauf hin, dass das neue Gewährleistungsrecht die Praxis noch nicht vollumfassend erreicht habe, obwohl es bereits seit dem 1. Januar 2022 zu beachten sei. Dies führe in vielen Fällen mangels unwirksamer Verkürzung der Verjährungsfrist zu einem Rückfall auf eine zweijährige Frist und berge darüber hinaus Abmahnrisiken. Brisante Entscheidungen zum Schockschaden sowie zur Hinterbliebenen-Entschädigung (BGH, Urteil vom 6.12.2022, VI ZR 168/21 und VI ZR 73/21) sowie zur Tierhalterhaftung (OLG Celle, Urt. V. 25.02.2023, 20 U 36/20) rundeten den Eröffnungsvortrag ebenso ab, wie eine Kurzdarstellung des Referentenentwurfs zur "Abhilfeklage".

Wie wirken Lieferkettenstörungen auf Autokauf und -Reparatur?

Seit Anfang 2021 hat die sogenannte Chipkrise, also die mangelnde Verfügbarkeit von Halbleitern, zu ersten Problemen nicht nur bei der Fahrzeugproduktion, sondern auch bei der Verfügbarkeit von Ersatzteilen im Aftersales und nicht zuletzt bei der Unfallreparatur geführt. Dr. Thomas Almeroth, ehemals langjähriger Hauptgeschäftsführer des VDIK, verdeutlichte den Teilnehmern, welche rechtlichen Konsequenzen damit einhergehen: "Wen beißen die Hunde, wenn das neue Auto monatelang nicht geliefert werden kann und dann noch mit einer anderen als der bestellten Ausstattung kommt?"

Wenn ein Gutachten "falsche" Vorgaben enthält...

Weitere behandelte Fragestellungen waren: Welche Rechte hat ein Unfallgeschädigter gegen die Versicherung, wenn die Unfallreparatur oder im Totalschadensfall die Ersatzbeschaffung viel länger dauert und teurer wird, als im Gutachten kalkuliert? Wie wirken sich solche Erschwernisse auf Mietwagenkosten oder Nutzungsausfall-Entschädigung des Unfallgeschädigten aus? Der Referent plädierte dafür, die Lieferkettenstörungen von Anfang an und seitens aller Beteiligter stärker in den Blick zu nehmen, um damit sachgerecht umgehen zu können.

Kfz-GVO und Vertikal-GVO

Den wesentlichen EU-Verordnungen zur Regelung des kartellrechtlichen Rahmens im Automobilsektor, nämlich der Kfz-GVO wie auch der Vertikal-GVO, widmete sich Prof. Dr. Markus Artz. Während die aktualisierte Vertikal-GVO bereits im vergangenen Jahr in Kraft getreten ist, das Verhältnis der Vertriebsstufen untereinander sowie jeweils zum Hersteller regelt und ferner die sich ausweitenden Agentur- und Direktvertriebssysteme in den Fokus rückt, soll die Kfz-GVO weitestgehend unverändert fortbestehen bleiben und lediglich deren Leitlinien einer "Frischzellenkur" unterzogen werden.

Artz zeigte die zukünftigen Eckpfeiler beider Regelwerke auf, insbesondere im Hinblick auf selektiven Vertrieb, geltende Kernbeschränkungen und den Status unabhängiger Marktteilnehmer. Abschließend gewährte er einen Ausblick auf die Zukunft des Fahrzeughandels und damit einhergehende Regelungen zu den sich ausweitenden Modellen des Direktvertriebs sowie des Agenturgeschäfts.

Widerrufsrecht bei der Kfz-Finanzierung

Rechtsanwältin Dr. Uta Sophie Richter stellte aktuelle Entscheidungen des BGH und des EuGH zu den Pflichtangaben in Verbraucherdarlehensverträgen und zum Widerrufsrecht bei der Fahrzeugfinanzierung vor. Eingehend erläuterte sie die aktuellen Fragestellungen zur rechtlichen Einordnung von Kilometer-Leasingverträgen, die im Autohaus angebahnt werden, anhand der aktuellen Rechtsprechung und der Schlussanträge des EuGH-Generalanwalts in laufenden Verfahren vor dem EuGH.

