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Milliardenprogramm für bessere Luft: Bund will aufs Tempo drücken

27.11.2017 16:27 Uhr

Am Dienstag trifft sich Kanzlerin Merkel mit Oberbürgermeistern und Ministerpräsidenten. Es geht um die Diesel-Krise und darum, wie Fahrverbote in Städten noch vermieden werden können.

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Die Bundesregierung will das geplante Milliarden-Sofortprogramm für bessere Luft in Städten schnell auf den Weg bringen und damit drohende Diesel-Fahrverbote verhindern. "Unser gemeinsames Ziel ist es, dass in allen von Grenzwertüberschreitungen betroffenen Kommunen möglichst schnell eine Einhaltung der Stickstoffdioxid-Grenzwerte erreicht wird", heißt es im Entwurf eines Ergebnispapiers für ein Spitzentreffen von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit Kommunen am Dienstag. Das Papier lag der Deutschen Presse-Agentur am Montag vor. Zuvor hatte das "RedaktionsNetzwerk Deutschland" darüber berichtet.

In dem Papier heißt es: "Pauschale Fahrverbote müssen vermieden werden." 350 Millionen Euro sollen demnach für die Elektrifizierung des Verkehrs bereitgestellt werden, etwa zur Umrüstung von Diesel-Busflotten. 150 Millionen Euro sollen in die Nachrüstung von Diesel-Bussen gehen, bis zu 500 Millionen Euro in die Digitalisierung des Verkehrs, etwa in Parkleit- und Fahrgastinformationssysteme. "Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass die Kommunen so früh wie möglich mit den erforderlichen Maßnahmen beginnen müssen."

Von dem Treffen mit Merkel erhoffen sich die Kommunen wichtige Weichenstellungen. Im Mittelpunkt steht ein bereits vor Monaten beschlossener Fonds in Höhe von einer Milliarde Euro. Mit dem Geld sollen Projekte in Städten bezahlt werden, um die Luft zu verbessern und drohende Diesel-Fahrverbote doch noch zu verhindern. Vor dem Treffen bei Merkel hatte es zunehmend Kritik an der schleppenden Umsetzung gegeben.

In vielen Städten drohen Fahrverbote für ältere Dieselfahrzeuge, weil Grenzwerte beim Ausstoß des als gesundheitsschädlich geltenden Stickoxids (NOx) anhaltend überschritten werden. Bei den Projekten der Städte geht es zum Beispiel darum, Busflotten auf umweltfreundliche Antriebe umzurüsten oder Elektromobilität mit mehr Ladestationen zu fördern.

"Wir sehen viel Bürokratie"

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund kritisierte: "Bisher sehen wir viel Bürokratie, ohne dass die in Aussicht gestellten Finanzmittel auch nur in Ansätzen vorhanden wären." Auch der Deutsche Städtetag verlangte schnelle Sofortmaßnahmen für eine bessere Luft. Bei dem Treffen im Kanzleramt müsse ein Eckpunktepapier zur Verteilung der Mittel aus dem Dieselfonds beschlossen werden.

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) äußerte sich unzufrieden über das bisher Erreichte. "Die Dieselgipfel haben bisher nichts gebracht", sagte Müller dem "Handelsblatt" zu den geplanten Maßnahmen für bessere Luft. "Wir haben vom Bund wenig Substanzielles gehört, auch nicht, wie die versprochenen Fördermittel in die Länder und Kommunen gelangen sollen." Ihm sei nicht klar, wie so Fahrverbote verhindert werden sollten, fügte er hinzu.

Anfang August hatten Bundesregierung und Autoindustrie bei einem ersten "Dieselgipfel" beschlossen, den Fonds "Nachhaltige Mobilität für die Stadt" aufzulegen. Der Fonds soll ein Volumen von einer Milliarde Euro haben, davon soll die Autoindustrie 250 Millionen Euro zahlen, den Rest der Bund. Bisher haben der VW-Konzern, BMW sowie Daimler zugesagt, Geld einzuzahlen – ausländische Hersteller dagegen weigern sich.

Kretschmann winkt ab – Baden-Württemberg startet eigenen Fonds

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) kündigte an, nicht an dem Dieseltreffen in Berlin teilzunehmen. Es zeichne sich ab, dass keine weitreichenden Entscheidungen zu erwarten seien, sagte Regierungssprecher Rudi Hoogvliet am Montag in Stuttgart. Das Land trete in Vorleistung und bringe einen eigenen Fonds für Luftreinhaltung auf den Weg. "Er soll schnell Mittel für Luftreinhaltemaßnahmen aller betroffenen Kommunen anbieten, solange und soweit die Mittel des Bundes nicht zur Verfügung stehen."

Eine Sprecherin des Branchenverbands VDA bekräftigte hingegen die Beteiligung der Industrie am bundesweiten Fonds: "Sobald alle administrativen Voraussetzungen seitens der Bundesregierung geklärt sind, werden die Unternehmen das Geld bereitstellen."

Der Verkehrsclub Deutschland forderte Merkel dazu auf, beim Treffen mit den Kommunen sofort wirkende Maßnahmen einzuleiten. "Die Zeit drängt. Das Versprechen, die Kommunen bei der Luftreinhaltung zu unterstützen, darf nicht in der Lethargie der Regierungsbildung versanden", sagte VCD-Verkehrsexperte Michael Müller-Görnert. Er wies darauf hin, dass im Februar eine wegweisende Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig zu Fahrverboten erwartet wird.

Aus Sicht der Deutschen Umwelthilfe können mit den Fonds-Projekten drohende Diesel-Fahrverbote vermieden werden. Geschäftsführer Jürgen Resch nannte eine Zahl von 20 bis 25 Städten, in denen die Grenzwerte bisher leicht überschritten würden. Diese könnten mit den eingeleiteten Maßnahmen und Nachrüstungen um Fahrverbote herumkommen. Dies wären etwa ein Drittel der Städte, denen Fahrverbote drohen. "Die anderen brauchen weitergehende Lösungen, da werden Nachrüstungen etwa von Bussen nicht reichen. Eventuell aber fallen Diesel-Fahrverbote weniger drastisch aus."

Der Grünen-Haushaltsexperte Sven-Christian Kindler kritisierte, nun räche sich die "Verschleppungstaktik" Merkels. "Die vollmundig versprochene Milliarde für ein angebliches 'Sofort-Programm' war reine Ankündigungspolitik ohne haushälterische Grundlage." Die fehlende Verankerung der versprochenen Mittel im Haushalt führe zu einem Stillstand. Merkel müsse die versprochene Milliarde schnell und verbindlich zur Verfügung stellen. FDP-Fraktionsvize Frank Sitta sagte, Pendler, Gewerbetreibende und Anwohner dürften nicht die Leidtragenden sein, wenn die Regierung den vor Monaten zugesagten Fonds zu einem "Bürokratiemonster" aufblähe. (dpa)

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