Von Benjamin Bessinger/SP-X
Audi ist im Aufbruch: Nachdem die Bayern zuletzt in eine arge Lethargie verfallen waren und selbst nagelneue Autos wie der A4 oder der Q7 irgendwie alt ausgesehen haben, wagen sie sich jetzt tatsächlich mal wieder auf Neuland und bringen im November zu Preisen ab knapp 23.000 Euro den Q2 an den Start. Als erster wirklich kleiner Geländewagen aus der Oberliga soll der Benjamin für die Buckelpiste all jene Kunden einsammeln, denen auch ein Mercedes GLA und ein BMW X1 noch zu groß und vor allem zu teuer sind. Und ganz nebenbei soll er mit seinem betont kantigen, scharfen und farbenfrohen Design Schluss machen mit dem stilistischen Einerlei, das sich die Audi-Mannschaft viel zu lange hat vorwerfen lassen müssen: Frech, jung, unkonventionell und gierig auf alles Neue - so wird der Q2 vor allem in der internen Wahrnehmung zu einem echten Revoluzzer, der das ganze Unternehmen in Aufbruchsstimmung versetzt.
Um das zu illustrieren, bitten die Bayern nicht irgendwo zum ersten Test. Die Jungfernfahrt führt den Q2 ausgerechnet durch Havanna auf Kuba, wo der Kontrast zwischen den alten US-Straßenkreuzern und dem neuen Designer-SUV, zwischen bröckelnden Fassaden und schillerndem Lack größer kaum sein könnte und zugleich die Aufbruchsstimmung im Zuge der zaghaften Öffnung förmlich mit Händen zu greifen ist. Und ganz nebenbei ist der Urban Jungle nirgendwo so wild und abenteuerlich wie in der maroden Metropole der Castro-Brüder. Wenn ein Geländewagen in einer Stadt überhaupt sinnvoll ist, dann hier.
Für den Dschungel der Großstadt hat Audi den Q2 bestens gerüstet. In der rundgelutschten Q-Familie sieht der jüngste Spross nicht nur bulliger aus als seine großen Brüder. Auch im Vergleich zu GLA und X1 ist der Q2 mit mehr Bodenfreiheit und höherem Dach einem Geländewagen näher als einem trendigen Kombi. Und mit seinen 4,19 Metern ist er handlich und kurz genug, dass man auch in Städten mit mehr Verkehr als in Havanna ruhig Blut behält.
Viel Platz, viel Ausstattung
Obwohl das Auto vergleichsweise klein ist, bietet es überraschend viel Platz. Nicht nur vorne sitzt man deshalb mindestens so bequem wie im A3. Vor allem im Fond geht es dank der 2,60 Meter Radstand relativ geräumig zu. Zwar muss man sich durch einen kleinen Türausschnitt zwängen und dabei kräftig den Kopf einziehen. Doch wenn man es einmal auf den Rücksitz geschafft hat, sind dort auch Erwachsene besser aufgehoben als im 20 Zentimeter größeren Mercedes GLA. Und mit 405 bis 1.050 Litern Kofferraum muss man selbst beim Laden kaum Kompromisse machen.
Aber der kleine Q2 bietet nicht nur Platz wie ein großer, er ist auch entsprechend gut ausgestattet – zumindest gegen die gewohnt üppigen Aufpreise. Wer das mit Halogenscheinwerfern und mechanischen Sitzen vergleichsweise nackte Basis-Modell aufrüsten will, hat dazu jedenfalls alle Möglichkeiten: "Wir haben schließlich jede Menge Technik vom neuen Q7 übernommen", sagt Projektleiter Jens Kosyna und verweist zum Beispiel auf das Virtual Cockpit mit den komplett digitalen Instrumenten, auf den Stau-Assistenten mit Lenkeingriff auf die Online-Navigation mit perfekter Smartphone-Integration und induktiver Handy-Ladeschale oder die Option auf LED-Scheinwerfer.
Ähnlich wie bei der Ausstattung geht Audi auch beim Ambiente in die Vollen. Zwar wirkt der Q2 innen lange nicht so frisch und frech wie außen. Aber diesseits von Q7 und A8 bietet kein anderes Modell aus Ingolstadt so eine breite Materialauswahl, die so liebevoll zusammengestellt wurde. Selbst die Zierkonsolen im Cockpit werden in unterschiedlichen Farben angeboten und lassen sich erstmals sogar hinterleuchten. Von der C-Säulen-Verkleidung in Kontrastfarben ganz zu schweigen.
Das hohe Lied der Vernunft
Nur beim Antrieb singt Audi noch das hohe Lied der Vernunft – zumindest zum Start. Denn dem Basis-Modell muss ein Einliter-Dreizylinder mit 116 PS genügen. Selbst die stärksten der je drei Benzin- und Dieselmotoren kommen erst einmal nur auf 140 kW / 190 PS. Und der Quattro-Antrieb ist nur am oberen Ende der Palette serienmäßig. Während die sparsamsten Varianten damit auf einen Normverbrauch von kaum mehr als vier Litern kommen sollen, stellt Projektleiter Kosyna für die Top-Versionen Spitzengeschwindigkeiten von knapp 230 km/h in Aussicht.
Doch weil der Q2 im besten Fall kaum mehr als 1,2 Tonnen wiegt und obendrein sehr windschnittig gezeichnet ist, reicht auch ein kleiner Motor für großen Spaß - der 1,4-Liter-Benziner mit 110 kW / 150 PS zum Beispiel. Er ist mit einem maximalen Drehmoment von 250 Nm gut bei der Sache und beschleunigt den Q2 in 8,5 Sekunden von 0 auf 100. Überholen wird mit seinem bissigen Antritt zum Kinderspiel und mit einem Spitzentempo von 208 km/h geht er zumindest auf Kuba als Rakete durch. Dabei drücken das kleine Format des Q2 und die Zylinderabschaltung den Verbrauch im besten Fall auf rund 5,0 Liter, verspricht die Audi-Mannschaft.
Weil Audi zudem serienmäßig die Progressivlenkung aus dem S3 einbaut, das Fahrwerk vergleichsweise stramm abstimmt und so den höheren Schwerpunkt geschickt kaschiert, macht der Q2 einen wieselflinken Eindruck und wuselt so wendig durch den Stadtverkehr, dass Projektleiter Kosyna in die Terminologie der Konkurrenz verfällt und sogar vom Go-Kart-Feeling spricht.
Bald sogar ein Q1?
Natürlich ist die Idee von einem wirklich kleinen Geländewagen nicht neu. Und obwohl es bei Mercedes und BMW noch kein Pendant zum Q2 gibt, kann Kosyna vom Mini Countryman bis zum Renault Captur trotzdem leicht ein halbes Dutzend Konkurrenten aufzählen. Doch für Audi markiert der kleine Kraxler tatsächlich einen Aufbruch und genau wie auf Kuba geht die Revolution auch in Ingolstadt weiter: Denn jetzt, wo der Q2 fast fertig ist, legten Kosynas Kollegen bereits Hand an den Q8 und machen sich ernsthaft Gedanken, ob es nicht bald sogar einen Q1 brauchen könnte.
D.Buschhorn