Im Kampf gegen gesundheitsschädliche Diesel-Abgase in Städten hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) den Kommunen weitere Finanzhilfen zugesagt. Merkel erklärte am Dienstag nach einem Spitzentreffen von Bund, Ländern und Kommunen in Berlin, das "Sofortprogramm" für bessere Luft in Höhe von einer Milliarde Euro für 2018 solle verstetigt werden. Sie wolle dies einbringen in die Verhandlungen zur Bildung einer neuen Regierung. Die Politik erhöhte bei dem Treffen zugleich den Druck auf die Autoindustrie.
In vielen Städten werden Grenzwerte beim Ausstoß gefährlicher Stickoxide anhaltend überschritten. Es drohen gerichtlich erzwungene Diesel-Fahrverbote. Rund 90 Städte in Deutschland kämpfen mit zu hohen Werten. Im Februar werden wegweisende Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts zu Fahrverboten erwartet.
Die Gelder aus dem Diesel-Fonds sollten den Kommunen möglichst schnell zur Verfügung stehen, damit diese "passgenau" Projekte umsetzen könnten, sagte Merkel. Bei den Projekten geht es etwa um bessere Angebote im öffentlichen Nahverkehr, um Nachrüstungen von Dieselbussen sowie eine Elektrifizierung von Busflotten. Außerdem sind mehr E-Auto-Ladestellen geplant, digitale Leitsysteme gegen Staus sowie neue Radwege.
Merkel sagte, das Treffen mit den Kommunen sei nur eine Facette der Gesamtmaßnahmen, um Fahrverbote zu vermeiden. Sie verwies mit Blick auf Abgas-Skandale auf die Verantwortung der Automobilindustrie.
Gutachten über Hardware-Lösungen
Die Autoindustrie hatte Anfang August für Millionen von Autos Software-Updates angekündigt und außerdem Prämien für Kunden zugesagt, um den Kauf sauberer Autos anzukurbeln. Umbauten direkt am Motor, die teurer wären, lehnten die Firmen ab. Merkel sagte, Anfang des nächsten Jahres solle ein Gutachten über sogenannte Hardware-Lösungen beraten werden.
Der Bund zahlt für den Diesel-Fonds 750 Millionen Euro, die Autoindustrie hat einen Beitrag von insgesamt 250 Millionen Euro zugesagt. Bisher wollen der VW-Konzern, BMW und Daimler in den Fonds einzahlen, die ausländischen Hersteller weigern sich. Daher klafft beim Beitrag der Autobranche noch eine Lücke. Merkel pochte darauf, dass die Autobranche die zugesagten 250 Millionen einbringt.
Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) sprach nach dem Spitzentreffen im Kanzleramt von einem wichtigen Schritt. Die beschlossenen Maßnahmen allein reichten aber nicht aus, um das Problem von Dieselabgasen flächendeckend zu lösen. Sie sehe vor allem die Autoindustrie in der Pflicht.
Kritische Kommunen
Der Deutsche Städtetag begrüßte die geplante schnelle Umsetzung des Milliarden-Programms, sieht aber noch offene Fragen bei der Finanzierung. Die Städte wüssten noch nicht, ob sie die Fördermittel tatsächlich unbürokratisch erhalten könnten, erklärte die Präsidentin des Städtetages, die Ludwigshafener Oberbürgermeisterin Eva Lohse. "Schwierig ist, den Kommunen bei den meisten Programmen eine finanzielle Eigenbeteiligung abzuverlangen. Das verlängert die Zeiträume deutlich, bis die Projekte anlaufen können."
Um Diesel-Fahrverbote zu vermeiden, sei ein "Bündel von Maßnahmen" notwendig. "Die Städte sind nicht die Verursacher des Stickoxid-Problems und werden es mit ihren Maßnahmen nicht lösen können. Entscheidend wird für die Gerichte sein, wie die Werte an den Messstationen sinken", meinte Lohse. Deshalb sei die Autoindustrie gefordert, die Fahrzeuge sauberer zu machen.
Der Stuttgarter Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) sagte, mit einem einmaligen Milliardenprogramm sei es nicht möglich, alle Probleme zu lösen. Die Autobauer könnten wegen eines Programms für Kommunen "nicht außen vor" bleiben. Die Aufgaben der Branche seien noch längst nicht gelöst. So gebe es keinen vollelektrischen Bus auf dem deutschen Markt, auch kein Elektro-Taxi.
Der Auto-Branchenverband VDA erklärte, vor allem digitale Maßnahmen zur Verkehrsverflüssigung hätten großes Potenzial, die Stickoxidwerte rasch zu reduzieren. Eine Elektrifizierung der Busflotten sei eher mittelfristig umsetzbar. Keine Maßnahme allein werde ausreichen, um den "weltweit anspruchsvollsten Luftqualitätswerten" in den betroffenen Städten zu entsprechen. Die Automobilindustrie übernehme Verantwortung und trage einen wichtigen Teil zur Lösung bei, hieß es mit Blick auf die Software-Updates sowie Umstiegsprämien.
Karpinski für nationale Nachrüst-Verordnung
Jürgen Karpinski, Präsident des Deutschen Kfz-Gewerbes ZDK, erneuerte die Forderung einer nationalen Nachrüst-Verordnung für ältere Diesel-Pkw und Kleintransporter. "Es müssen nun schnellstmöglich die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Hersteller dieser Systeme geschaffen werden", sagte er in Bonn. Außerdem sprach sich der Verbandschef für die Förderung eines solchen Nachrüstungsprogramms durch den Bund aus, wie dies schon erfolgreich bei Dieselpartikelfiltern geschehen sei. Nach seiner Ansicht gehört auch die Verkehrspolitik der Kommunen im Hinblick auf Maßnahmen zur Luftreinhaltung auf den Prüfstand. "Grüne Welle und ein gleichmäßiger Verkehrsfluss bringen eine Reduktion der Stickoxidemissionen um fast ein Drittel", so Karpinski
Das Umweltbundesamt hält die Beschlüsse des Dieselgipfels nicht für ausreichend, um Fahrverbote flächendeckend zu verhindern. In hochbelasteten Städten wie Stuttgart oder München werde das Maßnahmenpaket nicht reichen, um die Luft ausreichend sauber zu bekommen, sagte Präsidentin Maria Krautzberger den Zeitungen des RedaktionsNetzwerks Deutschland (Mittwoch). Es brauche zusätzlich zu den Software-Updates weitere Lösungen direkt an den Diesel-PKW. Es führe kein Weg daran vorbei, insbesondere Euro-5-Diesel nachzurüsten.
"Der Gipfel ist gescheitert"
Scharfe Kritik an dem Treffen bei Merkel kam von der Deutschen Umwelthilfe. Geschäftsführer Jürgen Resch sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Der Gipfel ist gescheitert, Fahrverbot e sind wahrscheinlicher geworden." Als Grund nannte er die zeitliche Streckung von Förderprogrammen. Die Umwelthilfe hat eine Vielzahl von Klagen vor Gerichten eingereicht, damit Luftreinhaltepläne eingehalten werden. (dpa/rp)
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