Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sieht den Vorstoß seiner Partei für einen Zulassungsstopp neuer Verbrenner-Autos ab 2030 auch als Appell an die Branche. Dies sei kein zu ehrgeiziges politisches Ziel, sondern ein "Weckruf", sagte der Stuttgarter Regierungschef den «Ruhr Nachrichten» am Montag. "Und der Weckruf kommt nicht nur von uns, der kommt auch vom US-Konzern Tesla, der erfolgreich Elektroautos baut."
Angesichts der Entwicklung etwa in China oder Norwegen, wo die Förderung staatlich gesteuert wird, meinte der als Realo geltende Kretschmann: "Auch die deutschen Firmen müssen aufs Tempo drücken, und zugleich haben sie Verantwortung für Hunderttausende höchst wichtige Arbeitsplätze." Es sei gut, dass die Debatte um die Zukunft des Verbrennungsmotors bezogen auf alternative Antriebe geführt wird.
Die Grünen wollen, dass spätestens mit Beginn des übernächsten Jahrzehnts keine Wagen mit Benzin- oder Dieselmotoren mehr neu auf die Straße kommen. "So stärken wir diejenigen, die an der Zukunft der emissionsfreien und nachhaltigen Mobilität mitwirken wollen", hieß es im Beschluss des Parteitags in Münster am vergangenen Wochenende.
"Problem nur zusammen lösen"
Das Thema hatte auch beim umstrittenen Auftritt von Daimler-Chef Dieter Zetsche dort eine Rolle gespielt: Die Vorbehalte gegen eine Gastrede des Managers waren bei vielen Grünen groß, sie hatten die Einladung auch als Projekt der einflussreichen Realos Cem Özdemir und Winfried Kretschmann gewertet. Auf die Frage, ob er auf "Kuschelkurs" mit der Autobranche gehe, sagte Kretschmann der Zeitung: "Nein, es geht um einen Dialog. Wir können das Problem nur zusammen lösen."
Der Präsident des Autoverbands VDA, Matthias Wissmann, hatte sich kürzlich gegen ein Verbrenner-Verbot ausgesprochen. "Aus meiner Erfahrung als Forschungs- und Verkehrsminister kann ich sagen: Wenn Politiker oder Bürokraten allein anfingen, Technologie-Entscheidungen zu treffen, war das selten innovativ", sagte er der dpa.
Die Politik solle vielmehr Rahmenbedingungen setzen, die dann auch "durchaus anspruchsvoll sein können". Der Verbrenner habe neben alternativen Antrieben wie Elektromotoren, Hybridmotoren oder Brennstoffzelle eine Zukunft jenseits von 2030. Neue, CO2-neutrale Ökosprit-Sorten würden derzeit entwickelt.
Vor allem die Elektromobilität stellt die deutschen Autobauer vor gewaltige Herausforderungen. Die Kaufprämie für E-Autos findet bisher zwar nur wenig Anklang - gleichzeitig rüsten sich die Konzerne aber für einen Durchbruch der Technologie in einigen Jahren. So plant VW den Bau eigener Batteriefabriken, von denen mindestens eine in Deutschland entstehen soll. Daimler hatte seine Zellfertigung geschlossen, setzt insgesamt jedoch ebenfalls stark auf E-Mobilität. (dpa)
Bernd Schürmann