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Fahrbericht Genesis GV60: Der Edel-Elektriker

23.05.2022 06:00 Uhr | Lesezeit: 5 min
Im Fahrbetrieb überzeugt der Genesis GV60 mit gutem Fahrverhalten, präziser Lenkung und naturgemäß gewaltigen Spurtkräften
© Foto: Genesis

Der Genesis GV60 ist das luxuriösere Schwestermodell von Hyundai Ioniq 5 und Kia EV6 – Plattform, Antriebs- und Ladetechnik sind gleich. Ist es den Designern und Ingenieuren trotzdem gelungen, ein individuelles Modell auf die Räder zu stellen?

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Wohl keine Marke schlägt derzeit schneller den Bogen von der alten zur neuen Mobilität als Genesis. Wurden in Deutschland die ersten Modelle ab Herbst letzten Jahres noch ausschließlich mit Verbrenner-Motoren vorgestellt, folgt nun mit dem GV60 (ab 56.370 Euro) bereits das erste Elektroauto – und mit dem G80 Electrified steht das zweite schon in den Startlöchern. Ab 2025 sollen sogar alle Modelle nur noch mit elektrischem Antrieb angeboten werden. Aber der Reihe nach.

Wie viele neue Elektroautos derzeit ist auch der in der Länge 4,52 Meter messende GV60 ein SUV und zwar eines der Mittelklasse. Damit ist der Fünftürer etwa mit einem VW ID.5 vergleichbar. Aber eigentlich hat er vor allem Konkurrenz im eigenen Hause. Denn aus dem gleichen Baukasten und mit identischer Antriebs- und Ladetechnik offeriert der Hyundai-Konzern mit dem Kia EV6 und dem Ioniq 5 gleich zwei Schwestermodelle, die zudem bereits auf dem Markt sind. Da mussten sich der GV60 beziehungsweise seine Techniker und Designer schon was einfallen lassen.

Haben sie auch, wie man bei unserem Testwagen auf Anhieb sieht. Denn statt normaler Außenspiegel sind hier Kameras in ein Gehäuse eingebaut, deren Bild auf zwei Monitore in den Türen übertragen wird. Da gewöhnt man sich schnell dran und erfreut sich dann auch bei schlechterem Wetter an den gestochen scharfen Bildern. Ob das einem die verlangten 1.460 Euro Aufpreis wert ist, muss jeder selbst entscheiden.

Allradantrieb ist immer an Bord

Unser Testfahrzeug war (natürlich) nicht das Basismodell mit 318 PS (Sport), sondern die leistungsstärkere Variante mit satten 435 PS (Sport Plus). Allradantrieb ist immer an Bord, weil die Achsen jeweils von einem eigenen Elektromotor (mit je 218 PS beim Sport Plus) angetrieben werden. Der Akku fasst 77,4 kWh und ermöglicht damit Normreichweiten von um die 470 Kilometer. Wie die Schwestermodelle hat auch der Genesis modernste Ladetechnik (800 Volt) an Bord, die im besten Fall, also wenn man den passenden Schnelllader (350 kW) gefunden hat, zumindest theoretisch ein Aufladen von zehn auf 80 Prozent der Kapazität in 18 Minuten erlaubt.


Genesis GV60

Genesis GV60 Bildergalerie

Der GV60 ist erstaunlich routiniert gemacht, im Fahrbetrieb überzeugte er uns mit gutem Fahrverhalten, präziser Lenkung und naturgemäß gewaltigen Spurtkräften sowie - trotz hohem Anteil an Autobahn- und Bergstrecken - mit einem akzeptablen Realverbrauch von rund 21 kWh auf 100 Kilometern, womit Praxisreichweiten von mindestens 350 Kilometern möglich sein sollten. Das Fahrwerk könnte allerdings noch ein wenig Feintuning gebrauchen, das E-SUV ist ein wenig allzu kernig abgestimmt und hat vor allem mit Querrillen und bei langsamer Fahrweise seine Probleme.

Angesichts der Motorleistung sind die Fahrwerte keine Überraschung: In der Sport-Plus-Version spurtet der GV60 in vier Sekunden auf Tempo 100, der Sport benötigt 5,5 Sekunden. Bei der Höchstgeschwindigkeit bremst der Hersteller kaum ein – 235 bzw. 200 km/h sind drin. Das wird der normale E-Autofahrer allerdings selten bis kaum nutzen wollen, wenn er denn nicht alle 150 Kilometer an die Säule will.

Tadellose Verarbeitung, narrensichere Bedienung

Der GV60 erfreut innen mit tadelloser Verarbeitung, vorzüglichen Sitzen und die Bedienung ist wie bei fast Produkten der Koreaner ziemlich narrensicher, so dass man sich wünschen würde, der eine oder andere deutsche Hersteller würde hier mal genauer hinschauen.

Optisch fällt der GV60 durchaus auf. Das lag beim Testwagen natürlich auch an den Kamera-Außenspiegeln. Wie alle Genesis-Modelle trägt der Stromer die markentypische Signatur mit zweireihigen LED-Scheinwerfern und -Rückleuchten. Auch das durchlaufende Chromband am der oberen Fensterlinie samt Abschlusshaken an der C-Säule ist gelungen. Die Türgriffe sind normalerweise komplett versenkt und tauchen bei Annäherung ans Fahrzeug automatisch auf, zumindest, wenn man den Schlüssel dabei hat. Von seinen Schwestermodellen, dem wie ein echter Geländewagen kastig-imposant auftretenden Hyundai und dem eher wie ein Shooting-Brake wirkenden Kia, unterscheidet er sich mit einem typischen, aber nicht langweiligen SUV-Design.

So gut gemacht der GV60 ist, so teuer lässt sich Genesis Qualität und Leistung bezahlen. Da es anders als in anderen Märkten wie etwa der Schweiz das rein hinterradgetriebene, einmotorige Basisfahrzeug in Deutschland (vorerst?) nicht geben wird, sind schon die Grundpreise von 56.370 und 71.010 Euro happig. Wer diverse Zusatzpakete und Einzeloptionen ordert, kann den Preis wie bei unserem Testwagen leicht auf knapp 85.000 Euro treiben. Denn selbst Dinge wie ein Head-up-Display, eine 360-Grad-Kamera oder adaptive LED-Scheinwerfer sind zum Beispiel im Technik-Paket für 3.430 Euro versteckt, das dadurch eigentlich zum Muss wird. Da tröstet es nur ein wenig, dass bei Genesis immerhin für fünf Jahre nicht nur eine Vollgarantie gilt, sondern auch alle Inspektionen und Kartenupdates im Preis enthalten sind.

Und noch eine Besonderheit, die allerdings nicht nur für den GV60 sondern für alle Genesis-Modelle gilt: Interessenten und auch Käufern sollen es nur mit einem persönlichen Assistenten zu tun haben – und zwar immer dem gleichen. Der bringt das Fahrzeug zur Probefahrt, berät und verkauft es auch. Und wenn es zur Inspektion soll oder repariert werden muss, wird es abgeholt und zurückgebracht. Im besten Fall sieht der Kunde niemals eine Werkstatt, einen Händler im konventionellen Sinn gibt es sowieso nicht. Man darf gespannt sein, ob dieses Geschäftsmodell auch dann noch aufgeht, wenn erstmal einige tausend Modelle im Markt sind.

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