Mehr Geld für die Schiene und den Nahverkehr – die Ampel will bei der Verkehrswende das Tempo erhöhen, damit Klimaziele erreichbar werden. Radikale Maßnahmen wie eine Abschaffung etwa der Pendlerpauschale, wie sie manche Klimaschützer fordern, sind allerdings nicht geplant. Auch ein von Grünen-Politikern geforderter Stopp des Baus neuer Autobahnen kommt nicht, mit der FDP war das nicht zu machen. Die Liberalen sollen künftig den Verkehrsminister stellen –erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik.
Jahrelang war das Verkehrsministerium, das Ressort mit dem größten Investitionsetat, in den Händen der CSU. Nun zieht nach dem Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP überraschend ein FDP-Politiker ein. Generalsekretär Volker Wissing soll den Job übernehmen. Bisher war man im politischen Berlin davon ausgegangen, dass die Grünen das Ressort bekommen.
Auch an anderen Stellen konnte sich die FDP durchsetzen. Lange wurde dem Vernehmen nach darum gestritten, ob es in Städten künftig innerorts Tempo 30 statt Tempo 50 als Regelgeschwindigkeit geben soll – im Koalitionsvertrag steht davon nichts. Und vor allem die Liberalen setzten dem Vernehmen nach das begleitete Fahren mit 16 durch, bisher ist dies mit 17 möglich.
Beim Bundesverkehrswegeplan, der bei der Verteilung der Milliarden aus Sicht von Kritikern viel zu sehr auf die Straße ausgerichtet ist, gibt es im Koalitionsvertrag weiche Formulierungen. Dort heißt es: "Wir streben einen neuen Infrastrukturkonsens bei den Bundesverkehrswegen an." Zusammen mit Verbänden solle ein "Dialogprozess" über die Prioritäten bei der Umsetzung des Plans gestartet werden.
"Schiene vor Straße"
Dennoch sendet die Ampel ein wichtiges Signal: Bei der Erhöhung der Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur soll "erheblich" mehr in die Schiene als in die Straße investiert werden. Jahrzehntelang war es anders. "Erstmals bekennt sich eine Koalition bei den Verkehrsinvestitionen zum Grundsatz: Schiene vor Straße", sagte der Geschäftsführer des Bündnisses Allianz pro Schiene, Dirk Flege.
Positiv sei auch die geplante Ausweitung der Lkw-Maut, die zudem stärker an der CO2-Last ausgerichtet werden soll. Die Milliardeneinnahmen aus der Lkw-Maut, die bisher in die Straße gehen, sollen künftig auch in die Schiene fließen – im Koalitionsvertrag heißt es dazu: "Wir werden die Mehreinnahmen für Mobilität einsetzen." Deutlich mehr Geld geben könnte es auch für den Nahverkehr. Denn ein Schlüssel dazu, Menschen zum Umsteigen vom Auto auf Busse und Bahnen zu bewegen, ist es, die Alternativen attraktiver zu machen.
Bei der bundeseigenen Deutschen Bahn bleibt eine radikale Strukturreform aus. Vor allem die FDP wollte für mehr Wettbewerb auf der Schiene eine Aufspaltung in Infrastruktur und Bahnbetrieb. Dagegen legte aber die SPD ihr Veto ein. Deswegen bleibt die Deutsche Bahn AG nun als "integrierter Konzern" erhalten. Martin Burkert, Vizechef der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG, begrüßte es, dass die "wahnwitzige und schädliche Idee" einer "Zerschlagung" der Bahn vom Tisch sei.
Eine Neuerung bei der Bahn aber soll es geben. Die Infrastruktureinheiten unter anderem mit der DB Netz sollen innerhalb des Konzerns zu einer neuen, "gemeinwohlorientierten" Sparte zusammengelegt werden. Gewinne sollen künftig in dieser neuen Sparte verbleiben, damit mehr investiert werden kann.
Finanzielle Spielräume für einen "Aufbruch in der Mobilitätspolitik" sollen geschaffen werden auch durch den Abbau klimaschädlicher Subventionen. Dabei bleit aber manches vage im Koalitionsvertrag und es ist von Prüfaufträgen die Rede. Staatliche Fördermittel soll es aber künftig nur noch für E-Autos geben, die nachweislich einen positiven Klimaschutzeffekt haben. 2030 sollen mindestens 15 Millionen vollelektrische Pkw zugelassen sein – das ist noch ein weiter Weg.
Ob die Ampel-Pläne reichen für mehr Klimaschutz im Verkehrsbereich? Deutschland müsse massiv nachsteuern, um beim Verkehr die Ziele bis 2030 zu erreichen, hatte der Präsident des Umweltbundesamts, Dirk Messner, vor kurzem gesagt. Er schlug zahlreiche einschneidende Maßnahmen vor – darunter steigende Spritpreise durch einen höheren CO2-Preis mit einem sozialen Ausgleich, daneben etwa die Abschaffung der Pendlerpauschale und ein generelles Tempolimit von 120 Stundenkilometern auf Autobahnen. Einem Tempolimit aber hatte die Ampel schon in den Sondierungen eine Absage erteilt – mit der FDP war das nicht zu machen. Heißt es nun: Freie Fahrt im Verkehrsministerium für Freie Demokraten?