Von Michael Specht/SP-X
Gäbe es Fiat ohne Chrysler noch? Branchenexperten wie Peter Fintl vom Technologie-Beratungsunternehmen Altran beantworten diese Frage skeptisch: "Nur die guten Absätze, die FCA mit den margenstarken Fahrzeugen der Marken Jeep und Ram in den vergangenen Jahren in den USA erzielen konnte, sicherten den Italienern den Großteil Ihrer Gewinne." Denn so gut sich die Dolce-Vita-Ikone Fiat 500 (seit 13 Jahren unverändert in Produktion) und der pfiffige Kleinwagen Panda (Marktführer in seinem Segment in Europa) auch verkaufen, die Gewinnmargen sind schlicht zu klein. Nicht viel besser sieht es beim 500 X und 500 L aus. Und der Tipo spielt in seiner Klasse gegen Golf & Co. keine Rolle.
Doch wie geht es in Zukunft mit Fiat weiter? Nach dem Scheitern der Fusion mit Renault aufgrund der Intervention der französischen Regierung geht FCA nun mit PSA gemeinsame Wege, vereint unter der Holding "Stellantis". Es gehört nicht viel Fantasie dazu, dass diese Fusion erhebliche Folgen auf die Modellstrategie haben wird. Ähnliche Erfahrungen musste bereits Opel machen. Die Rüsselsheimer Autobauer haben heute weder ihre Minis Karl und Adam im Programm, noch durften sie den Corsa fertig entwickeln, was sich am Ende jedoch als sehr vorteilhaft herausstellte.
Bei Fiat könnte es in erster Linie den Tipo treffen. Die Nachfolge-Generation wird mit Sicherheit französische Technik unter dem Blech haben, so wie der nächste Opel Astra. Serienstart des neuen Tipo: frühestens Ende 2023. Neben Schrägheck und Kombi wird es vermutlich auch wieder eine klassische Limousine geben. Diese Karosserieform verkauft Fiat besonders gut in der Türkei, im Nahen Osten und in Afrika. Eine vollelektrische Version ist ebenfalls gesetzt. Sie könnte aber auf einer Evolution der CMP-Architektur stehen, wie aus Fiat-Entwicklerkreisen zu hören ist. Gemeint ist hier eine vollflächige Bodenbatterie, die mehr Reichweite zulässt.
Fiat 500 Elektro (2021)
BildergalerieZu einer sehr emotionalen Angelegenheit dürfte für Bald-Stellantis-Chef Carlos Tavares der Fiat 500 werden. "Hier braucht es viel Fingerspitzengefühl und nicht nur den kühlen Blick auf die Rendite", sagt Stefan Bratzel, Direktor des Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach. "Der heutige 500 in der Verbrenner-Version dürfte aber auch unter Tavares noch so lange weitergebaut werden, wie er nachgefragt wird", so der Autoexperte. Und die Nachfrage ist hoch. Noch rund 190.000 Einheiten vom 500 rollen jährlich von den Bändern im polnischen Tichy.
Von Fiat allein entwickelt und seit dem 24. August 2020 in Produktion ist der "New 500", die elektrische Variante. Sie baut auf einer völlig neuen Plattform auf und erhielt eine eigenständige Karosserie. Neben Limousine und Cabrio schickt Fiat erstmals eine 3+1-Version an den Start. So wie einst bei der Studie "Trepiuno" öffnet beim 3+1 auf der Beifahrerseite die hintere Tür gegenläufig. Eine B-Säule fehlt.
Weitere E-Modelle in der Pipeline
Beim elektrischen 500 allein wird es nicht bleiben. "Wenn Sie in eine neue Plattform investieren und es sich um eine völlig neue EV-Architektur handelt, lohnt sich das nicht für ein Auto, Sie werden es auch bei anderen Fahrzeugen sehen", sagte Fiat-CEO Olivier François jüngst dem Magazin "AutoExpress". Dass damit der Panda gemeint ist, verrät sogar die Homepage von Fiat und weist auf die Studie Centoventi (Genfer Salon 2019) hin. Ähnlich unkonventionell wie diese könnte auch der nächste Panda aussehen und vielleicht wieder zur "tollen Kiste" werden. Debüt: ca. 2023.
Laut François soll es darüber hinaus weitere Elektro-Fiat geben, darunter Familienautos und SUVs. Hierbei könnte es sich unter anderem um die Nachfolger der Modelle 500 X und 500 L handeln. Doch es ist fraglich, ob Carlos Tavares Fiats E-Plattform als "Mitgift" akzeptiert oder er darauf pocht, die italienischen Autos besser auf die CMP-Architektur zu stellen.
Peter