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Faktencheck Tempolimit: Freiheit versus Sicherheit

06.02.2020 09:21 Uhr
Erhöht dein Tempolimit die Sicherheit auf Autobahnen?
© Foto: Oliver Berg / picture alliance / dpa

Die Gräben zwischen Gegnern und Befürwortern eines Tempolimits auf deutschen Autobahnen sind tief. Freiheit versus Sicherheit. Wissenschaftler fordern dringend eine Studie als Entscheidungsbasis.

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Der Streit ums Tempolimit ist wieder einmal in vollem Gange. Der größte deutsche Automobilclub, der ADAC, lehnt neuerdings eine allgemeine Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen nicht mehr grundsätzlich ab. Wenige Tage nach dem Start einer Kampagne der CSU gegen eine generelle Beschränkung auf 130 Kilometer pro Stunde konterte nun die Deutsche Umwelthilfe mit einer Online-Aktion für Tempo 120. Die Grünen fingen derweil Überlegungen eines Bundestagsabgeordneten eilig wieder ein, auch über Ausnahmen für Elektroautos von einem Tempolimit nachzudenken.

Behauptung: Ein allgemeines Tempolimit auf Autobahnen erhöht die Sicherheit.
Bewertung: Tendenziell richtig. Es gibt jedoch keine Studie für Deutschland, die das Ausmaß dieses Effektes allgemeingültig belegt.

Fakten: Das Autobahnnetz umfasst mit 13.000 Kilometern weniger als zwei Prozent aller Straßen in Deutschland. Allerdings werden dort rund ein Drittel aller jährlich gefahrenen Kilometer zurückgelegt. Bereits heute - ohne allgemeines Tempolimit - seien sie die sichersten Straßen, führen Tempolimit-Gegner an.

Autobahnen sind sicherste Straßen

Rein statistisch gesehen haben sie recht: 13 Prozent der Verkehrstoten entfielen 2018 auf Autobahnen, neun Prozent aller Schwerverletzten in Deutschland waren dort in Unfälle verwickelt. Allerdings gebe es keinen Gegenverkehr, wendet Wulf Hoffmann von der Verkehrsunfall-Opferhilfe Deutschland ein. Autofahrer müssten auch nicht plötzlich mit Fußgängern oder Radfahrern rechnen. Leitplanken schützten seitlich vor Hindernissen. "Das wäre ja ein Ding, wenn das nicht die sichersten Straßen wären", so Hoffmann.

Der Unfallexperte ist der Ansicht, durch Tempo 130 werde die Verkehrssicherheit auf Autobahnen weiter verbessert. Modellrechnungen ließen den Schluss zu, dass es deutlich weniger Verkehrstote bei geringerer Durchschnittsgeschwindigkeit gebe, so Hoffmann. Physikalisch betrachtet, ist dies nachvollziehbar: Je höher die Geschwindigkeit, desto länger ist der Bremsweg und heftiger die Wucht, mit der Fahrzeuge aufeinanderprallen.

Fakt ist jedoch auch: Auf Abschnitten ohne dauerhaftes Tempolimit - heute etwa 70 Prozent der Autobahnen - gibt es nicht überproportional viele tödliche Raser-Unfälle. Nach der Verkehrsstatistik war 2018 unangepasste Geschwindigkeit bei etwa jedem zweiten tödlichen Crash eine der Ursachen - egal ob mit oder ohne Tempolimit.

Umfassende Studie gibt es noch nicht

Eine umfassende Studie zu dem Thema gibt es in Deutschland bisher nicht. "Man hat mehrfach versucht, aus den Erfahrungen mit Tempolimits, die auf einzelnen Strecken angeordnet worden sind, auf die Wirkung eines generellen Tempolimits zu schließen", erklärt Verkehrsforscher Justin Geistefeldt von der Ruhr-Universität Bochum. Doch beträfen jene Geschwindigkeitsbeschränkungen meist gezielt unfallträchtige Strecken.

"Das heißt nicht, dass ich überzeugt bin, dass ein Tempolimit nichts bringt", betont Geistefeldt. So käme es vermutlich seltener zu Alleinunfällen von Rasern oder zu Crashs, bei denen die Beteiligten unterschiedlich schnell unterwegs sind. Dem Wissenschaftler fehlt ein groß angelegter Feldversuch, um eine aussagekräftige Bewertung vornehmen zu können.

