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Musterfeststellungsklage gegen VW: Schadenersatz noch ungeklärt

30.09.2019 09:51 Uhr
Bei der Musterklage gegen VW müssen sich Dieselkunden noch weiter gedulden. Das OLG gab noch keine einheitliche Richtung vor.
© Foto: Gina Sanders/fotolia.com/VW/AHO-Montage

Mit einer Musterklage versuchen fast eine halbe Million Dieselfahrer, ihre Chancen auf Entschädigung von Volkswagen zu erhöhen. Nun hat das erste große Gerichtsverfahren zum Thema begonnen. Eine deutliche Tendenz für oder gegen eine Seite zeichnet sich bisher nicht ab.

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Bei der Musterklage gegen Volkswagen müssen sich Dieselkunden bis zu einer klaren Einschätzung ihrer Chancen auf Schadenersatz vorerst gedulden. Das Oberlandesgericht (OLG) Braunschweig gab am ersten Verhandlungstag noch keine einheitliche Richtung vor. Man müsse zunächst vorherige Urteile anderer Gerichte "sorgfältig prüfen", erklärte der Vorsitzende Richter Michael Neef am Montag nach der Eröffnung des Verfahrens. Während Verbraucheranwälte bereits Hoffnung auf Schadenersatz sehen, gibt es nach Interpretation von VW Zweifel, dass den Kunden überhaupt ein Schaden entstanden ist.

Neef ließ die Musterklage grundsätzlich zu. Er unterschied aber vertragliche Pflichtverletzungen von sogenannten deliktischen Pflichtverletzungen. Bei der ersten Kategorie dürften Schadenersatz-Ansprüche gegenüber VW schwierig sein, weil die meisten Kunden ihren Kaufvertrag nicht mit dem Konzern, sondern mit einzelnen Händlern abgeschlossen hätten. "Wir tendieren dazu, in solchen Fällen keine vertraglichen Ansprüche anzunehmen. (...) Erst recht gilt das für Gebrauchtfahrzeuge."

Anders könnte man womöglich aber den Vorwurf der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung wegen gefälschter Diesel-Abgaswerte sehen. Hier deutete Neef an, dass frühere Entscheidungen zugunsten des Herstellers noch einmal in anderem Licht betrachtet werden könnten.

Verbraucherzentralen zuversichtlich

Die Verbraucherzentralen zeigten sich zufrieden. "Das Gericht hat die Verhandlung bisher sehr gut geführt und aus unserer Sicht Andeutungen gemacht, dass es zu einer Verurteilung kommen kann", sagte Anwalt Ralf Stoll. VW entgegnete: "Noch heute werden die Fahrzeuge täglich von Hunderttausenden Kunden gefahren, weshalb es aus unserer Sicht keinen Schaden gibt und damit auch keinen Grund zu einer Klage."

Eine zentrale Frage dürfte sein, zu welchem Zeitpunkt ein möglicher Schaden für VW-Dieselfahrer entstand. Klagende Kunden müssten sich darauf einstellen, im Erfolgsfall eine Entschädigung mit der Nutzung des Autos zu verrechnen, sagte Neef: "Uns will es nicht einleuchten, dass die Fahrzeuge über Jahre kostenlos genutzt werden durften."

Solche und weitere strittige Punkte müssten nun zuerst "ausführlich mit allen Beteiligten erörtert und dann möglichst zügig entschieden werden", erklärte der Richter. Offen sei etwa noch, ob schon die im Auto installierte Abgas-Software oder erst die anschließenden Diesel-Fahrverbote einen Schaden hervorgerufen hätten. "Dass ein Schaden entstanden ist, scheint uns jedenfalls nicht so offenkundig."

vzbv vertritt rund 470.000 Kunden

Am OLG Braunschweig setzt der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) das neue Instrument der Musterfeststellungsklage ein. Der vzbv tritt im Namen von rund 470.000 Dieselkunden auf, die von VW wegen manipulierter Abgaswerte Schadenersatz fordern. In Braunschweig geht es aber zunächst nur darum, ob VW unrechtmäßig handelte. Konkrete Ansprüche müssten Kunden dann in eigenen Verfahren durchsetzen.

Einen Dämpfer gab es für Verbraucher, die auch nach dem Verkauf ihres Diesels mit einem Motor der Reihe EA 189 noch Ansprüche geltend machen wollen - und für solche, die auch nach dem Software-Update der Abgasreinigung einen Schaden sehen. Dem folgte das Gericht nicht.

