Es ist ein Auto wie ein Gebirge. Gut 5,30 Meter lang, mehr als zwei Meter breit und fast ebenso hoch, mit einer Höchstgeschwindigkeit von 200 km/h sowie einem Lebendgewicht von knapp 3,5 Tonnen. Der Yangwang U8 ist schon auf den ersten Blick eine beeindruckende Erscheinung. Der chinesische Autogigant BYD lässt mit ihm zwei Wochen vor der heimischen Autoschau in Peking die Muskeln spielen und deutet an, was im Segment der großen Edel-Geländewagen derzeit möglich ist. Und das ist Einiges – sofern Geld keine Rolle spielt, denn ein solches Fahrzeug würde in Deutschland deutlich über 125.000 Euro kosten.
Der U8 hat vier Elektromotoren, einen für jedes Rad, die getrennt voneinander angesteuert werden. Rund 180 Kilometer beträgt die rein elektrische Reichweite. Dazu kommt ein als Range Extender arbeitender, vom Antrieb entkoppelter Benzinmotor, der die Reichweite auf 1.000 Kilometer erhöhen soll. Der U8 hat also Allradantrieb und die trickreiche Regelelektronik sorgt nebenbei für ein spezielles Gimmick, das bislang Kettenfahrzeugen vorbehalten blieb: Das Auto kann auf der Hochachse wenden. Das wird zwar im Alltagsbetrieb mutmaßlich niemals benötigt und hinterlässt hässliche schwarze Gummischlieren auf der Fahrbahn, doch im schwersten Gelände oder beim Einsatz als Rettungsfahrzeug könnte diese Fähigkeit schon mal gefragt sein.
Antrieb mobilisiert maximal 1.200 PS
In erster Linie gehört diese Spielerei jedoch in die Kategorie "zeigen, was geht". Dazu zählt auch der Antriebsstrang mit seinen 880 kW / 1.200 PS, der eine Beschleunigung des Ungetüms in 3,6 Sekunden auf 100 km/h ermöglicht, ebenso wie die 200 km/h Vmax, aber auch das ausgetüftelte Fahrwerk – selbstverständlich elektronisch geregelt – das für eine maximale Bodenfreiheit von knapp 50 Zentimetern sorgt. Eingebaut sind allerlei Sensoren und Regelungselemente, die die Fuhre beim scharfen Bremsen in der Spur halten sowie die Wankneigung um Hoch- und Querachse unterdrücken.
BYD Yangwang U8
BildergalerieDer Innenausbau des U8 entspricht höchsten europäischen Anforderungen. Feinstes Leder hüllt sich um solide Bedienelemente, die – es bleibt ein chinesisches Auto – zuweilen etwas verspielt daherkommen. Die diversen Aggregatzustände des Wagens lassen sich auf drei großen Displays im Cockpit manchmal etwas mühsam ablesen, dennoch entbehrt die Software nicht der Logik. Überflüssig zu erwähnen, dass eine Soundanlage mit 22 Lautsprechern für akustisches Wohlbefinden sorgt, sie lässt sich auch mit dem sich piezoelektrisch verfärbenden Dachhimmel synchronisieren. Ein kleines Haar in der Suppe ist allenfalls, dass sich die Rückbank nur im Verhältnis 2:3 (natürlich elektrisch) umklappen lässt – eine "Durchreiche" ist nicht im Programm; der Skisport gehört in China offenkundig nicht zu den entscheidenden Lobbygruppen.
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Liegen die Sitze flach, bietet der U8 eine vollwertige Liegefläche, die mittels eines Nivellierschalters in die Waagerechte gebracht werden kann. Damit das Auto während der Nachtruhe nicht ins Schaukeln gerät, lässt sich die Federung in dieser Position auch arretieren. Wer sich vorher ein saftiges Steak braten möchte, ist mit dem U8 ebenfalls bestens bedient. Die 49 kW große Batterie hat außenliegende Steckdosen, an die ein Elektrogrill angeschlossen werden kann. Während des Ladevorgangs leuchten LED-Bänder an den D-Säulen grün, beim Entladen blau. Eine komplette Liste der Entertainmentmöglichkeiten, die dieses Auto bietet, würde hier den Rahmen sprengen – schön, dass alles auch abgeschaltet werden kann.
Yangwang U9
BildergalerieKurzzeit-Schwimmer und Drohnen-Träger
Schwimmen kann der U8 übrigens auch. Allerdings nur im Notfall und 30 Minuten lang. Dazu werden keine Gummiringe oder Ähnliches aufgeblasen, Yangwang verlässt sich auf die präzise Fertigung und die dadurch bedingte Dichtigkeit der Karosserie sowie die Auftriebskraft durch Wasserverdrängung. Schwimmt der Wagen auf dem Wasser, öffnet sich das Dach als Fluchtmöglichkeit. Wichtiger als die Schwimmfähigkeit dürfte allerdings die Wat-Tiefe von mehr als einem Meter sein. Fliegen kann das automobile Schweizer Taschenmesser aus China übrigens nicht, doch als Sonderausstattung gibt es eine auf dem Dach montierte Drohne, die ihre Bilder ins Cockpit sendet.
Auf der Teststrecke fühlt sich der U8 sehr beeindruckend an. Antrieb, Lenkung und Fahrwerk zeigen Sportwagen-Qualitäten, was bei der gewaltigen bewegten Masse kein leichtes Unterfangen ist. Bei mutwillig zu schnell gefahrenen Kurven untersteuert das Gefährt, wird jedoch von der Elektronik problemlos wieder eingefangen. Einige Fragezeichen sind bei der Bremse anzubringen, die in kaltem Zustand hervorragend arbeitet und das 3,5 Tonnen schwere Fahrzeug aus 100 km/h schon nach 30 Metern zum Stillstand bringt. Doch schon nach wenigen Runden wird es den Verzögerungsorganen zu warm, das Pedal wird weich und fordert gehörigen Muskeleinsatz. Physik lässt sich halt auch von Elektronik nicht überlisten. Auch die Reifen machen nach wenigen schnellen Testrunden einen etwas "schmierigen" Eindruck.
Bevor der U8 in Europa angeboten wird, werden sich die Ingenieure bei Yangwang aber sicher noch entsprechende Gedanken machen. Dass sie findig sind, haben sie mit diesem Auto, das in der 1-Millionen-Yuan-Klasse (mehr als 125.000 Euro) spielt, unter Beweis gestellt. Warum das erste Auto von Yangwang die Zahl 8 im Namen trägt, ist auch den in Deutschland Verantwortlichen nicht klar. Klar ist aber, dass bald ein U9 gezeigt wird. Ein Sportwagen, der dann natürlich erneut zeigen soll, was so alles möglich ist.
Francis