Im feinen Niesel von Spa baute sich Audi-Chef Markus Duesmann voller Stolz hinter einem futuristischen Rennwagen auf. Die vier Ringe auf dem schwarz-rot-silbernen Boliden sollten allen zeigen: Von 2026 mischt auch die Volkswagen-Tochter in der Formel 1 mit. Es sei der "perfekte Zeitpunkt" für den Einstieg in die Rennserie und ein "sehr spezieller Moment" für die Marke, beteuerte Duesmann und klopfte den Formel-1-Bossen auf die Schultern. "Ein großartiger Tag", schwärmte auch Formel-1-Chef Stefano Domenicali mit gebührender Begeisterung.
Hunderte Millionen Euro wird sich der Autobauer das Engagement in der Königsklasse des Motorsports kosten lassen. Das Projekt sei daher "sehr langfristig" angelegt, beteuerte Duesmann. Audi will einen eigenen Motor entwickeln, aber keinen komplett neuen Rennstall aufbauen. Bis Jahresende soll der künftige Partner offiziell werden. Erwartet wird, dass Audi beim Schweizer Sauber-Rennstall einsteigt. Gefeilscht wird wohl noch über die Höhe der Kaufsumme und den Umfang des Anteilspakets.
Porsche könnte bald folgen
Schon bald könnte auch Porsche als weitere VW-Marke seinen Einstieg in die Formel 1 im Bündnis mit dem Red-Bull-Team von Weltmeister Max Verstappen verkünden. Dieser Doppelstart, verbunden mit den hohen Kosten, ist im Volkswagen-Konzern durchaus umstritten. Duesmann versicherte jedoch, er und Porsche-Chef Oliver Blume seien in ihrer Rennsport-Euphorie "auf einer Linie". Blume übernimmt zum 1. September auch den Vorstandsvorsitz bei VW.
Die Formel 1 hatte Autoherstellern wie Audi den Einstieg schmackhaft gemacht. So sinkt die verschärfte Budgetobergrenze ab 2023 pro Rennstall weiter auf 135 Millionen Dollar im Jahr. Sie macht einen Einstieg finanziell planbarer, auch wenn Duesmann über das Formel-1-Vorhaben sagte: "Geld zu verdienen ist immer gut, aber wir müssen es nicht."
Viel wichtiger war, dass die Rennserie einen Regelkompromiss geschaffen hat. Ab 2026 sollen die Hybrid-Motoren mit 100 Prozent nachhaltigem Kraftstoff betrieben werden. Der Verbrenner im Aggregat soll nur noch 50 Prozent der Leistung beitragen, der Rest ist elektrisch. Das passt zur künftigen Ausrichtung der Autobranche.
Verhandlungen über mehrere Jahre
"Die Formel 1 und Audi verfolgen beide eindeutige Nachhaltigkeitsziele", versicherte Duesmann. Weltverbandschef Mohammed bin Sulayem sprach bei der Bekanntgabe der Audi-Pläne von einem "Meilenstein". Mehrere Jahre hatten die Ingolstädter mit den Bossen der Rennserie um die Rahmenbedingungen des Engagements gefeilscht.
Mit der Transformation zur Elektromobilität lässt sich das XXL-Projekt Formel 1 auch intern verkaufen. "Wir haben die Zusage bekommen, dass wir mit Formel 1 mehr Geld nach Wolfsburg bekommen als ohne Formel 1", hatte der scheidende VW-Boss Herbert Diess gesagt. Schon Anfang April hatten Vorstand und Aufsichtsrat von VW Grünes Licht gegeben, dass Audi und auch Porsche "für einen eventuellen Einstieg in die Formel 1" planen dürfen.
Schnelle Erfolge "nicht realistisch"
Mit schnellen Erfolgen rechnet Audi indes nicht. Siege oder gar der Kampf um den WM-Titel im ersten Jahr nach dem Einstieg seien "nicht realistisch", sagte Duesmann. "Innerhalb von drei Jahren sollten wir sehr wettbewerbsfähig sein", fügte der 53-Jährige hinzu.
In weniger als vier Jahren einen starken Formel-1-Motor zu entwickeln, sei eine gewaltige Herausforderung, räumte Audis Technik-Vorstand Oliver Hoffmann ein. "Das ist kein weiter Weg, wir müssen uns beeilen", sagte er. Noch fehlt es an Personal und Prüfständen in der Motorsport-Fabrik in Neuburg an der Donau, dafür wird eine deftige Anschub-Finanzierung fällig. "Wir nennen für die gesamte Operation keine Zahlen. Aber es sind hohe Zahlen", sagte Duesmann.
Der Audi-Chef weiß, wovon er spricht. Beim Formel-1-Intermezzo von BMW zu Beginn des Jahrtausends war er Entwicklungschef. Auch damals war Sauber der Partner. Als sich die erhofften Erfolge trotz immenser Investitionen nicht einstellten, stieg BMW 2009 nach nur vier Jahren wieder aus der Rennserie aus. Auch das gescheiterte Milliardenprojekt von Toyota dürfte anderen Herstellern eine Warnung sein.
Knackpunkt für einen Einstieg von Audi und Porsche war bis zuletzt das künftige Motorenreglement. Die etablierten Hersteller wie Mercedes, Ferrari und Renault wollen verhindern, dass ihre über Jahre erarbeiteten technischen Wettbewerbsvorteile schwinden und dadurch ihre Investitionen schmälern. In der Sommerpause wurde das Regelwerk durch den Motorsport-Weltrat aber endlich abgenickt.
"Niemand kann erwarten, dass er zum ersten Mal an der Champions League teilnimmt, direkt ins Finale kommt und mit der großen Trophäe nach Hause geht", hatte Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff schon gewarnt. Man könne nicht "einfach kommen und erobern", sondern müsse "der Sache Zeit geben". Geduld indes ist keine Stärke der Formel 1.
Michael Bellinger