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Teurer Ladestrom: Immer Ärger an der Strom-Zapfsäule

05.02.2021 09:45 Uhr
Teurer Ladestrom: Immer Ärger an der Strom-Zapfsäule
Der Markt für Ladestrom bleibt unübersichtlich.
© Foto: Ford

Die E-Auto-Verkäufe in Deutschland beschleunigen sich rasant, die öffentliche Lade-Infrastruktur hechelt hinterher. Die vielen neuen E-Mobilisten finden einen unübersichtlichen Markt vor – und zunehmend unattraktive Fahrstrom-Tarife.

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Von Holger Holzer/SP-X

Der Verkauf von Fahrstrom am Straßenrand ist in Deutschland kein gutes Geschäft. Schon heute gibt es zu viele teuer gebaute Ladesäulen für immer noch zu wenige potenzielle Kunden. Und das Missverhältnis aus Sicht der Betreiber dürfte künftig eher noch zunehmen. Aktuell leiden darunter nicht zuletzt die Kunden: Die Tarife für das öffentliche Strom-Zapfen werden für sie immer unattraktiver.  

Den ersten großen öffentlichen Ärger gab es Anfang 2020, als der Schnellladesäulenbetreiber Ionity die Strompreise für Nicht-Vertragskunden auf 79 Cent pro Kilowattstunde anhob. Plötzlich schien das Fahren eines E-Autos teurer als der Betrieb eines Benzin-Sportwagens: Für ein durchschnittliches Batterie-Mobil führt dieser Kurs zu Energie-Kosten von rund 16 Euro pro 100 Kilometer. Entsprechend groß war der Aufschrei unter Fans und Gegnern des neuen Antriebs. Letztere übersahen zwar, dass niemand gezwungen ist, zu diesem Tarif zu tanken, zumindest nicht regelmäßig. Doch die Preiserhöhung an den prominent an Autobahnraststätten positionierten Schnellladern ist nur eine von vielen unpopulären Tarif-Maßnahmen in den vergangenen Monaten.  

So nahmen einige Roaming-Anbieter in der Folge die Ionity-Säulen aus dem Programm oder erhöhten die Preise noch einmal massiv. Plugsurfing etwa verlangt aktuell für die Kilowattstunde an den Schnellladern 1,09 Euro – ein Preis, der wohl wenn überhaupt nur von gedankenlosen Dienstwagenberechtigten mit Tankkarte bezahlt wird. Alle anderen sind gut beraten, den Ad-hoc-Tarif für 79 Cent über das Handy zu buchen – etwas unkomfortabler als mit Tankkarte, aber deutlich billiger. Das Beispiel zeigt: Wer unterwegs Strom tankt, muss auch mit unsinnigen Bezahlmodellen rechnen. Die sich zudem ständig ändern.  

E-Mobilisten sollten Augen offen halten

Generell steht der E-Mobilist also unter dem Druck, die Augen offen zu halten und Änderungen schnell zu registrieren. Der E-Mobilitätsprovider EnBW etwa hat im Herbst eine sogenannte Blockiergebühr eingeführt. Wer mehr als vier Stunden an der Ladesäule steht, zahlt eine Strafe, die sich auf bis zu zwölf Euro summiert. Kunden ohne eigene Wallbox, die ihr E-Mobil über Nacht am Straßenrand laden, mussten sich einen neuen Anbieter suchen oder wieder zurück auf einen Benziner wechseln.  

Die Erklärung für den Tarif-Wildwuchs ist einfach: Das Geschäft mit dem Fahrstrom ist keines. Zumindest noch nicht. Der Verkauf am Straßenrand lohnt sich für Ladesäulenbetreiber ("Charge Point Operator", CPO) einfach nicht. "Von einem wirtschaftlichen Betrieb der öffentlichen Ladeinfrastruktur sind wir noch deutlich entfernt", erklärt der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). Ihm zufolge wären für eine wirtschaftliche Auslastung der 33.000 öffentlichen Ladepunkte rund 550.000 vollelektrische Fahrzeuge notwendig. Es gibt aktuell aber nur knapp die Hälfte. Und somit viel zu wenig potenzielle Kunden.  

Auch ein schnelles Flottenwachstum würde nicht unbedingt für Gewinne an der Säule sorgen, denn die Zahl der Ladepunkte soll gleichzeitig wachsen, um die E-Mobilität für immer mehr Autofahrer attraktiv zu machen. Die EU gibt einen Richtwert von zehn Fahrzeugen pro Ladesäule aus (Richtlinie 2014/94/EU). Sollen 2025 wie geplant eine Million E-Autos auf deutschen Straßen unterwegs sein, bräuchte es 100.000 Säulen. Nach der Rechnung des BDEW wären das Zehntausende zu viel für einen wirtschaftlichen Betrieb.  