Widerrufsrecht sorgfältig beachten!

Einen weiteren Schwerpunkt bildeten die Voraussetzungen der Verwirkung und des Rechtsmissbrauchs des Widerrufsrechts. Ein Überblick über die Rechtsfolgen eines wirksamen Widerrufs rundete den Vortrag ab. Dabei ging die Referentin auch auf die aktuellen Entscheidungen des BGH zur Vorleistungspflicht des Darlehensnehmers bei der Rückabwicklung widerrufener Finanzierungsverträge und auf die Voraussetzungen eines Annahmeverzugs des Darlehensgebers ein.

Digitale Selbstjustiz

Im darauffolgenden Vortrag widmete sich Dr. Dr. Hans Steege eingehend dem BGH-Urteil v. 26.10.2022 (Aktenzeichen: XII ZR 89/21) zur Fernsperrung einer Autobatterie und deren Auswirkungen auf die Praxis. Es handelt sich um das erste höchstrichterliche Urteil zum Themenkomplex digitaler Selbstjustiz, bei dem es um die Fernsperrung einer vernetzten Sache geht.

Gesetzgeber beim Sachenrecht gefordert

Der Referent zeigte im Anschluss an einen historischen Abriss über die Entwicklung vom Faustrecht zum staatlichen Gewaltmonopol im Einzelnen auf, wie digitale Fernzugriffe unter dem Blickwinkel insbesondere des Sachenrechts und des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu beurteilen sind. Er machte deutlich, dass auch nach dem BGH-Urteil Rechtsunsicherheit besteht und der Gesetzgeber gefordert ist, das Sachenrecht an das digitale Zeitalter anzupassen, da mit weiteren Fällen digitaler Selbstjustiz aufgrund der zunehmenden Digitalisierung und Vernetzung von Produkten zu rechnen ist.

Podiumsdiskussion zu Fernsperrung und Selbstjustiz

Prof. Dr. Artz eröffnete die anschließende Podiumsdiskussion mit einem Statement zur Anwendbarkeit der §§ 327a und p BGB. RA‘in Eva Hettwer betonte sodann, dass sie vorerst keinen Unterschied zwischen einer physischen Sperre, beispielsweise durch eine Kralle, und einer digitalen Sperre zu erkennen vermöge.

Probleme bei digitalen Sperren sieht Dr. Dr. Steege insbesondere in der Vertragsgestaltung. Zwar könne die Möglichkeit des Widerrufs einer vertraglich vereinbarten Einwilligung in den Besitzentzug bis zum Zugriff aufgenommen werden, diese sei für den Nutzer aber meist schwer erkennbar, auch im Hinblick auf die Rechtsfolgen. Nach Ansicht von Prof. Dr. Staudinger wird es zukünftig verstärkt auf die Unterschiede zwischen Vertrags- und Sachenrecht und damit verbunden auch auf die Frage ankommen, ob verbotene Eigenmacht eine Rolle spielen kann. Artz schloss anschließend einen Vergleich zur Schlüsselkarte eines Hotelzimmers, die auf nahezu ausnahmslose Akzeptanz stoße. Es sei, so Artz, hinsichtlich relevanter Vertragsklauseln, die eine Fernsperrung wesentlicher Fahrzeugbestandteile ermöglichen, auf den Beendigungswillen des Mieters abzustellen. Im Falle einer ungewollten Besitzstörung müsse dem Mieter bei formularmäßig erteilten Einwilligungen insoweit eine Widerrufsmöglichkeit eröffnet werden.

Außerbetriebsetzung bei Zahlungsrückstand

Dr. Kurt Reinking gab hinsichtlich möglicher AGB-Regelungen zur Fernsperre zur bedenken: "Wir sind noch nicht am Ende des Möglichen angekommen." Im Hinblick auf befristete Überlassungsverträge, bei denen das Fahrzeug nach Vertragsende nicht zurückgegeben werde, halte er eine Klausel für unbedenklich, die eine digitale Stilllegung nach kurzer Fristsetzung vorsehe. Komme es bei vorzeitiger Vertragsbeendigung zum Streit über deren Wirksamkeit, sei eine Klausel denkbar, die eine digitale Ausserbetriebsetzung des Fahrzeugs vorsehe, falls der Nutzer den Zahlungsrückstand nicht innerhalb einer zu setzenden Frist begleiche oder wegen seiner Einwendungen Klage einreiche.

