Von Benjamin Bessinger/SP-X
Peugeot schlägt neue Töne an. Denn wo die Franzosen bislang zumindest auf der Überholspur dem Brüllen des Löwen in ihrem Logo nachgeeifert haben, ist Jean-Philippe Delaire auf der Suche nach einem anderen Sound. Er leitet die Antriebsentwicklung bei Peugeot Sport und war damit bislang irgendwie auch für den guten Ton der Löwenmarke verantwortlich. Aber das jüngste Projekt des Ingenieurs ist kein Brüller, sondern eher ein Leisetreter. Denn obwohl dieser bullige 308 mit der fiesen Fratze und der markanten Zweifarblackierung in französisch Blau und teuflisch Schwarz auf dem besten Weg zum stärksten (Klein)-Serienmodell in der Peugeot-Geschichte ist, schnurrt der Wagen flüsterleise aus der Boxengasse. Der Löwe brüllt nicht, sondern schleicht sich heimlich an – nur um dann umso gnadenloser zuzuschlagen.
Möglich macht das der R-Hybrid, ein Plug-In-Antrieb mit dem 270-PS-Turbo des 308 GTI, einer 115 PS starken Elektromaschine vorn, einem zweiten Spulen-Motor mit gleicher Leistung hinten und einem Lithium-Ionen-Akku dazwischen. Das ist zwar längst nichts Neues mehr. Doch zumindest bei Peugeot hat es das noch nicht gegeben. Und keine andere Massenmarke hat dieses Konzept derart auf Dynamik getrimmt wie die Franzosen. Nicht ohne Grund stehen deshalb irrwitzige 500 PS und 730 Nm im Datenblatt – aber Monsieur Delaire arbeitet ja auch für Peugeot Sport und sitzt nicht mit tausenden Serienentwicklern in der großen Denkfabrik des PSA-Konzerns, die einem längst wie eine Mobilitätsbehörde erscheint, so langweilig und lustlos wie die meisten Produkte mittlerweile geworden sind.
Mit diesem Paket wollen die Franzosen die Idee vom Sportwagen in eine neue Zeit retten: Denn großvolumige Motoren sind für Monsieur Delaire passé und Downsizing alleine ist womöglich zu kurz gesprungen. Wo der Lader für den ultimativen Leistungskick nicht reicht, muss deshalb E-Power her, erläutert der Entwickler und jongliert mit Zahlen, die ohne so ein Antriebskonzept kaum vereinbar wären: "0 auf 100 in knapp vier Sekunden und trotzdem nur drei Liter auf 100 Kilometer", prahlt der Ingenieur und zieht stolz seine Jacke mit dem Peugeot Sport Logo zurecht, damit ihn nur ja keiner für einen Öko hält.
GTI-Killer und Porscheschreck
Doch Delaire weiß, dass er viel erzählen kann und man ihm nur das wenigste glauben wird. Dafür ist einfach zu viel Zeit verstrichen, seit so leidenschaftlichen und leistungsstarken Autos wie dem 205 GTI T16 mit einem anstelle der Rückbank eingebauten Turbo-Motor. Deshalb lässt Monsieur Delaire seinen Worten Taten folgen und hat diesen R-Hybrid tatsächlich in einen 308 eingebaut. Im letzten Frühjahr zum ersten Mal auf der Motorshow in Shanghai präsentiert, tingelt er jetzt mit seinem Schaustück über kleine Rennstrecken in ganz Europa und beweist aller Welt, dass der Golf der Gallier nicht nur das Zeug zum GTI-Killer hat, sondern dass ein Peugeot sogar einem Porsche gefährlich werden kann.
Deshalb ist es mit dem leisen Surren kurz hinter der Boxengasse auch schnell wieder vorbei und mit einem beherzten Tritt kommt das vertraute Brüllen zurück. Zwar könnte man mit den 3 kWh aus dem Akku unter dem Sitz im besten Fall 15 Kilometer elektrisch fahren. Doch viel wichtiger ist Delaire der Boost aus der Batterie, den man am Steuer des 308 in mehreren Stufen abrufen kann: Im normalen Hybrid-Modus arbeitet nur die vordere E-Maschine, stopft das Turboloch des 270 PS-Benziners und gleicht die Leistungslücken beim Gangwechsel aus. Deshalb fährt der Peugeot mit seiner automatisierten Sechs-Gang-Schaltung nochmal flüssiger als die flotten DSG-Modelle aus dem VW-Konzern.
Drückt man die rote Taste im Lenkrad, aktiviert man den Sport-Mode und fühlt sich wie ein Formel1-Fahrer beim Kickdown mit Kers-System. Dann wirft sich nämlich auch der hintere Motor mit ins Zeug und mit zusammen 400 PS und 530 Nm wird selbst der Golf R zum Spielzeugauto. Messerscharf und pfeilschnell schnürt der Peugeot um den Kurs und macht vor allem am Kurvenausgang einen Höllenspaß, wenn er mit Vollgas gerade zieht und die nächste Kehre ins Visier nimmt. Dass er 200 Kilo mehr wiegt als das Serienmodell, merkt man dabei nicht. Dass die Spur unter den weit ausgestellten Kotflügeln acht Zentimeter breiter ist und die anstelle des Tanks unter den Rücksitz geschraubte Lithium-Ionen-Batterie den Schwerpunkt nochmal drückt, dagegen umso mehr – selten hat ein Kompakter so satt auf dem Asphalt gekauert wie der 308 R-Hybrid.
"Schöne neue Welt"
Noch nicht genug? Dann bittet Delaire zum kurzen Stopp auf der Start-Ziel-Geraden und aktiviert die Launch-Control. Erst sie schaltet die vollen 500 PS und 730 Nm frei, bringt den Verbrenner mit blockierten Vorderrädern auf Touren und öffnet die Bremsen erst wieder, wenn die maximale Vorspannung erreicht ist: So muss es sich anfühlen, wenn eine Mirage vom Flugzeugträger katapultiert wird. Und ganz ähnlich ist die Geräuschkulisse. Denn jetzt surren nicht nur die Stromer. Sondern es quietschen mächtig die Reifen und natürlich brüllt endlich auch wieder ein Motor. "Schöne neue Welt!", strahlt Delaire vom Beifahrersitz.
Jetzt hat Delaire nur noch ein Problem: Er muss die Begeisterung aus dem Projekt irgendwie in die Buchhaltung tragen. Denn während der Ingenieur seine Formel Fun schon gefunden hat, müssen jetzt die Erbsenzählern in ihrem Elfenbeinturm, eine Gleichung aus Stückzahl, Preis und Umbautiefe suchen, die zumindest eine Kleinserie des 308 R-Hybrid möglich macht, sagt der Ingenieur. Doch stimmen den Projektleiter Termine wie dieser verhalten optimistisch: "Sie würden uns neun Monate nach der Messepremiere nicht weiter an dem Projekt arbeiten lassen, wenn sie mit dem R-Hybrid nicht noch mehr geplant hätten."