Gleicher Meinung ist der Leiter der Unfallforschung der Versicherer. Siegfried Brockmann spricht sich vehement für eine umfassende Studie aus. Allerdings ist die seiner Meinung nach nicht gewünscht. "Die Befürworter des Limits halten sie für Zeitverschwendung, und die Gegner sagen, es gibt kein Problem." Eine solche Maßnahme könne man nur mit der Zustimmung des Bundes und mindestens eines großen Bundeslandes durchführen. Dafür sieht Brockmann derzeit keine Chance.

Immerhin: Auch der ADAC spricht sich inzwischen dafür aus, die Auswirkungen eines Tempolimits in einer umfassenden Studie zu klären. Der Präsident des Verkehrsgerichtstags, Ansgar Staudinger, spricht bei diesem Thema sogar von einem "Forschungsloch". (dpa)

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KOMMENTARE


Nostradamus

06.02.2020 - 19:06 Uhr

Die Freiheit bringt die Sicherheit! Tempolimit bringt nicht die Sicherheit - mehr als zweidrittel tödlichen Unfälle passiert auf Bundes-, Landes- und Kommunalstraßen, bei ganz geringer Geschwindigkeit. Diese Diskussion zeigt die Blindheit von der "Retter-der-Welt" die die Tiefe und der Umfang von der Umweltproblemen überhaupt nicht sehen und verstehen können. Fangen wir an mit eine "einfache" Frage: Weißt du überhaupt wie umweltschädlich deine Unterhose ist? Der Einführungszeichen deutet darauf hin, dass der Antwort für viele Menschen völlig unklar ist und trotzdem sie versuchen „der Welt zu retten“?! Schluss damit, wir müssen uns auf die Lösungen konzentrieren.


Fried Berkenkamp

07.02.2020 - 10:36 Uhr

Noch eine Studie? Wer bezahlt das, soll die Meinung des Sponsors manifestiert werden? Ich habe 1,4 Mio. km hinter mir mit einigen Unfällen und auch mit erheblichem Sachschaden. Davon nur einer auf der Autobahn bei 120 km/h, alles andere unter 80 km/h. Und die Geschwindigkeit war in keinem Fall die Ursache. Wenn es geht, fahre ich gern 180 km/h … oder 100 km/h auf Landstraßen, ich sehe keinen Grund, das zu ändern. In der Unfallstatistik liegen wir in Deutschland im Mittelfeld, wir stellen die saubersten Fahrzeuge her. Das ist doch Fakt und möchte so bleiben.


RM

07.02.2020 - 15:13 Uhr

@Nostradamus:Ich frage mich immer was einem denn mit einem Tempolimit weggenommen wird... Aber darauf habe ich bis heute keine korrekte Antwort bekommen außer Ausflüchte.Wenn es die Chance bringt, auch nur einen Menschen das Leben zu retten, dann sollte das getan werden. Punkt.


Pälzer

08.02.2020 - 14:05 Uhr

Fazit der ADAC-Statistik "Unfallgeschehen nach Straßenarten:""Tempolimit allein bringt keine SicherheitDass die Geschwindigkeit nicht alleine ausschlaggebend für das Sicherheitsniveau ist, kann an zwei Beispielen verdeutlicht werden: In Deutschland erlaubt die sogenannteRichtgeschwindigkeitsregelung dann höhere Fahrgeschwindigkeiten, wenn es die äußeren Bedingungen zulassen. Dennoch liegt die Getötetenrate, also die Zahl der pro einer Milliarde gefahrenen Kfz-Kilometer tödlich verunglückten Personen, unter der von den USA, Belgien und Frankreich, wo streng kontrollierte Tempo-Obergrenzen gesetzlich vorgeschrieben sind. Auch das Beispiel Dänemark zeigt, dass Geschwindigkeitsbegrenzungen nicht der alleinige Maßstab für das Sicherheitsniveau sind. Im Jahr 2006 wurde dort auf etwa der Hälfte des gesamten Streckennetzes das bis dahin strenge Tempolimit von 110 auf 130 Stundenkilometer angehoben. Die Zahl der auf Autobahnen tödlich Verunglückten stieg nicht an. Im Gegenteil – sie halbierte sich nach dieser Maßnahme: Im Jahr 2005 wurden auf dänischen Autobahnen noch 37 Verkehrsteilnehmer getötet, im Jahr 2012 reduzierte sich die Zahl auf zehn."


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