"Von Anfang an Fehler vermeiden!"

Dr. Steege schlug vor, danach zu differenzieren, ob es sich um lebensrelevante Produkte handle, da diese Voraussetzung Ausgangspunkt der Betrachtungen des BGH war. Eine Interessenabwägung befürwortete auch Rechtsanwältin Dr. Richter, für die es insbesondere galt, im Vorfeld Fehler auszumerzen, die zu unberechtigten Sperren führen, anstatt auf nachträgliche Korrekturmöglichkeiten zu setzen. Erneut wurden Parallelen zu Produkten gezogen, bei denen Fernsperren bereits seit langem auf Akzeptanz in der Bevölkerung gestoßen seien, so z.B. bei Softwarelizenzen für Programme und Videospiele. "Der Schlüssel des Vermieters im Falle einer Mietwohnung ist auf die digitale Fernsperrmöglichkeit übertragbar", meldete sich der Vors. Richter am BGH a.D. Wolfang Ball zu Wort, sodass sachenrechtlich Mitbesitz des Vermieters anzunehmen sei.

Aus dem Auditorium meldete sich RA Ehlscheid, der es als unglücklich empfand, dass bei einer Fernabschaltung anbieterseitig nicht geprüft werde, welcher Umstand der "Zuwiderhandlung" zugrunde liege. Das Augenmerk müsse auf die Vertragsgestaltung gelegt werden. Eine Korrektur über das Schadensersatzrecht hielt Prof. Artz insoweit für ausreichend. Rechtsanwältin Hettwer lenkte die Diskussion sodann nochmals auf die Frage, ob eine Einwilligung in § 858 BGB möglich sei. Vor dem Hintergrund der angespannten Lage auf dem Fahrzeugmarkt wurde auch die Attraktivität des Batteriemiete-Modells diskutiert.

Entscheidungen zum Kauf- und Leasingrecht

Dr. Ralph Bünger, Vorsitzender Richter am BGH, stellte die aktuelle Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs zum Autokauf und zum Autoleasing vor. Beim Autoleasing legte er den Fokus insbesondere auf die in vielen Fällen zwischen Leasingnehmern und Leasinggesellschaften – sowohl auf der Ebene des europäischen als auch des nationalen Rechts – streitige Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen den Verbrauchern ein Recht zum Widerruf des Leasingvertrags zusteht.

Im Bereich des Autokaufs bildete den Schwerpunkt des Vortrags die mittlerweile umfangreiche Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats zu den sogenannten Dieselverfahren, in denen Fahrzeugkäufer wegen unzulässiger Abschalteinrichtungen vom Kaufvertrag – oftmals ohne vorherige Fristsetzung – zurückgetreten sind oder die Ersatzlieferung eines mangelfreien Fahrzeugs – nicht selten eines Nachfolgemodells - verlangen.

"Buntes" rund um Auto und Verkehr

Direkt im Anschluss nahm Dr. Oliver Klein, Richter am BGH, die Teilnehmer mit auf eine tour d’horizon durch die Rechtsprechung des VI. Zivilsenats (Verkehrsrechtssenat) des Bundesgerichtshofs aus den letzten zwölf Monaten. Ein Schwerpunkt lag dabei auf aktuellen Fragen des Sachschadens, insbesondere des Werkstattrisikos und der Besonderheiten beim Sicherungseigentum.

Wie schließt man Defizite in der Schadenregulierung?

