Zuletzt waren die Vorstandsetagen der Autohersteller eine spaßbefreite Zone, und auch bei Ford hatten sie wenig zu lachen. An Lust und Leistung denken deshalb die allerwenigsten. Doch während sie diesseits von AMG & Co allerorten die besonders potenten Modellvarianten einstampfen, lassen sich die Freude am Fahren am Rheinufer nicht vermiesen. Im Gegenteil: Obwohl der Fiesta als ST ohnehin schon zu den spaßigsten Kleinwagen am Markt zählt, schärfen die Kölner ihren kleinen Prinzen jetzt noch einmal nach und bringen ihn für glatte 32.000 Euro als Editionsmodell in den Handel.
Auf den ersten Blick ist das zwar nur eine schnöde Sonderserie, die für knapp 7.000 Euro Aufpreis auch noch unverschämt teuer erscheint. Denn am 1,5-Liter-Ecoboost-Motor ändert sich nichts. Es bleibt bei 200 PS und 290 Nm sowie bei einem Sprintwert von 6,5 Sekunden und einem Spitzentempo von 230 km/h. Und auch den kernigen Sound des Klappenauspuffs kennt man schon vom normalen ST.
Einstellbares Fahrwerk
Doch wer genauer hinschaut, entdeckt neben Zierrat wie den Anbauteilen in glänzendem Schwarz oder den ST-Projektionen aus den Außenspiegeln auf der Liste der Extras zwei Positionen, die einen großen Unterschied machen: Statt konventioneller Federn gibt’s ein auf dem Nürburgring abgestimmtes Gewindefahrwerk mit einstellbarer Zug- und Druckstufe. Und für mehr Traktion und weniger Zerren am Lenkrad bei flotter Kurvenfahrt bauen die Kölner auf Wunsch auch noch eine Vorderachssperre ein. Und neue 18-Zoll-Felgen mit jeweils knapp zwei Kilo weniger Gewicht gibt’s auch noch. "Dass der Ford Fiesta ST unter den sportlichen Kleinwagen mit seiner Agilität herausragt, ist bekannt. Mit dem einstellbaren Fahrwerk lassen sich die Handling-Eigenschaften nun gezielt optimieren", fasst Stefan Münzinger, der die Performance-Fahrzeuge in der europäischen Ford-Flotte verantwortet, das Fitnesstraining für den Fiesta zusammen.
Ford Fiesta ST Edition (2022)
BildergalerieDas Ergebnis ist ein Erlebnis wie nach einem großen Schluck Energy-Drink: Der ohnehin schon quirlige ST wirkt aufgeweckt und angestachelt und kann seine Kraft kaum mehr im Zaum halten. Wie ein Rennpferd vor dem Start scharrt er mit den Hufen und giert darauf, endlich von der Leine gelassen zu werden. Raus aus der Stadt, rein ins Vorgebirge und rauf aufs Gas – so wird der ausschließlich in nitro-blau lackierte und nur als Dreitürer angebotene Kraftzwerg zum Giftzwerg, der Kurven im Sturm nimmt, über die Kuppen fliegt und auf der Geraden lustvoll aufdreht. Klar hat die Lenkung trotz der Sperre noch ein wenig mit den Antriebseinflüssen zu kämpfen, bei Regen oder gar Schnee bekommen die Reifen die Kraft kaum auf die Straße und auf der Autobahn muss der kleine Sportler größere Konkurrenten gar zu früh ziehen lassen. Doch auf einer einsamen Berg- und Talbahn fühlt sich Fiesta furios an, krallt sich mit reduzierter Bodenfreiheit und abgesenktem Schwerpunkt dank blau lackierter Sportfedern noch fester in den Asphalt und treibt mit jedem Gasstoß den Adrenalinspiegel in die Höhe. Egal ob Taunus, Sauerland oder Schwarzwald – während der Fahrer gut gehalten wird von tiefer ausgeschnittenen Recaros und die Hände fest ins neue Sportlenkrad mit der praktischen Direktwahltaste für das scharfe Fahrprofil krallt, fühlt sich in diesem Auto jedes Mittelgebirge an wie die Eifel und der Nürburgring ist nur einen Gedankensprung entfernt.
In den Handel kommt der kleine Kraftmeier zu einer Zeit, die kaum besser sein könnte. Denn nachdem Corona den Kölnern schon den Karneval verdorben hat, bringt Ford so wenigstens ein bisschen Spaß zurück in die Straßen. Und wer am Steuer des Fiesta ST sitzt, der ist sogar froh, wenn es keinen Rosenmontagszug gibt – schließlich hat er dann freie Bahn. (SP-X)