"Zwei Plus- und ein Minuszeichen stehen in der Bilanz des Kraftfahrzeuggewerbes Baden-Württemberg für 2019 in den drei tragenden Bereichen: Wir haben ein Plus bei den Umsätzen im Neu- und Gebrauchtwagenhandel, wir haben ein Minus im Werkstattgeschäft", fasste Michael Ziegler, Präsident des Verbandes des Kraftfahrzeuggewerbes, das Autojahr 2019 am Dienstag in Stuttgart zusammen.
Der Pkw-Verkauf sorgte in den Autohäusern für einen Umsatz von über elf Milliarden Euro bzw. für einen Zuwachs von 14,1 Prozent bei den Neuwagen. Bei den Gebrauchtwagen stiegen die Erlöse um 6,2 Prozent auf rund 9,4 Milliarden Euro. "Im Werkstattbereich gab es dagegen ein deutliches Minus von 8,7 Prozent auf jetzt noch etwas über vier Milliarden Euro", resümierte Ziegler. Insgesamt lag der Umsatz des Kraftfahrzeuggewerbes bei 26,1 Milliarden Euro und damit mit gut 1,6 Milliarden Euro Zuwachs bei einem Plus von 6,7 Prozent.
"Umsatz ist aber nicht Gewinn", stellte Ziegler klar. "Die Umsatzrendite liegt weiter im Schnitt bei 1,3 Prozent." Zu den positiven Zulassungszahlen bei Neuwagen merkte er an, dass diese im Kfz-Gewerbe nicht euphorisch bejubelt würden. Sie seien auch durch Nachholeffekte der WLTP-Problematik 2018 zustande gekommen. Für 2020 rechnet das Gewerbe mit rückläufigen Verkäufen. "Rund fünf Prozent Rückgang im Neuwagenmarkt sind in Baden-Württemberg realistisch", erklärte Ziegler. Das wäre etwas moderater als die Prognose für den Bund.
Dass das Werkstattgeschäft 2019 schrumpfte, führt der Präsident vor allem auf "die immer höhere Qualität der Autos zurück – die Wartungsintervalle werden immer länger". Gleichzeitig ist diese Entwicklung ein Punkt, an dem er den Blick in die Zukunft festmacht. "In den Werkstätten löst die von der Politik angestrebte Verkehrswende hin zur Elektromobilität einen massiven Investitionsbedarf aus, während dadurch die Werkstattumsätze sinken werden."
Förderprogramme für Kfz-Betriebe
"Wir fordern für die Ertüchtigung von Kfz-Werkstätten für die E-Mobilität und auch für den Aufbau der Ladeinfrastruktur entsprechend angepasste Förderprogramme des Landes und des Bundes für die notwendigen beschleunigten Investitionen. Außerdem sollte die Förderung für die Mitarbeiterqualifikation rund um die E-Mobilität erhöht werden", so Ziegler. Gefordert sei nicht nur das Land, sondern auch der Bund: "Die Politik muss Handel und Gewerbe als entscheidende Schnittstelle zum Kunden für den Erfolg der E-Mobilität viel stärker in den Fokus nehmen. Ohne den Handel wird die Elektromobilität kein Erfolg werden."
Auch zu den aktuellen Entwicklungen und Urteilen rund um Diesel-Fahrverbote äußerte sich der Verband. Wenn in Stuttgart noch Fahrverbote kommen sollten, lautet die Kernforderung, "dass Kfz-Betriebe in Fahrverbotszonen für Kunden durch entsprechende Regelungen jederzeit erreichbar sein müssen". Auch erwarte man ein staatlich gefördertes flächendeckendes Nachrüstprogramm für Diesel-Pkw.
Positiv nimmt der Verband die Nachricht aus Brüssel auf, dass die Kommission den Betrieben einen fairen Zugang zu Fahrzeugdaten verschaffen will, die für Reparatur- und Wartungsdienste sowie automobile Dienstleistungen genutzt werden können, wie es im Papier über die Europäische Datenstrategie heißt. "Wir setzen uns dafür ein, dass im Zuge der angekündigten Umsetzung der Strategie in EU-Recht auch freie Kfz-Reparaturwerkstätten gleichberechtigten Zugang zu den Daten bekommen, die innerhalb von vernetzten Autos produziert werden. Der Zugang muss über definierte Schnittstellen und in Echtzeit erfolgen", sagte Präsident Ziegler: "Damit würde eine unserer Schlüsselforderungen erfüllt, die dem großen Teil der markenungebundenen Werkstätten die Zukunft sichert, ohne die markengebundenen zu gefährden, denn das Modell funktioniert ja jetzt schon perfekt."
Vertikal-GVO und Kfz-GVO laufen aus
Ziegler sieht die EU auch in einer Schlüsselrolle, was die Zukunft des Kfz-Gewerbes insgesamt angeht, "weil die wettbewerbsrechtlichen Weichen für den Neuwagenvertrieb und den Aftersalesbereich jetzt gestellt werden". Die Vertikal-GVO laufe zum 31. Mai 2022 aus, die Kfz-GVO ein Jahr später. Die EU-Kommission habe bereits mit dem Prozess der Überprüfung der Verordnungen begonnen. "Außer Regelungen im Bereich des Onlinehandels mit Pkw wünschen wir uns auch klare Regeln im Bereich des Ersatzteilhandels."
Auf keinen Fall dürfe die Vertikal-GVO ohne Ersatz auslaufen, sie müsse vielmehr an neue Zeiten angepasst werden. Ohne sie würde ein Mangel an Rechtssicherheit herrschen. "Die GVO bedeutet für unsere Betriebe einen Mindestschutz gegenüber den Herstellern. Diese sind zur direkten Konkurrenz geworden, jetzt auch im Privatkundengeschäft. Wünschenswert wäre daher aus Handelssicht, den Direktvertrieb der Hersteller einzuschränken und faire Provisionsmodelle zu ermöglichen, damit Händler beispielsweise nicht auf den Kosten für Probefahrten und Beratungsleistung sitzenbleiben, wenn der Kunde online beim Hersteller bestellt."
Dringend in die GVO neu aufzunehmen sei der Investitionsschutz. Denn es gebe immer mehr wirtschaftliche Belastungen durch Herstellerstandards, die Kfz-Betriebe erfüllen müssten und die sich nicht amortisierten. Die Händler müssten immer noch in ein traditionelles Vertriebssystem investieren, während die Hersteller zusätzlich online Druck als direkte Konkurrenz ausübten. Auch müsse es weiter annehmbare Mindestkündigungsfristen für Händler- und Werkstättenverträge geben. "Durch Anschlussregelungen wollen wir sicherstellen, dass konkurrierende Interessen im Gleichgewicht sind, die Marktmacht der Hersteller Grenzen findet und die wettbewerbliche Unabhängigkeit der schwächeren Verhandlungsparteien, also der Kfz-Betriebe, auch zum Nutzen der Kunden gestärkt wird", so Ziegler abschließend. (AH)