Der Prozess könnte auch an Fahrt gewinnen, falls Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zum Betrugsverfahren um Ex-VW-Konzernchef Martin Winterkorn und weitere Führungskräfte berücksichtigt werden. "Der Senat ist immer noch unschlüssig, ob wir zusätzliche Strafakten beiziehen sollten", sagte Neef.

Gros der Einzelurteile zugunsten von VW 

Im September 2015 hatte VW nach Prüfungen von Behörden in den USA Manipulationen an den Abgaswerten von Dieselautos zugegeben. Die Software bestimmter Motoren war so eingestellt, dass im tatsächlichen Betrieb auf der Straße deutlich mehr giftige Stickoxide (NOx) ausgestoßen wurden als in Tests. Viele Kunden fühlen sich geprellt. Auch im Rahmen Tausender Einzelklagen verlangen sie Schadenersatz, die meisten Einzelurteile gingen bisher aber zugunsten von VW aus.

Eine mögliche Einigung mit den Verbraucherschützern hält Volkswagen wegen der vielen unterschiedlichen Fallkonstellationen bisher für "kaum vorstellbar". Neef regte an, darüber dennoch nachzudenken: "Ein Vergleich ist sehr schwer, aber möglich." Es sei jedoch nicht einfach, einen genauen Schadenersatz-Betrag festzulegen. (dpa)

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KOMMENTARE


Detlef Rüdel

30.09.2019 - 12:13 Uhr

Das was jetzt passiert, könnte den Konzern massiv ins straucheln bringen. Wenn man dazu noch Herrn Diess wortwörtlich zitiert: " DAS WAS WIR GEMACHT HABEN, WAR BETRUG" Eine solche/ähnliche Aussage zum Unternehmen von Herrn Kirch hat vor 20 Jahren der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank Herr Breuer gegenüber Herrn Kirch getätigt, mit dem Ergebnis: die DB wurde zum Schadensersatz von fast einer Milliarde € verurteilt (nunmehr rechtskräftig) daher wird es spannend, wie die Richter hier diese Aussage zum Betrug bewerten. Ich kann daher nur dazu raten, weiter sehr große Rückstellungen für diesen Prozess zu bilden.


Frank E.

30.09.2019 - 21:36 Uhr

Der Großteil der Geschädigten ist ja eigentlich gar nicht vertreten: ALLE Dieselfahrer, deren Wagen jetzt überpropotional an Wert verloren hat, nicht nur die VW-Kunden, sowie die Anwohner von vielbefahrenen Straßen, die unzulässigen Abgasmengen ausgesetzt waren (ohne hier der DHU eine Vorlage geben zu wollen). Also was für ein darüber hinaus gehender Schaden ist gerade VW-Kunden entstanden?


Rudi

02.10.2019 - 15:24 Uhr

Frank E. schreibt etwas sehr entscheidendes: Geschädigt sind in erster Linie ALLE, die den Abgasen ausgesetzt sind. Der jeweilige VW-Käufer ist in meinen Augen da nur ein Teil von. In meiner Zeit in der Branche ist mir bis heute, selbst nach dem Betrug, kaum ein Kunde bekannt, der nach den Stickoxidwerten fragt. Entscheidend ist für alle nur eins: Der Verbrauch. Wobei auch das in den allermeisten Fällen zweitrangig ist, sofern der Verbrauch im Rahmen liegt, denn es wird immer noch fast nur auf Preis-Leistung geachtet.Aber: VW kann nichts für die Hysterie gegen den Diesel an sich. Nach Logik dürften nur VW-Konzernfahrzeuge mit Dieselmotor an Wert verloren haben und nicht der Diesel an sich. Wobei sich mir da die nächste Frage stellt: Wie will man diesen Wertverlust erfassen? Schließlich ist der Wertverlust nur dann real zu spüren, wenn man das Auto verkauft hat oder verkaufen will.Ich bleibe bei dem Standpunkt, dass der überwiegende Teil der Kläger nur darauf aus ist, jetzt Geld zu kassieren - entweder, weil man Geld sowieso immer gebrauchen kann oder weil man aus welchem Grund auch immer mit dem Auto unzufrieden ist oder einfach nur Lust auf ein neues Auto hat und jetzt den großen Reibach vor Augen sieht.Und weiterhin bleibe ich als Juristenlaie bei der Meinung, dass VW den Staat, also die Allgemeinheit betrogen hat und nicht den einzelnen Käufer. Es bleibt also spannend.


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