Der Autobauer Daimler kann trotz eines operativen Milliardenverlusts im zweiten Quartal wohl auf einen schnellen Kaltstart aus der Krise setzen. Zugleich ist ein größerer Stellenabbau geplant. Dank einer überraschend guten Erholung aus dem Lockdown von Fabriken und Autohäusern rund um die Welt schnitt der Konzern im Zeitraum April bis Juni besser ab als befürchtet. Im Juni sei die Entwicklung sogar "stark" verlaufen, hieß es am Donnerstagabend nach Börsenschluss aus Stuttgart. Die Aktien legten am Freitag deutlich zu.
Der Autokonzern will in den kommenden Jahren bis zu 20.000 Stellen abbauen, wie der Deutschen Presse-Agentur am Freitag aus Konzernkreisen bestätigt wurde. Nach einem Bericht des 'Handelsblatts' (Freitag) sollen beim Personal zwei Milliarden Euro eingespart werden. Ursprünglich hatte der Vorstand Einsparungen in Höhe von 1,4 Milliarden Euro angekündigt. Ein Sprecher des Gesamtbetriebsrats von Daimler sagte der dpa, die Gespräche mit dem Konzern gingen weiter und sie seien durchaus kontrovers.
Der Dax-Konzern fuhr auf Basis vorläufiger Zahlen im zweiten Quartal einen Verlust vor Zinsen und Steuern von 1,68 Milliarden Euro ein. Das war zwar nur etwas mehr Minus als im Vorjahreszeitraum mit 1,56 Milliarden Euro - damals hatte der Konzern aber milliardenschwer die Rückstellungen für Dieselverfahren und Takata-Airbags erhöhen müssen.
In China wieder in der Wachstumsspur
Die Stammmarke Mercedes-Benz hatte zwar im zweiten Quartal mit insgesamt 457.711 Autos weltweit 20,2 Prozent weniger Fahrzeuge an Kunden ausgeliefert als ein Jahr zuvor. Das lag aber vor allem an Europa und Nordamerika. In China fand Mercedes bereits wieder in die Wachstumsspur zurück und erzielte nach dem Ende des Lockdowns im wichtigsten Automarkt der Welt ein Auslieferungsplus von fast 22 Prozent. Auch inklusive des schwachen ersten Quartals hat der Autobauer dort nun seit Jahresbeginn wieder eine positive Bilanz vorzuweisen.
"Aber es bleibt viel zu tun", sagte Daimler-Chef Ola Källenius. "Wir müssen unsere systematischen Bemühungen fortsetzen, die Gewinnschwelle des Unternehmens durch Kostenreduktion und Kapazitätsanpassungen weiter zu senken." Källenius hat sich bei den Kostenstrukturen des Traditionskonzerns viel vorgenommen, nachdem er das Ruder vom langjährigen Daimler-Boss Dieter Zetsche übernommen hatte.
Viele Sonderbelastungen
In den Zahlen enthalten waren Sonderbelastungen von 687 Millionen Euro in der Pkw- und Van-Sparte für die Straffung der Produktion in Frankreich, den USA und Mexiko. Für rechtliche Verfahren musste Daimler zusätzlich 53 Millionen Euro ausgeben, auch das verlustbringende Carsharing-Joint-Venture Your Now mit BMW erforderte 105 Millionen Euro an Sonderkosten. Zudem nahm Daimler 129 Millionen Euro für das laufende Sparprogramm in die Hand. Bereinigt um diese Faktoren lag der operative Konzernverlust bei 708 Millionen Euro.
Neben dem Autogeschäft musste auch das Nutzfahrzeug-Geschäft einen herben Dämpfer hinnehmen, bei dem schon vor der Coronakrise ein deutlicher Abschwung ins Haus stand.
Überraschen konnte Daimler vor allem beim Mittelzufluss aus dem laufenden Industriegeschäft - sprich dem Auto- und Nutzfahrzeugbau. Hier erzielte der Konzern ein Plus von 685 Millionen Euro, Analysten hatten mit milliardenschweren Abflüssen gerechnet. Die Nettoliquidität im Industriegeschäft stieg gegenüber Ende März von 9,3 auf 9,5 Milliarden Euro zur Mitte des Jahres. "Hinter uns liegt ein komplexes Quartal. Wir haben proaktiv Entscheidungen hinsichtlich der Kosten und Ausgaben getroffen und uns intensiv auf das Management unseres Working Capital fokussiert", sagte Källenius.
Zum Umsatz und dem Gewinn unter dem Strich machte Daimler zunächst keine Angaben. Die vollständigen Quartalszahlen werden am 23. Juli veröffentlicht. (dpa)