So erläuterte er beispielsweise die Regressmöglichkeiten des Haftpflichtversicherers gegenüber dem Sicherungsgeber im Wege der Widerklage, wenn hälftiges Mitverschulden der Beteiligten anzunehmen sei, der Haftpflichtversicherer gegenüber dem Sicherungsnehmer aber voll hafte. Schließlich ging der Referent auf mögliche Unterlassungsansprüche bei Verstößen gegen Luftreinhaltepläne ein. Dem Vortrag schloss sich eine angeregte Diskussion darüber an, ob Defizite in der Schadenregulierung primär durch den Gesetzgeber oder Rechtsfortbildung zu schließen seien.

"Unfallvorschaden kaum rechtssicher zu vereinbaren"

Obwohl Verbraucher und Handel bereits seit Beginn des vergangenen Jahres den Herausforderungen des neuen Gewährleistungsrechts gegenüberstehen, sind die rechtlichen Reibungspunkte bislang wider Erwarten überschaubar. BVfK-Jurist Stefan Obert zeigte in seinem Vortrag auf, wie man mögliche Fallstricke durch optimale Vertragsgestaltung vermeiden kann und welche Rechtsfolgen lauern, wenn man die gesetzlichen Anforderungen ignoriert.

Nachdem er verschiedene Lösungsansätze gegenüberstellte, gelangte er zu einem eher pessimistischen Fazit: "Auch wenn wir in der BVfK-Rechtsabteilung bislang kaum Fälle verzeichnen, in denen das neue Gewährleistungsrecht eine Rolle spielt oder thematisiert wird, können negative Abweichungen, wie beispielsweise ein Unfallvorschaden, derzeit kaum rechtssicher vereinbart werden", so Obert.

Divergente Diskussion

In der anschließenden Diskussion bewerteten die Vertreter der Händlerverbände die Situation unterschiedlich: Während ZDK-Geschäftsführer Ulrich Dilchert dem verschärften Gewährleistungsrecht eine Verbesserung der Sicherheit auf Verbraucher- wie auch auf Händlerseite zusprach, kritisierte BVfK-Vorstand Ansgar Klein, dass die neue Rechtslage insbesondere in Verbindung mit einer missverständlichen öffentlichen Bewertung zu einer überzogenen Haltbarkeitserwartung mit der Folge führe, dass preiswerte Gebrauchtwagen zunehmend im Handel fehlten und bald nur noch auf dem Privatmarkt zu finden seien. Dort würden die Fahrzeuge dann ganz ohne die Beachtung der Verbraucherrechte mit Gewährleistungsausschluss verkauft.

Wie lange "fabrikneu"?

Rechtsanwältin Eva Hettwer stellte einige interessante Urteile der nationalen Instanzgerichte vor. So hatte sich das OLG Frankfurt mit der Frage befasst, wie lange ein Fahrzeug als "fabrikneu" zu bewerten ist und ob ein Fahrzeugverkäufer einen Zwischenhändler in jedem Fall offenbaren muss. Nach der Auffassung des Landgerichts Darmstadt stellte die Unterschrift eines Autoverkäufers auf dem Formular der verbindlichen Bestellung nicht zwangsläufig die Annahme eines Angebotes dar.

Wie lange läuft ein Test?

In einer weiteren Entscheidung bestimmte das Gericht die zu erwartende Gesamtlaufleistung eines Tesla nach einer öffentlichen Aussage des CEO. Auch das Landgericht München I befasste sich mit einem Elektrofahrzeug dieser Marke und bewertete die Anforderungen an als Zusatzausstattung verkaufte Assistenzsysteme. Das OLG Braunschweig bewertete die Entwendung eines verwahrten "Oldtimer"-Traktors nach Kauf. Dabei überraschte das Gericht mit einer eigenen Ermittlung der Schadenshöhe.

Kaufrecht und EuGH-Ausblick

Schließlich widmete sich Prof. Dr. Ansgar Staudinger der internationalen Rechtsprechung zum Kaufrecht sowie einem EuGH-Ausblick. Eingangs wies Staudinger darauf hin, dass das UN-Kaufrecht im unternehmerischen Bereich das BGB "schlage", sofern keine Abwahl von den Parteien erfolgt sei. Dis werde im Autohandel teils übersehen. Besondere Aufmerksamkeit verdiene eine aktuelle Entscheidung zum Verbraucherschutzgerichtsstand nach der Brüssel Ia-VO (EuGH, Urteil vom 9.3.2023, C-177/22.

