Von Frank Jung/ATZ/MTZ
Der Automobilzulieferer ZF aus Friedrichshafen möchte sich ab sofort verstärkt auf Elektromobilität fokussieren, wie Vertreter des Unternehmens während einer virtuellen Pressekonferenz betonten. Das gehe so weit, dass künftig keine Antriebsteile mehr entwickelt werden sollen, die nur für den Einbau in Fahrzeuge mit reinen Verbrennungsmotoren geeignet sind.
"Wir entwickeln nicht mehr am verbrennungsmotorischen Antrieb – es wird keine rein konventionellen ZF-Getriebe mehr geben", sagte Dr. Michael Ebenhoch, Leiter Entwicklung der Division Pkw-Antriebstechnik. Hybride und reine Elektrofahrzeuge würden aber noch viele Jahre parallel zueinander existieren, da beide in ihren Anwendungsgebieten sinnvoll seien. "Die genaue Verteilung ist noch unsicher, daher beschreiten wir beide Wege intensiv", so Ebenhoch weiter.
Seitens der Hybridtechnik setzt ZF auf seine Fortentwicklung von Plug-in-Hybriden (PHEV) mit einer deutlich höheren Reichweite im reinen Elektrobetrieb als bisher. Die Lösung hier von ZF heißt EVplus, bei dem nun der Wechsel von der dritten in die vierte Generation vollzogen werden soll. Das Konzeptfahrzeug der dritten Generation basierte auf einem Serien-Pkw mit 8-Gang Plug-in Hybridgetriebe der Friedrichshafener. In die Mittelklasselimousine hatten die Ingenieure eine Batterie von 35 KWh Brutto-Kapazität verbaut. Die Leistung der in das Getriebe integrierten elektrischen Maschine entspricht aktuell mit 65 kW Dauerleistung und Spitzenleistung bis 95 kW dem Serienstand. So bewältigt der Wagen nach Angaben des Herstellers dadurch mehr als 100 Kilometer rein elektrisch mit einer einzigen Batterieladung. Da solche Angaben nicht selten auf dem Prüfstand und bei Idealbedingungen ermittelt werden und mit entsprechender Skepsis zu betrachten sind, heben die Entwickler hervor, dass diese Reichweite "im Realbetrieb" zu jeder Jahreszeit und mit aktiven Nebenverbrauchern wie Klimaanlage oder Heizung möglich sei.
Leistungselektronik im Getriebegehäuse integriert
Bei der jetzt vorgestellten vierten Generation von EVplus integrierte ZF die gesamte Leistungselektronik in das Getriebegehäuse, ohne den dafür benötigten Bauraum zu vergrößern. Dies ermögliche auch den Einbau in bereits bestehende Fahrzeugkonzepte und eine Gewichtsreduktion gegenüber dem Vorgänger von 50 Prozent. Als wichtigste Maßnahme sei das Volumen für die benötigte Hydraulik von 3,1 auf 1,8 Liter reduziert worden. Möglich wird das vor allem durch den Einsatz von sogenannten Direktschaltventilen. Diese elektromagnetischen Aktuatoren benötigen anders als die bislang verwendeten elektrischen Drucksteller keine zusätzlichen Kolben und Buchsen mehr.
Auch bei den technischen Daten legt die neue EVplus gegenüber der vorherigen Generation deutlich zu. So stieg die Leistung von 90 kW und 240 Nm Drehmoment auf 160 kW bei 450 Nm im rein elektrischen Betrieb. Das erlaube dynamische Fahrten ohne Einsatz des Verbrennungsmotors "Damit ist dieser Antrieb kein Verbrenner mit elektrischem Hilfsmotor mehr, denn er bietet konsequente Elektromobilität im Alltag. Wer mit demselben Fahrzeug längere Strecken. fahren will, schafft dies ohne erzwungene Ladepausen und das Risiko, liegenzubleiben", sagte Ebenhoch zum "Paradigmenwechsel" seiner Firma. Die vierte Generation PHEV-Antriebe der Marke EVplus soll im Jahr 2022 in die Serienproduktion gehen.
Auf Seiten der reinen Stromer verpasste ZF der im vergangen Jahr vorgestellten elektrischen 2-Gang-Antriebslösung eine kräftige Vitaminspritze, und zwar in Form einer Steigerung der Betriebsspannung von 400 auf 800 Volt. Mit 800 V könne die Ladezeit um die Hälfte verkürzt werden. Ein 5-minütiger Stopp dürfte dann zum Aufladen für etwa 160 Kilometer Fahrstrecke genutzt werden können. Somit werde das 800 V-Spannungsniveau das Problem der begrenzten Reichweite bei rein batterieelektrischen Fahrzeugen lindern. Ebenhoch kündigte für den Zweigang-Elektromotor Leistungsstufen von bis zu 350 kW an.
So drängte sich zum Ende der Pressekonferenz nur mehr die Frage auf, wie ZF denn dastehe, falls statt der E-Mobilität doch noch der Verbrenner bei einem möglichen Umstieg auf synthetische Kraftstoffe den Siegeszug antreten sollte. Michael Ebenhoch beantwortet die entsprechende Frage damit, dass dies kein Problem darstelle, da die Getriebe aus seinem Hause bereits jetzt einen kaum mehr steigerungsfähigen Wirkungsgrad aufwiesen.