Von Peter Maahn/sp-x
Schon der Name ist klangvoll. "Giulia Veloce", eine Liebeserklärung an die schnelle Julia, vielleicht in höchsten Tönen dargebracht in der Mailänder Scala von einem schmachtenden Tenor. Und schnell ist er wirklich, der sportlichste und gleichzeitig gerade noch bezahlbare Spross der neuen Alfa-Familie, die zum ernsthaften Rivalen des deutschen Dreigestirns von BMW, Mercedes-Benz und Audi aufsteigen will. Natürlich gibt es da noch die Alfa Giulia mit Beinamen Quadrifoglio Verde (vierblättriges Kleeblatt). Die allerdings kostet gut 72.000 Euro und ist mit ihren 375 kW / 510 PS eine Extremsportlerin. Die Veloce dagegen ist ab knapp 47.000 Euro zu haben, hat ebenfalls Allradantrieb und ist mit 154 kW / 210 PS auch nicht von schlechten Eltern.
Die ersten Testrunden mit dem Allradler ließen keine rechte Freude aufkommen. Was nicht am Neuling lag, sondern an den äußeren Bedingungen. Tagelange Regenfälle im Piemont südlich von Turin ließen Tanaro und Po anschwellen, Matschmassen von den Weinbergen auf die engen Serpentinen-Straßen rutschen und verwandelten den Asphalt wegen des nassen Laubs in glitschige Rutschbahnen. Ideal für ein Allradauto, was mit Blick auf die Not der betroffenen Menschen in der Region fast schon zynisch klingt. Alfas Europa-Chef Fabricio Curci sah das genauso, zeigte sich sichtlich betroffen und sprach davon, wie ernst auch seine Industrie den Klimawandel mit seinen extremen Wetterkapriolen nehmen müsse.
Zurück zur Tagesordnung: Das Veloce-Modell macht die recht erfolgreich gestartete Giulia-Baureihe komplett, die bereits mit Schönheitspreisen überhäuft wurde. Gut 10.000 wurden schon verkauft, auch in Deutschland setzte sich der Viertürer an die Spitze des Alfa-Absatzes. "Gerade für das Heimatland sportlicher Mittelklasse-Limousinen ist unser Giulia Veloce besonders wichtig", erklärt Curci und hebt besonders die Diesel-Version hervor. "In Kombination mit dem serienmäßigen Allradantrieb bietet unser neuer Diesel eine Mischung aus Dynamik und Sicherheit ohne dabei den Komfort zu vernachlässigen."
Kernig, aber nicht aufdringlich
Die Einschätzung des smarten Alfa-Chefs stimmt. Das 2,2-Liter-Triebwerk hat mit dem 1,6-Tonner keine Mühe, solange man die Drehzahl nicht zu tief in den Keller fallen lässt. Beim Spurt auf Tempo 100 gönnt sich der Selbstzünder eine zwar kurze, aber doch spürbare Denkpause, bevor er die 210 Pferde zum Galopp inspiriert. Mit 6,8 Sekunden auf 100 km/h ist der Diesel-Alfa dennoch recht gut dabei, auch wenn er dem anderen Veloce (2-Liter-Benziner, 206 kW / 280 PS, ab 47.800 Euro) deutlich den Vortritt lassen muss. Bei der möglichen Spitze liegen beide dagegen nah beieinander (235 km/h bzw. 240 km/h). Vor der Hatz sollte man den runden Drehknopf in der Mittelkonsole in der Rasanz-Stufe einrasten lassen. Dann dreht der Veloce die Gänge der Acht-Stufen-Automatik höher aus und verhärtet Lenkung und Federung um einige Nuancen. Auf den Sound hat das keinen Einfluss. Alfa verzichtet auf künstlich erzeugtes Geräuschniveau. So klingt der Motor echt und natürlich, zwar kernig, aber nicht aufdringlich.
Der serienmäßige Allradantrieb sorgt rechnergesteuert ohne Zutun des Fahrers immer für die richtige Kraftverteilung. Außer im erwähnten teuren Spitzenmodell kommt der Q4 genannte Antrieb derzeit nur der Veloce zu Gute. Normalerweise wird der recht leichte Viertürer von den Hinterrädern geschoben. Verlieren diese oder auch ihre Frontkollegen die nötige Haftung, wandert bis zur Hälfte der Kraft gen Bug. Je nach Straßenoberfläche oder Kurvengeschwindigkeit funktioniert das in Bruchteilen von Sekunden. Der Fahrer merkt die Veränderung nicht, sondern wundert sich nur, wie treu seine schöne Italienerin die Spur hält.
Kein aktiver Spurhalter, kein LED
Dabei muss der Giulia auf Manches verzichten, was die direkten Rivalen in ihrer Preisliste bieten. Aktives Spurhalten oder automatisches Weglenken, wenn im toten Winkel ein Auto zu nahekommt, hat Alfa derzeit noch nicht zu bieten. Ähnliches gilt für die Lichtquelle in den schmalen Scheinwerfer-Gehäusen. Sind andere längst von LED-Power erleuchtet, strahlt die Veloce mit Bi-Xenon. Chef Curci wiegelt ab: "Der Unterschied von LED zu unserer neuen Xenon-Technik ist nur gering. Warum also das Auto teurer machen als nötig." Er kündigt aber an, dass Alfa in diesem Bereich durchaus nachlegen wird, wenn die Kunden es denn wollen.
Was dann wiederum die Preisliste weiter anschwellen lassen wird. Da sich Alfa inzwischen zu Recht als Premium-Marke sieht, locken viele Extras zum Einkaufsbummel beim Händler. Zwar ist die Veloce-Variante recht komplett ausgestattet, doch Luxus- oder Sportpakete werden manche Kunden schwach werden lassen. So wird der Grundpreis von 46.800 Euro so schnell die 50.000-Euro-Marke hinter sich lassen, wie der Name Veloce übersetzt verheißt.
Giulia komplett heißt es jetzt also bei Alfa. Wirklich komplett? Da fehlt doch ein Kombi mit dem Traditionsnamen Sport Wagon? Fabricio Curci zeigt sich verschlossen: "Wir machen erst, dann reden wir drüber." Bereits geredet wird über den Sport-SUV mit Namen Stelvio. Er teilt sich neben der Plattform viele weitere Komponenten mit der Limousine. Unter anderem auch den Allradantrieb.
Carlo