Von Peter Weißenberg/SP-X
Auf dieser Piste spielen normalerweise viele Kleinigkeiten eine Rolle - nur eine nicht: die Langzeitqualitäten eines Reifens: Portimao ist eine Rennstrecke in Portugal, es geht also um maximalen Grip für ein paar schnelle Dutzend Runden. In der Regel ist der Reife nach dem Rennen hinüber. Auf dieser Strecke testen allerdings auch Reifenhersteller und Autobauer ihre Produkte. Und da geht es neuerdings des Öfteren fast lautlos zu. Denn Reifen für Elektroautos sind die nächste große Herausforderung der Branche.
Elektrofahrzeuge gelten nach dem teuren Kauf eigentlich als Geldbeutelschoner: Nur ein Zehntel der Bauteile im Motor, wartungsfreie Batterien, kein Getriebe - die Inspektion ist vergleichsweise billig. Bis auf den Faktor Reifen. Ganz normale Reifen halten auf Elektroautos laut Michelin gerade einmal halb so lang wie bei einem Benziner. Denn wegen der schweren Batterie haben die Autos ein sehr hohes Gewicht - gerade in der Querbeschleunigung müssen die Reifen da Höchstleistungen bringen. Dazu kommen selbst bei braven Kompakt-Stromern rasante Drehmomente vom Start an, die den Verschleiß der Gummis deutlich beschleunigen. Ergebnis: Die Bereifung wird schneller zur Schwachstelle als bei Verbrennern.
Alle großen Reifenhersteller forschen derzeit intensiv an neuen Pneus für Stromer - und damit quasi an der Quadratur des Rades. Thomas Salzinger, Reifentester beim TÜV Süd, sieht die Kernherausforderung dabei am Wunsch nach wenig Rollwiderstand. "Der ist gerade bei den Stromern wichtig, damit die Wagen auf gute Reichweiten kommen". Und bei einem Elektroauto macht dieser Rollwiderstand bis zu einem Drittel des Gesamtenergieverbrauchs aus.
Anderes Abrollverhalten
Herkömmliche Antworten auf den Wunsch nach wenig Widerstand bringen aber gerade bei den schweren Batteriefahrzeugen Probleme. "Am besten ist natürlich theoretisch schmal, hoch und hart", sagt Dietmar Damm, Test-Chef bei Nokian. Ein solcher Reifen sei aerodynamisch besonders günstig und rolle energieschonend ab. Mit einem krassen Beispiel macht Damm aber klar, wo das Problem liegt: "Ein Reifen aus Eisen hätte besonders wenig Rollwiderstand - aber bei Regen würde der Wagen natürlich sofort abschmieren." Gefragt sind aber gerade bei Nässe Top-Werte beim Verzögern. Gute Reifen sind darum mit zwei Zonen ausgestattet: Innen eine, die Nässe ableiten soll - und Außen eine, die für Stabilität und Kraftübertragung sorgt. Gerade die Innere macht aber laut TÜV-Mann Salzinger Probleme bei Reifen, die extrem auf niedrigen Rollwiderstand ausgelegt sind: "Da fehlt es schlicht an Silika in der Mischung, um den Pneu reibungsarm abrollen zu lassen."
Gerade, wer jetzt bei seinem Elektroauto auf neue Sommerreifen umsteigt, sollte nach möglichst rollwiderstandsarmen Pneus suchen. Die erkennt der Fahrer am Kennzeichen AA, wie eine Kaufhilfe in der aktuellen Ausgabe des Magazins "Arrive" erläutert. Bei Winterreifen ist die Auswahl da allerdings noch sehr lückenhaft. Wer aber keinen ausgesprochenen Sport-Stromer bewegt, kann zumindest nach Eco-Ganzjahresreifen suchen.
Großes Thema Abrollgeräusche
Neben niedrigerem Gewicht und späterem Einsetzen des Drehmomentes haben die konventionell angetriebenen Fahrzeuge noch einen weiteren großen Unterschied zum Elektroauto: Motor und Getriebe machen mehr oder minder kräftige Geräusche. Der Elektroantrieb ist dagegen lautlos - da sind die Abrollgeräusche natürlich ein größeres Thema. Goodyear etwa führt in diesem Jahr die sogenannten Efficient-Grip-Reifen für Elektroautos ein, die aerodynamisch optimiert und mit reduziertem Rollwiderstand für mehr Reichweite und höhere Effizienz bei reduzierter Lautstärke sorgen sollen. Michelin entwickelt seinen Energy E-V Reifen für diesen Zweck weiter und Conti den eContact.
Mit einer umfassenden Palette an speziell für Elektroautos entwickelten Reifen rechnet der TÜV-Experte Salzinger erst zu Beginn des nächsten Jahrzehnts: "Dann steigen die Stückzahlen, und die Entwicklung lohnt sich." Aber auch bis dahin werden die Rollwiderstands-Reifen auch für E-Autos besser, so Salzinger: "Auch Verbrenner brauchen dringend derart optimierte Reifen. Denn die Verbrauchsvorgaben werden immer härter - da zählt jedes Gramm."
Leichter, aerodynamischer, widerstandsärmer ist darum das Gebot der Stunde. Viele Hersteller experimentieren darum auch mit neuen Materialien wie Aramid oder Kevlar im Gürtel oder der Karkasse der Pneus. Sicher absehbar ist dabei nur eines: Die neuen Reifen für Elektroautos helfen sparen - aber zu einem hohen Anschaffungspreis.