Urteile mit Überraschungs-Charakter

Bei der Beurteilung, ob es sich um ein B2B- oder B2C-Geschäft handle, könne die umsatzsteuerliche Behandlung des Geschäfts weiterhelfen. "Die Brüssel Ia-VO gilt in Verbrauchersachen bei vertraglichen Ansprüchen weltweit", gab Staudinger dem überraschten Teilnehmerkreis im Übrigen zu verstehen. Er ging auf weitere Entscheidungen mit Auslandsbezug ein, so z.B. die des BGH vom 23.09.2022 (V ZR 148/21), nach welcher den Alteigentümer die primäre und den Erwerber die sekundäre Darlegungslast hinsichtlich der Vorlage und Prüfung der Zulassungsbescheinigung Teil II treffe.

Auch der Beschluss des Bayerischen ObLG vom 23.1.2023 (101 AR 64/22) wies beachtenswerte Besonderheiten auf: Nach § 32 ZPO können Autohersteller aus dem Vereinigten Königreich nach dem Brexit dort aus unerlaubter Handlung verklagt werden, wo durch ein Software Update in Deutschland beim Händler eine Integritätsverletzung des Eigentums am Fahrzeug dadurch eintritt, dass im Nachgang zum Update etwa die Bluetooth-Anbindung fehlschlage oder das Navigationssystem nicht mehr einwandfrei funktioniere.

Schadensersatz für getäuschte Dieselbesitzer leichter möglich

Der 16. Deutsche Autorechtstag konnte auch aktuell auf das am Vormittag verkündete Urteil des EuGH zum Thermofenster eingehen. Die Richter hatten am Vormittag entschieden, dass Käufer eines Dieselautos mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung Schadensersatz vom Hersteller verlangen können.

Ein solcher Anspruch gegen den Hersteller bestehe nicht erst bei vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung, sondern bereits bei einfacher Fahrlässigkeit (Urteil vom 21.3.2023, Az.: C-100/21).

ART-Präsident Staudinger betonte, der Entscheid sei Anlass, zukünftig gerade beim BGH in Karlsruhe nicht allzu schnell von einem "acte-clair" auszugehen und demzufolge von Vorlagen abzusehen. Überdies bleibe nun abzuwarten, wie die hiesige Justiz die verbleibenden Spielräume etwa bei der Bezifferung der Schadenshöhe unter Einbeziehung gezogener Nutzungen auslote. Allerdings sei dem Präventionsgedanken und dem Gebot einer hinreichend effektiven Sanktion ausreichend Rechnung zu tragen. Klargestellt sei überdies, dass eine Haftung der Hersteller selbst bei einfacher Fahrlässigkeit im Ausgangspunkt wegen des Verstoßes gegen ein "Europäisches Schutzgesetz" im Zusammenspiel mit § 823 Abs. 2 BGB in Betracht komme. Die Verjährung unterliege insofern den §§ 194 ff. BGB.

Der Wert des ART aus Teilnehmersicht

Der von ADAC, BVfK und ZDK gemeinsam veranstaltete und von Prof. Dr. Ansgar Staudinger, Rechtsanwalt Dr. Kurt Reinking und dem Vors. Richter am BGH a.D. Wolfgang Ball geleitete ART hat sich auch in seiner 16. Ausgabe "nicht nur als Forum hochaktueller und brisanter Rechtsthemen, sondern auch als wertvoller Bestandteil juristischer Bildungsangebote etabliert", stimmten die Teilnehmer überein. Neben der Vertiefung rechtswissenschaftlicher Themen ist auch das vielseitige Praxisseminar zur Schadensregulierung bzw. zum Verkehrsstraf- und Versicherungsrecht längst anerkannt und bietet den Teilnehmern bei Nutzung aller Angebote den vollständigen Fortbildungsnachweis über die erforderlichen 15 Stunden.

Der 17. Deutsche Autorechtstag wird im kommenden Jahr vom 17./18. bis 19. März 2024 wieder auf dem Petersberg stattfinden.   (kaf/wkp)

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