Stromverkauf wirft kein Geld ab

Ändern könnte man die schlechte Ertragssituation durch Preiserhöhungen – wohl auch einer der Gründe für die aktuellen Aufwärtsbewegungen bei den Tarifen. Doch dass der Stromverkauf kein Geld abwirft, ist nicht notwendigerweise eine Katastrophe für die Ladesäulenbetreiber. Denn außer durch direkte Einnahmen lohnt sich das Aufstellen von Säulen auch auf andere Weise. Etwa für die Kundenbindung: Stadtwerke und andere lokale Stromanbieter können ihren Haushaltsstromkunden beispielsweise auch gleich den Fahrstrom mitliefern und sie so von einem Wechsel zur Billig-Konkurrenz abhalten. Einen ähnlichen Reiz hat das Bereitstellen von Lademöglichkeiten für den Einzelhandel, der seinen Kunden vor Ort das kostenlose Stromtanken ermöglicht. Etwas anders gelagert ist die Motivation für Autohersteller wie Daimler, Volkswagen, BMW, Ford und Hyundai, die ihren E-Auto-Kunden über ihr Gemeinschaftsunternehmen Ionity neben dem Fahrzeuge gleich auch den verbilligten Zugang zu einer passenden Ladeinfrastruktur anbieten können. Wer etwa einen VW ID.3 kauft, zahlt statt der üblichen 79 Cent am Schnelllader nur noch 59 Cent. Mercedes-Fahrer kommen sogar mit 29 Cent davon. Das macht den Kauf bei einem der Ionity-Teilhaber vor allem für Vielfahrer besonders interessant. Fahrer anderer Fabrikate dürften das nicht ganz zu Unrecht als unfair empfinden.

Die Bundesnetzagentur hält das Tarif-Wirrwarr zum jetzigen Zeitpunkt für normal. Schwankende Ladepreise seien in frühen Phasen eines sich entwickelnden Marktes oftmals zu beobachten, heißt es im Anfang 2021 veröffentlichten Monitoringbericht zum Strommarkt. Einige Wochen zuvor hatte die Behörde allerdings auch eine mögliche Lösung aus der verbraucherunfreundlichen Situation skizziert: eine freie Anbieterwahl der Kunden an jeder öffentlichen Ladesäule. So, wie es auch beim Haushaltsstrom der Fall ist. E-Autofahrer könnten so an jeder Säule bei seinem Haus-und-Hof-Lieferanten zu einem einheitlichen Vertragspreis tanken – ohne böse Überraschungen und ohne Aufwand bei der Preisrecherche. Zumindest technisch und rechtlich sieht die Netzagentur in einem Beschluss aus dem Dezember kein Problem für derartige Belieferungen. Ein entsprechendes Abwicklungsmodell hat sie an gleicher Stelle bereits skizziert.  

Gefordert wird die freie Anbieterwahl von Infrastrukturbetreibern laut Bundesnetzagentur bereits seit längerem. Zu den bekanntesten Unterstützern zählt der Ökostromanbieter Lichtblick, der seine elektrische Ware gerne auch an den Energie-Zapfsäulen aller Ladepunktbetreiber in Deutschland anbieten würde. Um das Geschäft für letztere interessant zu machen, würden die Berliner eine Gebühr zahlen. "Die Durchleitungsentgelte müssten sich auf Dauer etwa auf demselben Niveau wie die Strom-Netzentgelte einpendeln. Da sollten aktuell rund vier Cent pro Kilowattstunde ausreichen. Je nach verwendeter Hardware auch etwas weniger", so Ralph Kampwirth von Lichtblick. Die hohen Kosten der Ladesäulenbetreiber für den Aufbau der dann gemeinsam genutzten Infrastruktur sieht er nicht als Hindernisgrund. Der Großteil der jüngst errichten Ladepunkte sei mit 40 Prozent und mehr durch öffentliche Gelder gefördert worden.  

Überprüfung auf Monopole

Ob die Freigabe der Ladepunkte kommt, hängt nicht zuletzt von einer aktuellen Untersuchung des Bundeskartellamts ab. Die Wettbewerbshüter prüfen, ob einzelne Ladesäulenbetreiber in einigen Regionen Deutschlands marktbeherrschende Monopole errichtet haben. Sollte das der Fall sein, könnte das neues Tempo in eine Liberalisierung der Liefersituation bringen.  

Keine Option hingegen dürften weiterhin steigende Preise an den öffentlichen Ladesäulen sein. Abhilfe könnten regulative Änderungen bringen, findet der BDEW und will vor allem Steuern und Abgaben reduzieren. Zurzeit sind mehr als 50 Prozent des Strompreises staatlich verursacht. Um diese zu reduzieren, sollte die EEG-Umlage nach Ansicht des Verbands eingefroren und die Stromsteuer auf das europarechtlich zulässige Minimum gesenkt werden. Das würde auch die E-Mobilisten entlasten, die zuhause laden. Denn auch dort steigen die Strompreise seit Ende der 90er-Jahre kontinuierlich. 2020 zahlte der durchschnittliche Privatkunde knapp 32 Cent pro Kilowattstunde (Industrie ohne EEG-Befreiung 14 Cent, mit zwölf Cent) – 1,09 Cent mehr als ein Jahr zuvor

Dass die hohen Preise für Fahrstrom in Deutschland trotz billigen Flüssigsprits bislang kein Problem für die Etablierung der Elektromobilität sind, liegt auch an den großzügigen Fördersummen beim E-Autokauf. Sollen jedoch neue Nutzergruppen erschlossen werden, muss das Stromern auch finanziell attraktiv sein. Und das nicht nur im Vergleich zum Fahren mit konventionellen Autos, das langfristig unausweichlich immer teurer werden dürfte. Aktuell allerdings nur in mäßigem Tempo: Die CO2-Bepreisung zum Jahresstart etwa belastet den Durchschnittsautofahrer mit gerade einmal rund 70 Euro im Jahr. 

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